Im Gazastreifen hat eine von Israel unterstützte Organisation Lebensmittel und Hilfsgüter verteilt – mit Hintergedanken. Bei den Menschen vor Ort überwiegt Freude.

Die Verteilung von Hilfsgütern im umkämpften Gazastreifen durch eine neue Stiftung soll trotz anfänglicher Tumulte weitergehen. Das teilte die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) nach Berichten über die Stürmung eines neuen Verteilungszentrums im Süden des Küstenstreifens und Plünderungen mit – dabei soll es laut palästinensischen Angaben mehrere Tote und Dutzende Verletzte gegeben haben. Lastwagen mit weiteren Hilfsgütern sollen der Stiftung zufolge heute in den Gazastreifen einfahren, die Liefermengen täglich größer werden. 

Nach der Eröffnung des von unzähligen hungrigen Menschen belagerten GHF-Zentrums im Süden des dicht besiedelten Gebiets – insgesamt sind vier Zentren geplant – war es laut israelischen Medienberichten und Augenzeugen zu chaotischen Szenen gekommen. Die israelische Armee teilte mit, Soldaten hätten außerhalb des Zentrums Warnschüsse abgegeben. Die Situation sei wieder unter Kontrolle gebracht worden. Es sei nicht aus der Luft geschossen worden. Die israelische Armee hat den Vorwurf zurückgewiesen, sie habe das Feuer auf palästinensische Zivilisten eröffnet. Die Schüsse seien "in keinem Fall gegen die Menschen" gerichtet gewesen.

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Israelische Medien hatten zunächst berichtet, US-Wachleute hätten Warnschüsse abgegeben, Menschen seien in Panik ausgebrochen. Später berichteten palästinensische Rettungskräfte, drei Menschen seien durch Schüsse der israelischen Armee getötet und Dutzende weitere verletzt worden. 

Gaza Humanitarian Foundation (GHF) verteilt Hilfsgüter

Die Stiftung teilte dazu mit, angesichts des großen Andrangs am Verteilungszentrum in Rafah habe das GHF-Team sich punktuell zurückgezogen, "um es einer kleinen Anzahl von Gaza-Einwohnern zu erlauben, Hilfsgüter auf sichere Weise zu nehmen und sich wieder zu zerstreuen". Das Team habe sich dabei an das Sicherheitsprotokoll gehalten, um Opfer zu verhindern. Die normale Arbeit sei danach wieder aufgenommen worden.

So begehen Menschen in Gaza den Ramadan

Tafeln inmitten von Trümmern Auch in Gaza begeht man den Fastenmonat: In Rafah versammeln sich die Menschen zum traditionellen Fastenbrechen an einer langen Tafel in einer vollkommen zerstörten Straße. Während des Krieges flohen Hunderttausende aus dem Norden in diese Region © Ali Jadallah / Anadolu / Getty Images
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Angesichts einer monatelangen Blockade von Hilfsgütern durch Israel, die zuletzt etwas gelockert worden war, hat sich die verzweifelte Lage vieler Menschen in dem umkämpften Küstenstreifen nochmals verschlimmert. In dem von rund zwei Millionen Palästinensern besiedelten Gebiet, das zu weiten Teilen zerstört ist, fehlt es an Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Medikamenten und nahezu allen Dingen des täglichen Bedarfs.

8000 Pakete mit 462.000 Mahlzeiten

Die GHF soll nach dem Willen der israelischen Regierung künftig für die Verteilung der Hilfsgüter zuständig sein. Bisher seien rund 8000 Lebensmittelpakete verteilt worden, teilte die Stiftung am Dienstag mit. Jedes Paket könne etwa fünf bis sechs Menschen für dreieinhalb Tage ernähren. Insgesamt seien es 462.000 Mahlzeiten. Allerdings sei es wegen Behinderungen durch die islamistische Hamas zu mehreren Stunden Verzögerung bei der Auslieferung gekommen.

Nach Blockade von Hilfsgütern Palästinenser stürmen Lebensmittel-Verteilzentrum in Gaza

Das Hamas-Medienbüro teilte nach dem Vorfall mit, der von Israel initiierte Mechanismus zur Verteilung von Hilfsgütern sei ein "totaler Misserfolg". Das von der Terrororganisation kontrollierte Innenministerium hatte die Einwohner des Gazastreifens zuvor dazu aufgerufen, den neuen Verteilmechanismus zu boykottieren. 

Israel will Hamas ausbooten

Mit der von den USA unterstützten Verteilstrategie will die israelische Regierung nach eigenen Angaben verhindern, dass die Hamas Lieferungen für ihre eigenen Zwecke abzweigt und weiterverkauft, um damit dann Kämpfer und Waffen zu bezahlen. UN-Vertreter sagen, Israel habe keine Beweise dafür vorgelegt.

Die vier GHF-Verteilungszentren im Süden und im Zentrum des Gazastreifens sollen von US-Sicherheitsfirmen betrieben werden. Israel will so Hilfsorganisationen der UN und anderer internationaler Helfer umgehen.

Netanjahu spricht von "momentanem Kontrollverlust"

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am Dienstagabend von einem "momentanen Kontrollverlust" bei der Verteilung der Hilfsgüter. "Wir haben es wieder unter Kontrolle gebracht", sagte er bei einer Ansprache. Man werde weitere Zentren eröffnen.

Verzögerung bei Hilfslieferungen: EU prüft Partnerschaftsabkommen mit Israel © IMAGO/dts Nachrichtenagentur / n-tv
Verzögerungen bei Hilfslieferung: EU prüft Partnerschaftsabkommen mit Israel © n-tv.de

"Die Idee ist grundsätzlich, der Hamas die Plünderungen humanitärer Hilfsgüter als ein Kriegsinstrument wegzunehmen und sie der Bevölkerung zu geben", so Netanjahu. Ziel sei es, "eine sterile Zone im Süden Gazas zu haben, in der die gesamte Bevölkerung sich zu ihrem eigenen Schutz bewegen kann". 

Palästinenser fürchten Vertreibung

Viele Palästinenser befürchten eine neue Welle der Flucht und Vertreibung aus dem Gazastreifen, ähnlich wie während des Kriegs im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948 und während des Sechstagekriegs 1967. An Israels Vorgehen in dem Küstengebiet, wo täglich Dutzende Tote infolge israelischer Angriffe gemeldet werden, gibt es international massive Kritik. 

Die US-Regierung begrüßte die neu angelaufene Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen – und ging zugleich auf Abstand zur dahinter stehenden Stiftung. Man spreche nicht für die GHF, betonte die Sprecherin des Außenministeriums, Tammy Bruce. Kritik vonseiten der Vereinten Nationen und internationaler Hilfsorganisationen, die Stiftung sei nicht unabhängig und agiere im Interesse Israels, nannte Bruce "bedauerlich". Es sei "die Höhe der Heuchelei", sich darüber zu beklagen, wer die Hilfe bringe oder wie sie organisiert sei.

GHF-Vorsitzender Jake Woods tritt zurück

Kurz vor dem Anlaufen der Hilfe war der GHF-Vorsitzende Jake Woods – ein US-Militärveteran – zurückgetreten. Berichten zufolge hielt er es nicht für möglich, den unter seiner Führung entwickelten Plan umzusetzen und gleichzeitig "die humanitären Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit" zu wahren.

Die Notlage in dem Küstengebiet hat sich im Zuge des Gaza-Kriegs seit Oktober 2023 nochmals drastisch verschärft. Ausgelöst wurde der Krieg durch das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels: Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen töten bei einem Überfall auf den Süden des jüdischen Staates rund 1200 Menschen und verschleppten mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen. Im Krieg wurden dann nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 54.000 Palästinenser in Gaza getötet. Die unabhängig kaum zu überprüfende Zahl fasst Kämpfer und Zivilisten zusammen.

Geisel-Angehörige begehen 600. Tag seit Entführung

Die Angehörigen der noch immer in Gaza festgehaltenen israelischen Geiseln erinnern an diesem Mittwoch daran, dass sich ihre Liebsten schon seit 600 Tagen in der Gewalt der Hamas befinden. Nach israelischen Angaben befinden sich derzeit noch mindestens 20 lebende Geiseln im Gazastreifen. Bei drei weiteren Entführten ist unklar, ob sie noch am Leben sind. Zudem befinden sich die sterblichen Überreste von 35 Verschleppten in dem abgeriegelten Gebiet mit unzähligen unterirdischen Tunnelanlagen.

DPA tkr
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