Lost Places am Meer – verfallene Villen mit geheimnisvoller Aura
Loungemusik perlt, Weingläser klirren, Wellen rauschen. Hier ist das Land, wo der Pfeffer wächst, deshalb bringt die Küche als Snack frittierte Krabbenbällchen mit scharfem Dip – knuspriges Meersalz gemischt mit Tomaten-Sambal und zermörserten Pfefferkörnern.
„The Deck“ heißt die angesagte Beach Bar im Städtchen Kep, von deren Pier sich der Sonnenuntergang mit allen Sinnen genießen lässt. Ist der Feuerball im Meer versunken, schimmern Wasser wie Himmel erst glutrot, dann purpurviolett. Indochinas historische Côte d’Azur hat noch heute einen besonderen Zauber.
Vor gut 100 Jahren hatten französische Kolonialbeamte Kambodschas Küste für sich entdeckt. Statt in der Hitze der Hauptstadt Phnom Penh zu schmoren, genossen sie lieber die Sommerfrische am kühleren Golf von Thailand. Historische Postkarten besingen die Idylle von Kep-sur-Mer, schwärmen von einem „Traumstrand, an dem es sich gut leben lässt“.
Das asiatische Saint-Tropez
Nach Kambodschas Unabhängigkeit entwickelte sich der Fischerort zum asiatischen Saint-Tropez: In Villen, Casino und den Palästen der Königsfamilie verlustierte sich die lokale High Society. Den passenden Soundtrack für die extravaganten Partys lieferte der Herrscher höchstselbst. „Beauté de Kep“, die Schönheit von Kep: So heißt ein Rumbasong, komponiert von König Norodom Sihanouk, die Platte eingespielt vom Rundfunk-Tanzorchester Leipzig.
Was ist übrig geblieben vom Glanz jener Epoche? Kep und das Städtchen Kampot, Ursprung des edelsten Pfeffers der Welt, haben weiterhin Flair und Charme. Doch andernorts wird Kambodschas Küste zunehmend zum Schauplatz eines Baubooms.
In wenigen Jahren wird sich die Region dramatisch verändern. Casinos, Golfplätze, Marinas, riesige Hotelanlagen an künstlich aufgespülten Stränden: Chinesische Investoren und ihre kambodschanischen Partner verdrängen die an der Küste siedelnden Fischer, um ihre ambitionierten Pläne durchzuboxen.
Auch die vorgelagerten Inseln im Koh-Rong-Archipel sind in ihrem Visier. Noch kann man hier als Backpacker im Schlafsaal nächtigen, sich einen Bungalow mieten oder in einem lange vor dem Goldrausch errichteten Luxusresort übernachten. Doch auch hier sind schon Bagger unterwegs: Wer die Region noch unverbaut und unverfälscht erleben will, muss sich beeilen.
Los geht’s mit einer Zeitreise, für die es nur gute Schuhe braucht. In Kep stiefelt man heute schwitzend durch unzählige Lost Places voller Graffiti. Viele Villen sind verfallen, Lianen wachsen an den Fassaden, Bäume in den Swimmingpools. Die einstigen Besitzer? Verschwunden. Die Eigentumsverhältnisse? Ungeklärt.
Ein Militärputsch und der Vietnamkrieg haben das mondäne Treiben beendet, die kommunistischen Roten Khmer die Oberschicht ermordet. Einige Villen im Stil des Modernismus aber sind auferstanden aus Ruinen. In drei benachbarte Häuser ist unter anderem das elegante Boutiquehotel „Knai Bang Chatt“ eingezogen.
In Kep haben sie einen Riesenkrebs ins Meer gebaut, die wichtigste Attraktion hier ist nämlich der Krebsmarkt. Noch vor Sonnenaufgang landen die Kutter an. Korb für Korb hieven die Fischer ihren Fang an Land: Kühlwagen karren das Meiste in die Hauptstadt.
Doch auch Dutzende Einheimische stehen bereit. Sie haben Feuer angefacht, um die Tiere in kochendem Wasser zu garen. Anschließend landen sie mit Kokosöl, Knoblauch, Frühlingszwiebeln, Austernsoße und Zucker im Wok. Die wichtigste Zutat aber ist grüner Pfeffer aus der Region. „Das ist unser Markenzeichen“, sagt eine der Köchinnen. „Die frischen Rispen sorgen für einen einmaligen Geschmack.“
Schon im 13. Jahrhundert rühmten chinesische Händler den hiesigen Pfeffer. Benannt nach dem nahe gelegenen Städtchen Kampot, gilt er als besonders aromatisch. Die grünen Körner sind erstaunlich mild. Man kann sie pur wie Gemüse essen und spürt dabei Zitrusnoten heraus. Beim roten Pfeffer wirkt die runzelige Schale süß und blumig-fruchtig, der Kern hat trotzdem viel Power. Der weiße Pfeffer hat eine herbe, der schwarze eine würzige Schärfe.
