Der Boom der Fernwanderwege ist ungebrochen. Es hat nun mal etwas für sich, in einem Urlaub jeden Tag zu wandern, immer weiterzugehen und stets an einem anderen Ort zu übernachten. Aber in Massenlagern in einfachen Hütten zu schlafen und einen schweren Rucksack mit sich herumzuschleppen, das gefällt nicht allen. Für Wanderurlauber, die es bequemer haben möchten, bietet das Ötztal eine komfortable Alternative: den Ötztaler Urweg.

Der führt auf halber Höhe um das ganze Tal herum. Etwa 180 Kilometer, aufgeteilt auf zwölf Tagesetappen, sind zu bewältigen, aber übernachtet wird in Hotels und Pensionen. Und es gibt einen Gepäcktransport-Service, sodass man allenfalls mit einem kleinen Tagesrucksack unterwegs ist.

Im Vergleich zum anspruchsvollen, hochalpinen Ötztal Trek, der von Gipfel zu Gipfel und von Hütte zu Hütte führt, ist der Urweg weitaus bequemer – und bietet doch alpine Highlights. Der Rund-Weitwanderweg führt ab Ötztal-Bahnhof von Dorf zu Dorf auf der einen Talseite hinein, im Talende hoch in die Berge und dann auf der anderen Seite wieder hinaus bis zum Anfangspunkt.

Die erste Tagesetappe startet gemächlich mit zehn Kilometern und 370 Höhenmetern. Die anspruchsvollste ist die sechste; 15 Kilometer und 1300 Höhenmeter von Obergurgl nach Vent in Hochgebirgsgelände.

Jeden Abend zum Hotel zurück

Man kann den Urweg locker in einem Urlaub schaffen. Aber viele Gäste gehen es noch entspannter an. Manche wandern nur auf der einen Talseite entlang und setzen die Route im nächsten Sommer auf der anderen fort. Oder sie bleiben in einem Quartier und nehmen sich nur einzelne Etappen vor. Schließlich funktioniert das Busfahren im Ötztal fabelhaft, sodass man jeden Abend zum Hotel zurückkommt. Wer will, macht nur einen Kurzurlaub und sucht sich einfach zwei Teilstrecken aus.

Dafür bietet sich der Talboden von Oetz als Ausgangspunkt an, wo Etappe zwei beginnt, 15 Kilometer lang. Nach einem gemütlichen Anfang kommt schon ein Highlight, der Habicher See, er liegt verträumt im Wald. Hier ist auch der Eiskeller zu sehen: Ein Felsen mit unterirdischen Hohlräumen, in denen die Luft das ganze Jahr hindurch kalt blieb, er wurde noch in den frühen 1960er-Jahren zum Kühlen von Speisen genutzt.

Am rauschenden Bach geht es aufwärts, und dann ist es mit der Waldruhe erst mal vorbei. Eine der Attraktionen hier ist nämlich der Stuibenfall, Tirols größter Wasserfall. An ihm entlang führt eine lange Stahltreppe hinauf, die schwingt und wackelt. Hier treffen Wandersleute auf Ausflügler, rund 150.000 im Jahr. Familien mühen sich hinauf, Kinder nehmen es spielerisch, Eltern seufzen. Gefühlt alle machen sehr viele Fotos, vor allem da, wo der Wasserfall stäubt. Oben angekommen wartet das Sonnenplateau Niederthai.

Auf jeder Etappe gebe es ein Highlight wie den Stuibenfall und einmal auch eine lange, wackelige Hängebrücke, sagt Niki Leiter vom „Hotel Tauferberg“ in Niederthai. Er ist Hotelier und Wanderführer in Personalunion. Als Guide finde er den Urweg gut, sagt er, für Hoteliers stelle er aber eine Herausforderung dar: „Jeder Gast, der den Fernwanderweg am Stück unter die Füße nimmt, bleibt schließlich nur eine Nacht.“

Die Zimmer jeden Tag komplett neu herzurichten, bedeute viel Aufwand, aber der Tourismus sei nun mal im Wandel, die Leute machten immer öfter kurze Urlaube. Die Wanderer, die hier bei ihm ankämen, hätten durchaus etwas geleistet: „Die zweite Etappe ist eine der anstrengenden. Erst lang und dann noch steil hinauf, mit dem ‚Stairway to heaven‘ am Stuibenfall.“

Mit Turnschuhen im Hochgebirge

Für den nächsten Tag empfiehlt Leiter Etappe sieben (15 Kilometer). Hier geht es in alpine Regionen, man kommt hoch hinaus, ohne aber bergsteigerische Erfahrung zu brauchen. Der Tag beginnt hinten im Ötztal, in Vent, einem Bergsteigerdorf am Ende des Tals. Dort begegnet man vielen Menschen mit großen Rucksäcken – der beliebteste Fernwanderweg der Alpen, die Alpenüberquerung E5 vom bayerischen Oberstdorf nach Meran in Südtirol, führt durch den Ort.

Von Vent geht es stetig und steil bergauf. Am Morgen ist kaum jemand unterwegs. Nur einmal gibt es eine Begegnung; vier junge Frauen mit Zöpfen und kompakten Rucksäcken. Es bleibt einsam – bis zum Weißkarsee. Hier sind plötzlich viele Leute, und die meisten trotz der Höhe nicht alpin gekleidet, manche mit Turnschuhen! Eine Frau erklärt, wie sie hier hergekommen ist: „Na, mit dem Bus.“ Mit dem Bus? Der See liegt hoch in den Bergen, auf 2656 Metern. Sie zuckt mit den Schultern und sagt: „Die Linie 70 fährt praktischerweise hoch zum Tiefenbachferner.“

Ferner – so heißen im Ötztal die Gletscher. Und der erwähnte ist gar nicht so fern, man geht vom Weißkarsee ungefähr zwei Stunden, aber fast auf einer Höhenlinie. Stellenweise kommt man sich auf dem Urweg hier oben vor wie auf einer Ameisenstraße, zumindest dann, wenn man in einen Pulk von Bus-Gletscher-Fans gerät. Glücklicherweise gibt es noch eine abgelegenere Weg-Variante. Dort wird es schnell wieder ruhiger.

Angekommen am Tiefenbachferner, beherrscht nicht etwa alpine Stille die Szenerie, sondern ungeschminkter Tourismus: Man sieht viele Snowfarming-Flächen, wo größere Schneereste vom letzten Winter mit riesigen weißen Planen abgedeckt sind, um sie für den nächsten Winter zu bewahren; dazu ein gigantischer Parkplatz und die Bushaltestelle der Linie 70. Der Gletscher gehört zum Skigelände von Sölden, einem der bekanntesten Wintersportorte Tirols mit etwa zwei Millionen Übernachtungsgästen allein in der Schneesaison.

„Genau das macht die siebte Etappe so interessant“, hatte Wanderführer Niki Leiter gesagt. Sie starte in Vent, einem authentischen Bergsteigerdorf, umgeben von mehreren monumentalen Dreitausendern, das sich dem sanften Tourismus verschrieben habe, ohne Skizirkus. „Und oben, am Ferner, zeigt sich das andere Ötztal rund um Sölden.“ Da hat er recht, ein Kontrastprogramm bietet das Ötztal auf jeden Fall.

Aber zum Glück ist jetzt Frühsommer, von den winterlichen Menschenmassen ist nichts zu sehen. Und auch der Bus fährt nur einige Male am Tag. Es braucht deshalb nur ein wenig Geduld und ein paar Meter, um den Tiefenbachferner hinter sich zu lassen.

Wer gut zu Fuß ist, wandert bergab zu den Gaislachalmen, genießt die Stille, die Bergluft und die Vorfreude auf ein paar entspannende Momente im Hotel-Spa am Abend. Man kann sich natürlich auch schneller in die Komfortzone zurückbegeben und einfach den Linienbus ins Tal nehmen.

Am Ende des Tages sitzen jedenfalls alle, die Busfahrenden wie die Ganztagswanderer, wieder unten im Tal beim Abendessen bei Tiroler Spezialitäten. Frisch geduscht und entspannt – weil der Urweg eben ein Fernwanderweg mit Komfort ist.

Tipps und Informationen:

Wie kommt man hin? Es gibt mehrmals täglich schnelle Umsteigeverbindungen von München nach Ötztal-Bahnhof, dem Startpunkt des Urwegs, mit Umstieg in Kufstein oder Innsbruck (bahn.de). Mit dem Auto geht es über die mautpflichtige Inntalautobahn ins Ötztal. Linienbusse vom Verkehrsverbund Tirol fahren häufig und verbinden einzelne Etappen des Urwegs (vvt.at). Nächstgelegener Flughafen ist Innsbruck.

Ötztaler Urweg: Die tiefer gelegenen Etappen bis nach Sölden können in der Regel ab Juni gut bewandert werden, die höheren nur im Juli und August. Nötig sind gute Wanderschuhe, Sonnen- und Regenschutz sowie ein Tagestouren-Rucksack. Für Etappe 5 ist derzeit wegen eines Murenabgangs eine lokale Umleitung eingerichtet. Buchbar sind verschiedene Pakete mit Gepäcktransport, Transfers und Übernachtungen, zum Beispiel vier Tage, drei Übernachtungen, zwei Etappen ab 347 Euro oder der ganze Trail (14 Tage, 13 Übernachtungen, zwölf Etappen) ab 1594 Euro (bookyourtrail.com/trail/oetztaler-urweg/packages).

Weitere Infos: oetztal.com, tirol.at, austria.info

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Ötztal Tourismus. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

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