Wo Sie in Indien den Himmel auf Erden finden
An „Krishnas Butterball“ in Mahabalipuram versagen die Gesetze der Physik. Gut 250 Tonnen wiegt der Granitklotz, der an einem 45-Grad-Felshang auf winziger Auflagefläche zu schweben scheint und eigentlich jeden Moment herabrollen müsste.
Was er aber ums Verrecken nicht tut.
Seit ewigen Zeiten verharrt der fünf mal sechs Meter große Brocken an diesem Platz. Alle Versuche, ihn vom Fleck zu bewegen, scheiterten kläglich; selbst sieben Elefanten brachten diesen „Stein des Himmelsgottes“ keinen Millimeter aus der Balance.
Wundersames gibt es noch mehr im beschaulichen Küstenstädtchen, gut 60 Kilometer südlich der Metropole Chennai (früher Madras). Zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert herrschte hier die Pallava-Dynastie, die durch Seehandel reich und mächtig wurde und einmalige Schätze hinterließ.
Ein wahrer Superlativ zum Beispiel ist das größte Felsrelief der Welt. Es beschreibt auf 12 mal 33 Metern den Hindu-Mythos der Ankunft des heiligen Ganges auf der Erde – ein Ereignis, dem Götter, Himmelswesen, Menschen und Tiere beiwohnen in einem Kunstwerk von exzellenter Qualität.
Die Fünf Rathas wiederum sind kleine monolithische Tempel, die seinerzeit mit enormem Aufwand und künstlerischer Meisterschaft aus einem riesigen Granitblock herausgeschlagen wurden. Sie wurden zum Prototyp aller späteren südindischen Tempel, brachten es zu archäologischem Weltruhm und 1984 mit dem gesamten Tempelbezirk von Mahabalipuram dann auch ins Unesco-Weltkulturerbe.
Bauwunder aus dem 11. Jahrhundert
Der südindische Bundesstaat Tamil Nadu ist ein Superlativ der hinduistischen Kultur. Neben Mahabalipuram finden sich Bauwerke von höchster architektonischer Qualität in Darasuram und Gangaikonda Cholapuram, die beide mit wahrhaft göttlichen Skulpturen verzaubern und sich prima auf einer Tagestour miteinander kombinieren lassen. Von dort ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Thanjavur mit seinem Brihadesvara-Tempel. Für viele das großartigste sakrale Bauwerk, das jemals in Indien errichtet wurde und ebenfalls ein strahlendes Juwel in der Welterbe-Schatzkammer.
Der Tempel entstand in sensationell kurzer Bauzeit von 15 Jahren. Sein pyramidenförmiger Turm misst unglaubliche 66 Meter; der halbkugelförmige Schlussstein aus Granitblöcken wiegt 80 Tonnen und soll von Elefanten über eine eigens konstruierte Sechs-Kilometer-Rampe hinaufgezogen worden sein – wohlgemerkt Anfang des elften Jahrhunderts.
Abgesehen davon gibt es in ganz Indien keinen anderen Tempel, der mehr Inschriften aufweist. In schönsten tamilischen Zeichen sind sie eingraviert in Säulen und Wände und verraten jede Menge über Könige, Bauherren und Verwaltung der Tempelanlagen sowie rituelle Bräuche und Feste, die bis heute lebendig sind.
Von Tag zu Tag taucht man dabei tiefer ein in das für Laien schier unfassbare Universum der Hindu-Götterwelt. Da gibt es ganz oben das Dreiergespann aus Brahma, Vishnu und Shiva, die beiden letzteren mit diversen Inkarnationen und Avataren; Dienern und Gefährten; Ehefrauen, die je nach Laune ihre Gestalt und ihren Charakter ändern; Göttersöhne wie den populären Ganesha mit dem Elefantenkopf und Reittiere wie den Bullen Nandi, der in keinem Shiva-Tempel fehlt.