Jedes einzelne Pfefferkorn wird geprüft
„Alles stammt aber von ein- und derselben Pflanze“, sagt Sorn Sothy, Chefin einer Pfefferfarm. „Entscheidend ist der Zeitpunkt der Ernte und die Verarbeitung.“ Sothy bietet kostenlose Führungen an und zeigt den irren Aufwand – mit der Pinzette wird jedes Korn geprüft. Die Pfefferplantagen finden sich in der Provinz Kampot, zwischen Reisfeldern und buddhistischen Tempeln, wo oft Elefanten als heilige Tiere verehrt werden.
Kampot hat eine Flaniermeile am Fluss, schöne Tempel und im Zentrum ganze Straßenreihen an Shophouses mit netten Cafés. Darin hacken viele digitale Nomaden in ihre Laptops, die Stadt ist beliebt als Basis für Expats. Besucher sind aktiver: Gebucht werden Kajak-Ausflüge, Bootstouren zu Glühwürmchen, Expeditionen in Kalksteinhöhlen.
Die schönste Exkursion kann man auf eigene Faust per Moped unternehmen: Serpentine um Serpentine geht es 1000 Höhenmeter auf den Bokor Mountain, einen Ausläufer der Elefantenberge. Geboten wird Besuchern der alten Hill Station mehr als der grandiose Meerblick. Die Ruinen des Palasthotels, der Kirche und der königlichen Residenz erinnern an vergangene Zeiten.
Doch auch hier wird an der Zukunft gearbeitet. Im neuen, pompösen Casino sprechen die meisten Gäste und auch das Personal nun Mandarin: Ein Vorbote jenes Projekts, bei dem für chinesische Besucher große Teile des Bergs bebaut werden sollen, obwohl der als Nationalpark ausgewiesen ist. Ein bekanntes Muster: Im Botum-Sakor-Nationalpark sind 90 Prozent der Fläche privatisiert, ein Flughafen ist in Bau.
Die Insel Koh Tonsay, einst beliebt bei Backpackern, hat sich ein anderer Tycoon unter den Nagel gerissen: Es wird nun an einem Resort, Hotels und einer Seilbahn gewerkelt. Kalkuliert mit 16 Milliarden US-Dollar entsteht auf aufgespültem Terrain auch die Retortenstadt „Bay of Lights“ – so schnell, dass die Satellitenbilder von Google Maps nicht mitkommen.
Fertige Wolkenkratzer verrotten
China investiert für sein Projekt der „Neuen Seidenstraße“ eben nicht nur in den Highway nach Phnom Penh und vielleicht auch einen Schifffahrtskanal zum Mekong, sondern auch in den Tourismus. Wie das grandios schiefgehen kann, lässt sich in Sihanoukville erleben.
Die Stadt träumte davon, ein zweites Macau zu werden, hatte stolze 100 Casinos, galt als Zentrum für Glücksspiel, digital und analog. 2019 war die Online-Zockerei plötzlich illegal, Gäste blieben aus, Bauprojekte wurden gestoppt. Nun verrotten überall halb fertige Wolkenkratzer.
Die Investoren haben auch die Inseln im vorgelagerten Koh-Rong-Archipel im Blick und wollen sie für die Massen erschließen. Doch noch finden sich hier charmante Refugien und einsame Traumstrände. Zum Beispiel auf Koh Rong, wo es per Moped von Strand zu Strand geht. Der Lonely Beach ist oft so einsam, wie der Name verspricht, der Long Set Beach blendend weiß, der Sok San Beach fast unendlich lang.
Noch baden hier vor allem westliche Individualtouristen. Doch inzwischen schlängelt sich eine Teerstraße über Kambodschas zweitgrößte Insel, ein Kabel bringt Strom vom Festland, ein internationaler Flughafen entsteht gerade. Der Staat hat Koh Rong an einen einflussreichen Unternehmer verpachtet. Geplant sind Hotels, eine Marina und Golfplätze, man will hier Bali und Phuket Konkurrenz machen.
Dabei ginge es auch anders, nachhaltiger, mit viel weniger Beton. Koh Bong und Koh Ouen sind zwei winzige Inseln, die sich eng aneinander kuscheln und per Holzsteg miteinander verbunden sind. Lange vor dem Boom hat hier „Song Saa“ eröffnet, ein exklusives Resort für Leute mit Geld. Und alles richtig gemacht: Ohne „Song Saa“ gäbe es hier kein Meeresschutzgebiet, das die Korallenriffe und Seegraswiesen vor Überfischung schützt.
Die Gäste finanzieren auch das Nachpflanzen abgeholzter Mangroven und im Nachbardorf Preak Svay Müllentsorgung, Schulbildung und medizinische Versorgung. Wer Englisch gelernt und den Umgang mit Besuchern geübt hat, macht sich selbstständig: Etliche ehemalige Angestellte haben schon Homestays eröffnet.
Dann gibt es noch Koh Ta Kiev, die ursprünglichste Insel im Golf von Thailand, auf der das Ambiente noch an das Backpacker-Thailand der 90er-Jahre erinnert. Hier ist die Situation allerdings undurchsichtig. Die Insel vor dem Militärhafen Ream, wo gerade zwei chinesische Korvetten den Kai besetzen, gehört wohl der Marine und soll von einer Investmentgesellschaft geleast worden sein. Noch werden die paar über die Inseln verstreuten Hostels und Bungalowanlagen aber geduldet.
Wer nicht gemütlich in der Hängematte chillt oder sich beim Beachvolleyball verausgabt, wandert durch den tropischen Inselwald voller Nashornvögel und macht dann einen Mutprobensprung vom Elephant Rock. Das schönste Erlebnis aber wird nach dem Abendessen serviert.
Ein Ausflugsboot tuckert mitten in der Nacht aufs Meer hinaus. Als dann alle ins Wasser hüpfen, leuchten mikroskopisch kleine Algen. Die Einzeller sind biolumineszent, glühen also im Dunkeln. Ein magischer Moment: Bei jeder Bewegung strahlt das blau-grüne Licht aufs Neue.
Tipps und Informationen:
Wie kommt man hin? Es gibt keine Nonstop-Flüge von Deutschland nach Kambodscha. Nach Sihanoukville und Phnom Penh fliegt zum Beispiel Vietnam Airlines (vietnamairlines.com) via Ho-Chi-Minh-Stadt, Phnom Penh wird auch von Thai Airways (thaiairways.com) via Bangkok angeflogen. Im Kleinbus geht es von dort in drei Stunden nach Kampot und Kep (12go.asia). Schnellboote verbinden Sihanoukville mit Koh Rong, Koh Ta Kiev erreicht man vom Ream Beach. Touristen benötigen ein Visum und müssen sich sieben Tage vor der Reise online auf arrival.gov.kh registrieren.
Wo wohnt man gut? Generell gilt: Einfache Zimmer kosten ab 20 US-Dollar (17 Euro), für Komfort und Klimaanlage zahlt man mehr. Strandbungalows gibt es ab 40 Dollar, eine Mittelklasse-Unterkunft kostet ab 100 Dollar, die Nacht im „Song Saa Resort“ ab 500 Dollar. Mit Charme und guter Küche punktet das „Hotel Old Cinema“ in einem alten Kino in Kampot (hoteloldcinema.com). Ein Traum für Architektur-Fans ist die „Villa Knai Bang Chatt“ in Kep, gebaut im Modernismus-Stil (knaibangchatt.com). Auf Koh Ta Kiev wohnt man mit Hippie-Vibes im Baumhaus der „Kactus Eco-Lodge“ (kactuscambodia.com). Auf Koh Rong lockt im Norden das „Palm Beach Resort“ mit Bungalows am Meer (palmbeachkohrong.com). Auf Koh Rong Sanloem ist „La Passion by Acharyak“ ein gepflegtes Resort mit Pool und Chalets im Park (lapassionresort.com). Edel logiert man im „Song Saa Private Island“: Das nachhaltig geführte Resort erstreckt sich über zwei miteinander verbundene Inseln und bietet Überwasser-Bungalows, Outdoor-Spa, Tauchcenter (songsaa-privateisland.com).
Veranstalter: Wer nicht auf eigene Faust reisen mag, kann zum Beispiel bei Select Luxury Travel eine neuntägige Kambodscha-Reise buchen mit Besuch der Tempel von Angkor und Badeverlängerung im „Song Saa Resort“ (inkl. aller Flüge, Privattransfers und deutschsprachigem Guide ab 5990 Euro pro Person, select-luxury.travel). Eine 14-Tage-Gruppentour mit maximal zwölf Teilnehmern hat a&e Erlebnisreisen im Programm, mit Aufenthalt in Angkor, Phnom Penh, am Mekong und auf Koh Rong, ab 1120 Euro pro Person ab/bis Phnom Penh (ae-erlebnisreisen.de).
Weitere Infos: tourismcambodia.org
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Select Luxury Travel. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit
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