Das Vogtland

Im südwestlichsten Zipfel Sachsens, bis nach Thüringen, Bayern und in das tschechische Egerland hineinragend, herrschten einst die Vögte von Gera, Plauen und Weida. Wer heute Vogtland sagt, meint jedoch meist den sächsischen Vogtlandkreis, eine Feld- und Wiesenlandschaft, in der sächsische und fränkische Dialekte gesprochen werden.

Das „Vogtländische Meer“, wie die Talsperre Pöhl im Volksmund genannt wird, liegt in einem gut 4000 Hektar großen Landschaftsschutzgebiet. Der Stausee selbst ist sieben Kilometer lang und zwei Kilometer breit, ideal für Badegäste und Wassersportler. Weitwanderer schätzen den Vogtland-Panoramaweg: Gut 235 Kilometer führt er etappenweise von der Drei-Schlösser-Stadt Greiz über Plauen bis ins gebirgige Obere Vogtland.

International bekannt ist die Region für den Bau von Musikinstrumenten. Böhmische Glaubensflüchtlinge siedelten sich hier Mitte des 17. Jahrhunderts an und brachten ihre Handwerkskunst mit. Die Qualität der gebauten Orchester-Instrumente war so hoch, dass die Region im 19. Jahrhundert „Musikwinkel“ genannt wurde.

Seit 2014 ist dieses vogtländische Handwerk immaterielles Unesco-Weltkulturerbe. Das Musikinstrumenten-Museum in Markneukirchen zeigt viele Exponate; in seinen Werkstätten kann man zuschauen, wie eine Geige oder eine Trompete gefertigt wird.

Das Zitat

„Ich bin als Sohn geboren und habe mich im Laufe der Jahre zum Vater emporgearbeitet“

Der Spruch stammt von Erich Ohser alias e. o. plauen (1903–1944). Der Zeichner und Karikaturist ist der Erfinder der weltbekannten „Vater und Sohn“-Bildgeschichten, die selbst in China ihre Fans haben und noch heute im Reclam-Verlag erscheinen.

Im vogtländischen Plauen, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte und dessen Namen er als Pseudonym verwendet hat, ist Ohser und seinem Werk ein eigenes Museum gewidmet. Vor 1933 hatte der Künstler sich mit nazi-kritischen Karikaturen einen Namen gemacht. Nach Hitlers Machtergreifung zunächst mit einem Berufsverbot belegt, konnte der Karikaturist trotzdem weiterarbeiten, nachdem er sich ein Pseudonym zugelegt hatte.

Ende 1934 erschien seine erste „Vater und Sohn“-Geschichte in der „Berliner Illustrierten Zeitung“. Privat spottete Erich Ohser weiter über die Nazis; 1944 denunzierte ihn ein Nachbar, der ihn belauscht hatte. Ohser wurde von der Gestapo verhaftet und beging Selbstmord, bevor der Volksgerichtshof, das zuständige NS-Sondergericht, ein Urteil über ihn fällen konnte. 

Alles Spitze

Plauen ist die Spitzenstadt Deutschlands. Seit mehr als 150 Jahren werden in der Vogtland-Metropole filigrane Stickereien aus Baumwolle und Tüll hergestellt, die Gardinen, Tischwäsche und Dessous zieren. Diese Plauener Luftspitze wurde erstmals 1882 in der damaligen Stickerei Anton Falke hergestellt. 1900 wurde sie auf der Weltausstellung in Paris mit dem Grand Prix ausgezeichnet und damit weltbekannt.

Zu DDR-Zeiten gehörte die Spitze zur sogenannten Bückware bei den normalen Bürgern. In mehr als 40 Länder exportiert, galt sie dem Staat als Devisenbringer. Heute ist Plauener Spitze eine geschützte Marke des Branchenverbandes Plauener Spitzen und Stickereien.

Die Firma Modespitze etwa beliefert, mittlerweile in vierter Generation, Markenlabel und Designer mit Meterware und Motiven für Blusen, Lingerie und Haute Couture. Beliebt ist die Bauhaus-Kollektion (Illustration) nach Originalentwürfen aus den 1920er-Jahren.

Ein schwebendes Ufo

Auf 35 Metern Höhe scheint auf dem Schanzenturm über der Skisprunganlage Vogtlandarena in Klingenthal ein Ufo zu schweben. Bei Nacht ist der optische Effekt noch stärker, dann wird die Kapsel aus Aluminium und Glas beleuchtet.

Sie ist eigentlich der Wärmeraum für die Athleten am Schwarzberg, doch in der wettkampffreien Zeit können Besucher in der Kapsel die Aussicht genießen – und den Sportlern beim Training auf der Schanze zuschauen. Hoch und runter, bei immerhin 100 Metern Höhenunterschied, geht es mit der Erlebnisbahn in schienengeführten Viersitzern. Die Tour mit Kapselbesuch kostet zehn Euro. 

Hübsche Heilbäder

Im Vogtland gibt es gleich zwei sächsische Staatsbäder im Doppelpack, die nur 14 Kilometer voneinander entfernt liegen: Wer Gesundheit und Kultur kombinieren und dabei etwas kursächsischen Glanz genießen möchte, besucht Bad Elster.

Das Städtchen mit vielen Gründerzeitbauten – wie dem Königlichen Kurhaus (Foto) – gehört zu den ältesten Mineral- und Moorheilbädern Deutschlands. Es hat mit dem renommierten König-Albert-Theater auch eines der prachtvollsten Hoftheater Europas.

Mit dem Bus geht es ins benachbarte Mineralheilbad Bad Brambach. Es ist zwar weniger mondän, aber bekannt für seine Wettinquelle, eine der weltweit stärksten Radonquellen zur Schmerztherapie.

Vogtländische Wunderbrücke

Ein Hauch von Rom: Die Göltzschtalbrücke ist das Wahrzeichen des Vogtlandes. 26 Millionen verbaute Ziegel und 98 Bögen machen das Viadukt auf der Bahnstrecke zwischen Leipzig und Nürnberg zur größten Ziegelsteinbrücke der Welt. Das 78 Meter hohe Monument wurde zwischen 1846 und 1851 errichtet und gilt als ein Meisterwerk der Ingenieurskunst.

Die Brücke dient als Festival-Kulisse und als Startpunkt zahlreicher Wanderwege, unter anderem zur Elstertalbrücke. Mit 68 Metern Höhe und zwölf Millionen verbauten Ziegeln ist letztere die „kleine Schwester“ der Göltzschtalbrücke.

Der Traum der Vogtländer, dass ihre Rekordbrücke Weltkulturerbe wird, ist vorerst geplatzt: Die Kultusministerkonferenz beschloss, das Viadukt nicht auf die Vorschlagsliste für die Unesco zu setzen.

Skurriles, Rekordverdächtiges, Typisches: Weitere Teile unserer Länderkunde-Serie finden Sie hier.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke