Mit dem Sommer füllen sich die Museen in ganz Europa. Ganz vorne dabei sind natürlich der Louvre, der Prado und die Uffizien – die weltberühmten Giganten unter den Musentempeln.

Es gibt mindestens drei Gründe, weshalb Menschen in die Kunstpaläste strömen: Sie möchten die Kunst genießen, der Mittagshitze in den klimatisierten Museumssälen entfliehen oder ein Selfie mit einem möglichst berühmten Kunstwerk machen. All dies sind respektable Gründe, eine meist von den Steuerzahlern finanzierte Kunstinstitution zu besuchen.

Es gibt allerdings ein Problem mit dem letztgenannten Grund: Im Bemühen um ein möglichst originelles Selfie, das man mit der Welt teilen möchte, häufen sich die Unfälle, bei denen Kunstwerke beschädigt werden.

Spektakulär sind die Videos der Sicherheitskameras, die der Palazzo Maffei in Verona Mitte des Jahres online stellte. Zu sehen ist ein Paar, das vorgibt, sich auf einen mit Swarovski-Steinen überzogenen Stuhl des Künstlers Nicola Bolla zu setzen. In einer unbequemen Hockstellung kippt der Mann jedoch nach hinten, sodass der Stuhl unter seinem Gewicht zusammenbricht. Kein Wächter war in der Nähe. Bis heute wurde das Paar nicht gefunden.

Ein Griff ins Gemälde

Auch die Uffizien in Florenz, die jährlich fast fünf Millionen Besucher verzeichnen, mussten ein Foto-Opfer beklagen: Ein junger Mann wollte unbedingt vor dem Bildnis des Fürsten Ferdinando de’ Medici posieren. Dabei griff er in das Gemälde und zerriss die Leinwand.

„Das Problem der Besucher, die Museen betreten, um Memes zu erstellen oder Selfies für soziale Medien zu machen, ist weitverbreitet“, erklärte Museumsdirektor Simone Verde in einer Mitteilung. „Wir werden Verhaltensweisen unterbinden, die nicht mit dem Zweck unserer Institutionen und dem Respekt vor dem kulturellen Erbe vereinbar sind.“

Wegen der Menschenmassen, unkontrollierbarer Selfie-Fotografen und eklatantem Personalmangel traten die Mitarbeiter des Pariser Louvre vor Kurzem sogar in den Streik. Schätzungen zufolge kommen von den rund neun Millionen Besuchern pro Jahr fast 80 Prozent wegen Leonardo da Vincis weltberühmter „Mona Lisa“. Und natürlich wollen alle ein Foto mit der geheimnisvoll lächelnden Dame.

„Das Problem, dass Touristen Kunstwerke beschädigen, tritt immer häufiger auf“, zitiert die „New York Times“ Marina Novelli, Leiterin des Sustainable Travel and Tourism Advanced Research Center an der Universität Nottingham. Ihrer Analyse zufolge wollten Museumsbesucher früher bestimmte Bilder oder Objekte besichtigen – heute jedoch haben viele eine Bucket-Liste der Werke, vor denen sie fotografiert werden möchten. Statt Kunstpostkarten zu kaufen, fertigt inzwischen jeder mit dem Handy seine ganz persönliche Ansichtskarte an.

Museumsdirektor Verde von den Uffizien hat mehr Schutz für die Kunstwerke und strengere Verhaltensregeln für die Besucher angekündigt. Der Übeltäter war über ein Podest gestolpert, dessen Zweck es eigentlich war, das Publikum auf Abstand zu halten. „Die Besucher schauen auf die Gemälde, nicht auf den Boden“, sagt Silvia Barlacchi, eine Mitarbeiterin des Museums. Die Abstandshalter sind damit zu Stolperfallen geworden.

Zu spät kommt die Mitteilung des Palazzo Maffei, über den glitzernden Stuhl von Nicola Bolla einen Plexiglaskasten stülpen zu wollen. Die Leiterin des Hampton Court Palace, in dem Heinrich VIII. einst residierte, Rachel Mackay, fragt: „Bin ich die Einzige, die hier die Schuld beim Museum sieht?“

Ihrer Meinung nach hätte die Leitung des Palazzo von Anfang an den zerbrechlichen Stuhl nicht ungeschützt auf einen niedrigen Sockel stellen dürfen, sondern eine Barriere errichten müssen. „Den Besuchern die Schuld dafür zu geben, dass sie die Kunst nicht respektieren, ist genau die Denkweise, die dazu führt, dass die Leute eher das Weite suchen, wenn sie einen Fehler machen, als ihn dem Personal zu gestehen.“

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