Alle Bullen sind Schweine? Schon wieder sorgt Jette Nietzard, Chefin des Jugendverbands der Grünen, für Empörung – auch in den eigenen Reihen. Kann es so weitergehen?

So haben sich die Grünen das nicht vorgestellt. Gerade überlegen sie noch, was die besten Angriffspunkte sind, um aus der Opposition heraus die neue Regierung von Union und SPD treiben zu können, da dreht sich die öffentliche Debatte darum, ob nicht eigentlich bei den Grünen etwas schiefläuft. 

Grund dafür wieder einmal: Jette Nietzard, 26 Jahre alt, Chefin der Grünen Jugend – und die Frage danach, wie viel grüne Position das eigentlich ist, was die Sprecherin der Nachwuchsorganisation von sehr weit links in ihren fast immer provokanten Aussagen und Aktionen verbreitet.

Der aktuelle Anlass: ein Pulli, den Nietzard auf dem Weg in den Bundestag trug. Sie lud ein Foto davon auf Instagram hoch – darauf das Kürzel "ACAB". Das steht für "All Cops Are Bastards" und lässt sich sinngemäß übersetzen mit "Alle Polizisten sind Schweine". Die Aussage wird häufig im linken bis linksextremen Milieu verwendet. 

Jette Nietzard steht bei den Grünen allein da

Laut dem Bundesverfassungsgericht ist die "Kundgabe der Buchstabenkombination 'ACAB' im öffentlichen Raum" zwar von der Meinungsfreiheit gedeckt und "nicht ohne Weiteres strafbar", doch fürchten führende Grüne offenbar einen großen Schaden, wenn eine solche Position mit ihrer Partei verbunden wird. 

Jedenfalls beeilten sie sich, die Aktion zu verurteilen und sich zu distanzieren. Der ehemalige Parteivorsitzende Omid Nouripour, inzwischen Bundestagsvizepräsident, stellte gegenüber der "Bild"-Zeitung klar, alle müssten sich an die Regeln des Bundestags halten. Eine "pauschale Beleidigung" der Polizei sei sicher kein Teil der Regeln, sondern "einfach nur empörend". 

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Die Co-Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, repostete einen Tweet des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Konstantin von Notz. Der hatte geschrieben, die Parole sei ein "völlig unterirdischer, inakzeptabler und beleidigender Take für alle Polizistinnen und Polizisten, die sich – oft mäßig vergütet – jeden Tag für unseren Rechtsstaat, unsere Sicherheit und unsere Freiheit einsetzen". 

Der andere der beiden Chefs, Felix Banaszak, sieht sich gegenüber RTL/ntv gezwungen, darauf hinzuweisen, dass das "keine Kurs- oder Flügelfrage bei den Grünen" sei. Der Tenor also: Mit uns Grünen hat das nichts zu tun! 

Die Verurteilungen sind zu einem hilflosen Ritual geworden

Nur was folgt daraus? Die öffentlichen Verurteilungen der Grünen von etwas, was Nietzard sagt oder tut, sind inzwischen zu einem Ritual geworden. Zu einem Ritual, das etwas durchaus Hilfloses hat: Nietzard äußert eine Provokation, die öffentlich für Aufregung sorgt, die Grünen versuchen, die Äußerung wieder einzufangen und beteuern, dass das nichts mit den Grünen zu tun habe – woraufhin meist nur einige Zeit später die nächste Provokation folgt. 

Jette Nietzard Keine Frau für Kompromisse

Nein, mit ihrer grünen Kaderschmiede hatten die Grünen in der letzten Zeit kein Glück. Zuvor waren da Katharina Stolla und Svenja Appuhn, die am Ende eines sich verschärfenden Prozesses der Entfremdung schließlich mit großem Knall aus der Partei austraten und ankündigten, einen linken Jugendverband gründen zu wollen.

Nicht wenige in den grünen Reihen wünschen sich, dass sich Nietzard endlich zurücknehmen möge – manche auch, dass gleich jemand anderes an ihrer Stelle an der Spitze der Grünen Jugend stünde. Noch mal einer wie ihr Co-Sprecher Jakob Blasel, ein bekannter Klimaaktivist, der bei vielen in der grünen Fraktion eine andere Rückendeckung hat, von dem öffentlich aber nur wenig zu hören ist. Die Aufmerksamkeit zieht immer Nietzard auf sich.

"Wer das nicht kapiert hat, ist bei uns falsch"

Kann es so weitergehen? Auf die Frage danach, ob Nietzard so noch Vorsitzende der Grünen Jugend bleiben könne, antwortet Parteichef Banaszak, das sei "eine Frage, die die Grüne Jugend für sich miteinander" diskutiere. Erst im vergangenen November wurde Nietzard auf einer Versammlung der Grünen Jugend an die Spitze gewählt, mit einem guten Ergebnis von über 84 Prozent. 

Er selbst habe sie mit Bezug auf ihre Provokationen "immer wieder gebeten, ihre Rolle da zu sehen". Banaszak, der selbst einmal an der Spitze der Grünen Jugend stand, sagte, er würde sich daraus auch "ein paar Konsequenzen für die Zukunft wünschen". 

Der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der seine Partei in den baden-württembergischen Landtagswahlkampf führt, wird deutlicher: Die Polizei verteidige "in höchstem persönlichen Einsatz jeden Tag die Werte, die uns als Partei ausmachen", schrieb Özdemir auf "X". "Wer das nicht kapiert hat, ist bei uns falsch." 

Doch dass sich Nietzard davon beeindrucken lässt, davon ist nicht auszugehen. Zwar bedauerte die junge Grüne ihren Instagram-Post. "Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen", sagte sie im stern-Podcast "5-Minuten-Talk". Sie besitze "diesen Pulli als Privatperson", aber ihr hätte klar sein müssen, so Nietzard, dass sie als Sprecherin der Grünen Jugend damit auffalle. Für Irene Mihalic reicht das nicht aus. Sie erwarte "eine aufrichtige Entschuldigung ohne Umschweife und Relativierung", so sagte es die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin, die selbst Polizistin ist, dem "Spiegel". 

An ihrer harten Polizei-Kritik hält Nietzard fest. "Ich hasse natürlich nicht die Polizei als Ganzes, aber was ich hasse, ist das System dahinter und wie es gerade aufgebaut ist." Es gebe keine vernünftigen Polizeistudien, keine strukturelle Aufarbeitung von Gewalt und rassistische Tendenzen, die von der Polizei nicht transparent genug gemacht würden. 

Nietzard, die sich selbst auch mal als "linksradikal" bezeichnet, handelt aus Überzeugung, so viel steht fest. Manchmal hält sie die öffentliche Aufregung, die sie erzeugt, zwar für übertrieben. Aber, das wird auch immer wieder klar: Die Aufmerksamkeitsmaschinerie anzuwerfen, das ist ihre Strategie. Die Grünen dürften weiter Grund zum Verzweifeln haben.

  • Jette Nietzard
  • Bündnis 90/Die Grünen
  • Jugend
  • Polizei
  • Felix Banaszak
  • Franziska Brantner
  • Bündnis 90/Grüne

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke