„Die AfD wird immer versuchen, sich zum Märtyrer zu machen“
Die Partner in der schwarz-roten Koalition liegen weiter bei der Frage über Kreuz, ob ein Verbot der AfD aktiv betrieben werden soll. Die Mehrheit in der Union und der Kanzler sind dagegen, in der SPD werden die Stimmen, die dafür sind, immer lauter. Nun stimmt auch Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, in den Chor ein. Im Interview mit Gordon Repinski, Executive Editor von Politico Deutschland, plädiert sie dafür. In dem Gespräch, das im Rahmen des Podcasts „Berlin Playbook“ geführt wurde, erhebt sie zudem wirtschaftspolitische Forderungen an die Regierung in Berlin.
Gordon Repinski: Frau Schwesig, soll die AfD verboten werden?
Manuela Schwesig: Wenn die rechtlichen Voraussetzungen ausreichen, dann gibt es aus meiner Sicht eine Pflicht aus dem Grundgesetz. Aber ob das ausreicht, das muss erst noch geprüft werden.
Repinski: Aber Sie sind ziemlich offen, wenn ich das so wahrnehme. Ihr Parteichef Lars Klingbeil ist es ja.
Schwesig: Ich finde, es darf nicht der Eindruck entstehen, dass man einfach politisch entscheidet nach dem Motto, „die AfD gefällt uns nicht und dann wird sie verboten“. Sondern das Grundgesetz macht zwei Vorgaben. Erstens, es gibt hohe Hürden für ein Verbot von Parteien. Aber wenn eine Partei sich gegen unsere Demokratie, gegen unsere verfassungsrechtliche Ordnung verhält, dann muss man diesen Weg gehen. Und allein die Einstufung des Bundesverfassungsschutzes ist noch nicht ausreichend. Sondern man muss prüfen, reicht das rechtlich für ein Verbotsverfahren? Das ist mir wichtig deutlich zu machen. Es ist nicht allein eine politische Entscheidung, sondern vor allem eine verfassungsrechtliche.
Repinski: Aber wer gesichert rechtsextrem ist, der ist doch gegen das demokratische System.
Schwesig: Das reicht noch nicht aus für ein AfD-Verbot. Das sind mehrere Schritte. Wir kennen uns ziemlich gut damit aus, weil wir auch viel zugeliefert haben für ein NPD-Verbotsverfahren. Und erstens muss jetzt die Einstufung vom Verfassungsschutz vor dem Bundesverfassungsgericht geprüft werden. Und dann wird man sehen, ob die Einstufung standhält. Und die Einstufung ist noch keine automatische Voraussetzung für ein Verbotsverfahren, sondern die Innenminister von Bund und Ländern müssen jetzt prüfen: Die Fakten, die vorliegen, würden die schon ausreichen? Und diese Prüfung läuft noch.
Repinski: Machen Sie sich eigentlich Sorgen, dass die AfD sich gerade bei Ihnen zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern zum Märtyrer machen würde und womöglich sogar politisch profitieren?
Schwesig: Egal, wie rum man das entscheidet, die AfD wird immer versuchen, sich zum Märtyrer zu machen. Und deswegen gilt neben dieser rechtlichen Frage, ob es ausreicht, ein Verbotsverfahren anzustreben, ja oder nein, auch der politische Kampf gegen die AfD. Und den müssen wir weiterführen. Wir haben schon einmal bei einer Landtagswahl 2021 bewiesen, dass man die AfD auch wieder kleiner machen kann. Wir hatten gerade Landratswahlen, da haben sich die Menschen für die Amtsinhaber der demokratischen Parteien entschieden und nicht mehrheitlich für die AfD. Das stimmt mich positiv. Und wichtig ist, dass wir mehr tun für unsere Wirtschaft, für den sozialen Zusammenhalt. Wir müssen auch die AfD thematisch stellen. Die AfD ist eine Partei gegen Mindestlohn, gegen stabile Renten und übrigens für Trumps Zollpolitik, die unsere Wirtschaft kaputt macht.
Repinski: Kommen wir genau zu diesen Wirtschaftsthemen. Die werden ja auch heute im Koalitionsausschuss behandelt. Da gibt es so Themen wie Gastro-, Mehrwertsteuerabschreibung. Die treffen auch Sie finanziell in den Ländern. Wollen Sie dafür Entschädigung?
Schwesig: Ich bin ganz klar dafür, dass das Versprechen, dass die Gastrosteuer gesenkt wird, jetzt eingelöst wird. Das Versprechen wurde schon in der Ampel gegeben. Und ich finde, wenn man ein Versprechen abgibt, muss man es auch halten. Das ist wichtig für eine große Tourismusbranche in Mecklenburg-Vorpommern. Und deswegen werden wir diese Absenkung natürlich auch finanziell mittragen.
Repinski: Nächste Woche sprechen Sie das erste Mal mit Friedrich Merz in der Ministerpräsidentenkonferenz. Was ist Ihre Botschaft?
Schwesig: Für mich ist das Wichtigste, dass die Wirtschaft jetzt gestärkt wird. Wir brauchen Wirtschaftswachstum.
Repinski: Durch Energiepreissenkung?
Schwesig: Durch Energiepreissenkung, durch Investitionen in die Wirtschaft und Planungssicherheit.
Repinski: Frau Schwesig, ich danke Ihnen für diese disziplinierte Punktlandung.
Schwesig: Gerne. Einen schönen Tag noch.
Gordon Repinski ist Executive Editor POLITICO Deutschland.
Dieser Text wurde zuerst bei der WELT-Partnerpublikation „Politico“ veröffentlicht. Das „Berlin Playbook“ finden Sie hier.
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