Shivas Frau Parvati ihrerseits vereint unter anderem Kraft, Wissen und Weisheit in ihrer beliebten Form als Durga, die im Zorn wiederum zu Kali wird – der Göttin des Todes und der Zerstörung. Oh, mein Gott: Was für ein Wirrwarr!
Ein Geschenk der Götter in Tamil Nadu jedenfalls sind die Menschen. Die Frauen sind fast ausnahmslos in bunte Saris gewandet. Die Priester segnen unentwegt, für ein paar Rupien auch deutsche Bleichgesichter. Unmengen von Pilgern rücken in schwarzen Trachten mit quietschbunten Bussen an und fluten die Heiligtümer. Freundlich sind alle, vor allem zu Europäern, die als Exoten gelten und mit denen junge und alte Inder gerne Fotos machen.
Der nächste Tag, der nächste Superlativ. In Tiruchirapalli steht nicht nur das größte Vishnu-Heiligtum in Indien, Srirangam ist zugleich eine ganze Tempelstadt. So wird der Haupttempel im Zentrum von sieben konzentrischen Mauerringen mit 21 Tortürmen umschlossen, die nach außen hin immer höher werden.
Das eigentliche Tempelareal, ein verwinkeltes Ensemble aus Schreinen, Säulenhallen und Höfen, befindet sich zwischen den vier inneren Ringen. Ring fünf bis sieben sind ein vor allem von Brahmanen bewohntes Stadtviertel mit Straßen, Wohnhäusern, Geschäften und dem üblichen Verkehrswahnsinn, der dem Fremden generell in Indien immer wieder Stoßgebete entlockt – Tamil Nadu macht da keine Ausnahme.
Letzte Station der Tempeltour: die Pilgermetropole Madurai. Hier sind die Altstadt und der Minakshi-Tempel mit ebenfalls riesigen Tortürmen quasi miteinander verwachsen. Ursprünglich eine rein lokale Göttin, wurde Minakshi als Shivas Gattin in die hinduistische Götterwelt integriert.
Und so kommt Shiva jeden Abend gegen halb zehn in einer Prozession mit viel Brimborium aus seinem Tempel, um zu seiner Gemahlin herübergetragen zu werden – ein Tribut an die älteren Rechte der Göttin.
Und wer dabei erlebt, wie sich kurz vor Tagesschluss noch hunderte Gläubige in langen Reihen anstellen, um Minakshi und Shiva die Ehre zu erweisen, kann nur noch ein letztes Mal fassungslos konstatieren: Oh, mein Gott!
Tipps und Informationen:
Anreise: zum Beispiel mit Lufthansa von Frankfurt/Main nonstop nach Chennai oder mit Qatar Airways über Doha nach Chennai. Zur Einreise ist ein Visum erforderlich, das vorab besorgt werden muss (bei Gruppenreisen über Veranstalter).
Tipps vor Ort: Amtssprache in Tamil Nadu ist Tamil, in touristischen Einrichtungen kommt man aber auch mit Englisch recht gut klar. Die als besonders scharf geltende tamilische Küche ist außerordentlich vielfältig. Hauptnahrung ist Reis, der mit Curry gereicht wird – keine Gewürzmischung, sondern ein vegetarisches oder fleisch- oder fischhaltiges Gericht in einer stark gewürzten Soße. Generell sollte man Essen im Lokal „reduced“ oder „no spicy“ bestellen – es wird trotzdem scharf sein.
Pauschalreisen: Die 14-Tage-Privatreise „Bezauberndes Südindien“ (Tamil Nadu + Kerala) gibt es bei Gebeco ab 1925 Euro zzgl. Anreise (gebeco.de). Tischler Reisen hat ab/bis Chennai eine fünftägige Rundreise durch Tamil Nadu im Angebot, ab 1028 Euro (tischler-reisen.de).
Weitere Infos: incredibleindia.gov.in/en
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Gebeco. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke