Überraschungstreffen in Berlin – die Lage am Morgen
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
die deutschen Kanzler machten es Selenskyj bisher nicht sonderlich leicht: Angela Merkel nahm den Ukrainer wenig ernst und bastelte lieber an den Pipelinebeziehungen zum Kreml. Olaf Scholz war, nun ja, eben der Scholzomat, der dem Ukrainer zuletzt keine Taurus-Raketen geben wollte. Mit Friedrich Merz könnte es Selenskyj einfacher haben.
Selenskyjs Nummer Eins
Bei seinem Besuch am 10. Mai in Kiew war Merz noch optimistisch. Doch damals war das Desaster der Russland-Gespräche und dem Rückzug der Amerikaner aus den Verhandlungen nicht absehbar.
Wenn Selenskyj heute nach Berlin kommt, wie es mehrere Medien berichten, dann ist die Ausgangslage eine ganz andere. Offiziell bestätigt ist sein Besuch in der Bundeshauptstadt nicht, aus Sicherheitsgründen, aber es gilt als wahrscheinlich. Inhaltlich dürfte es bei dem Treffen darum gehen, wie man die "technischen" Gespräche mit Russland wieder aufleben lassen könnte. Merz ist zwar wenig optimistisch, dass man am Verhandlungstisch noch etwas reißen kann – Kriege gingen in der Regel durch wirtschaftliche oder militärische Erschöpfung einer der beiden Seiten oder beider Seiten zu Ende, sagte er am Dienstag bei seinem Finnland-Besuch. Im Fall der Ukraine könnte das noch lange dauern, prognostizierte der Kanzler.
Ein Treffen mit ihm ist aber sicherlich nicht verkehrt: Der deutsche Kanzler hat sich seit Amtsantritt zu einem der wichtigsten Kontaktmänner Selenskyjs entwickelt. Obendrein wird Außenminister Johann Wadephul heute seinen US-Kollegen treffen, um sich für einen Schulterschluss mit den USA im Umgang mit Kremlchef Wladimir Putin einsetzen. Wer weiß: Vielleicht sieht die Welt am Ende des Tages wieder ganz anders aus.

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Treffen in Berlin Was Wolodymyr Selenskyj mit Friedrich Merz zu besprechen hat
Ist RWE Schuld am Klimawandel?
Diese Frage beantwortet heute das Oberlandesgericht in Hamm. Sie erinnern sich bestimmt noch an den Peruaner, der den Energiekonzern aus Deutschland verklagt hat. Zehn Jahre ist das jetzt schon her – wenn man bedenkt, welcher Schaden seitdem durch den Klimawandel entstanden ist ...
Aber zurück nach Peru: Der Kläger ist Landwirt und Bergführer. Seinen Hof betreibt er in der Nähe des Gletschersees Palcacocha. Er befürchtet, dass der Andensee durch die Erderwärmung überlaufen oder ein Felsabsturz ausgelöst werden könnte und hat deshalb teure Schutzmaßnahmen ergriffen. Das findet der Mann nicht fair, weil andere deutlich mehr zum Klimawandel beitragen – zum Beispiel Energiekonzerne wie RWE, dessen Kraftwerkparks Unmengen Emissionen ausstoßen.
Nun muss man der Firma aber erst einmal nachweisen, dass sie für die Schäden in Peru verantwortlich ist. Dafür haben zwei Sachverständige ein Gutachten präsentiert. Die Wahrscheinlichkeit für eine Umweltkatastrophe, wie sie der Bergbauer fürchtet, liegt demnach bei einem Prozent. RWE könnte also nochmal davonkommen. So oder so wird das Gerichtsurteil ein historischer Präzedenzfall.

Wichtigste Klimaklage Ein Bauer aus Peru zieht RWE vor Gericht – und könnte die Welt verändern
Frankreich arbeitet Sexualverbrechen auf
Erst der Fall Pelicot, dann Gérard Depardieu und jetzt ein Chirurg: Frankreich hat offenbar ein großes Problem mit sexueller Gewalt. Die Grenzen zwischen lasziven Avancen und sexuellem Übergriff haben manche Männer offenbar bewusst ausgereizt (Depardieu) und andere offenbar als Freifahrtschein für alles interpretiert (Pélicot). Dass die Fälle nun nach und nach aufgearbeitet werden, ist natürlich gut. Sie sind ein trauriges Zeugnis der Realität.
Heute erwarten wir das nächste Urteil: Es geht um einen 74-jährigen Chirurgen, der knapp 300 Kinder missbraucht haben soll. Zwischen den Geschlechtern unterschied er wohl nicht. Seine Schandtaten hielt er schriftlich in Tagebüchern fest. Der Mann war bereits wegen anderer Missbrauchsfälle zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Jetzt könnten noch einmal 20 obendrauf kommen.

299 Kinder missbraucht Opferanwältin: "Ich halte ihn für den größten Pädophilen des Jahrhunderts"
Wie man am besten mit Trump telefoniert
... weiß offenbar unser Kanzler Friedrich Merz. Der hatte nämlich seit seinem Amtsantritt Anfang Mai schon mehrfach das Vergnügen. "Man muss sich auf ihn einstellen und auf ihn einlassen", erklärte er nun auf der digitalen Fachkonferenz Republica in Berlin. Indirekt sprach Merz dabei auch die Eitelkeiten des US-Präsidenten an. Man müsse ihn am Telefon reden lassen – auch auf die Gefahr hin, dass sich das Gespräch dann nur um Trump selbst dreht. Sein Faible für sich muss der eitle Mann aus dem Weißen Haus offenbar überall kundtun. Warum ernsthafte politische Gespräche mit ihm trotzdem möglich sind, erfahren Sie hier:

Merz über Telefonat mit Trump "Wichtig ist, dass man kurz redet und ihn auch reden lässt"
Was heute noch passiert
- Der Koalitionsausschuss von Union und SPD trifft sich. Diskutiert wird darüber, welche Entscheidungen die neue Groko noch vor der Sommerpause fällen soll. Die Pläne können Sie hier nachlesen.
- Außenminister Johann Wadephul reist zu seinem Antrittsbesuch in die USA. Die Reise dürfte auch als Vorbereitung für eine USA-Reise von Kanzler Friedrich Merz sein. Inhaltlich sieht Wadephuls Agenda in etwa so aus: künftige Unterstützung für die Ukraine und mögliche Verhandlungen über einen Waffenstillstand, Verteidigungsfinanzierung und Nato-Beiträge, Israel und die Lage im Gazastreifen sowie die Ankündigung hoher Handelszölle gegen die EU durch US-Präsident Donald Trump.
- Ein Mann soll im Juli 2021 in einem Stadtpark in Hannover bis zu achtmal auf einen Obdachlosen eingestochen haben, der auf einer Bank saß. Das Opfer verblutete, der mutmaßliche Täter steht vor Gericht. Heute könnte das Urteil fallen.
- Zum ersten Mal hält Namibia einen Genozid-Gedenktag ab. Dabei geht es um die Opfer des deutschen Völkermords an den Herero und Nama. Die Kolonialmacht hatte Menschen dieser Gruppen in ein Konzentrationslager gesperrt, das 1907 nach internationaler Kritik aufgelöst wurde. Der 28. Mai ist jetzt übrigens Nationalfeiertag in Namibia.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Mittwoch. Morgen dürfen Sie hoffentlich einen freien Tag genießen. Wir lesen uns Freitag wieder. Bis dahin!
Christine Leitner
(Nachrichtenredakteurin)
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