Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat mit seinen Beliebtheitswerten zu kämpfen. Doch nun bekommt der deutsche Politiker ungewöhnliche Unterstützung – und zwar ausgerechnet von einer linksliberalen US-Tageszeitung, der „New York Times“ (NYT): „Wir hoffen auf den Erfolg von Deutschlands neuem Kanzler, Friedrich Merz“, heißt es in dem Leitartikel „Why We‘re Rooting for Germany‘s Conservative Chancellor“ wörtlich.

Viele Leser reagierten zunächst überrascht. Doch die Sympathien der Autoren kommen nicht von ungefähr. Sie sind auch kein Ausdruck von neuer, ideologischer Nähe. Es handelt sich vielmehr um ein strategisches Bekenntnis für Merz aus Angst vor dem Erstarken politisch radikaler Kräfte in Deutschland, sprich: der AfD. Und Schuld daran, so die Autoren sinngemäß, habe die politische Ignoranz von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (ebenfalls CDU) und ihre Migrationspolitik.

„Die Alternative für Deutschland, eine rechtsextreme politische Partei, gehört zu den extremsten großen Parteien der Welt“, erklären die Autoren ihren Lesern weiter. Die Partei bediene sich offen rechtsextremer Rhetorik, verbreite antisemitische und antimuslimische Narrative, pflege Kontakte zu Russland und sei so extrem, dass sogar die französische Politikerin Marine Le Pen – selbst Symbolfigur der europäischen Rechten – sich von ihr abgewandt habe. Gleichzeitig treibt die Autoren um, dass die AfD „alarmierend beliebt“ sei, insbesondere bei jüngeren Wählern.

Als Ursache für diese Ausgangslage nennt das Editorial Board – eine Gruppe von nicht namentlich genannten „NYT“-Journalisten – die verfehlte Migrationspolitik unter Merkel und ihrem berühmt gewordenen Satz „Wir schaffen das“. „Einwanderung ist ein unglaublich komplexes Thema, und die Verteufelung von Migranten durch die AfD, wie auch durch Präsident Trump, ist abscheulich. Aber Politiker können auch in die entgegengesetzte Richtung zu weit gehen – hin zu offenen Grenzen – und Frau Merkel tat das, so nobel ihre Absichten auch gewesen sein mögen. Das Tempo der jüngsten Migration nach Deutschland war so hoch, dass eine Gegenreaktion unvermeidlich war“.

Die Folgen dieser Politik seien dramatisch. Als Merkel „diese Aussage 2015 machte, lag der Anteil der Bevölkerung in Deutschland, der im Ausland geboren wurde, bei etwa 13 Prozent. Heute liegt er bei über 20 Prozent.“ Zahlreiche Politiker hätten die Bedürfnisse der Wähler ignoriert „und eine beispiellose Zuwanderung zugelassen“, was die Sozialsysteme überfordere. In den vergangenen 15 Jahren habe es deshalb „durchgehend den Wunsch nach strengeren Regelungen zur Migration“ gegeben – und dennoch hätten die politischen Parteien das nicht angeboten.

Das Risiko der Koalition mit der SPD

Der AfD sei es gelungen, dieses Versagen der etablierten Parteien für sich zu nutzen: „Die AfD füllte das politische Vakuum – und wurde dafür belohnt“, heißt es in der Analyse. Und zwar damit, dass die AfD bei den Bundestagswahlen als zweitstärkste Partei hervorging. Darum stehe der deutsche Kanzler nun vor einer historisch schwierigen Aufgabe. Merz scheint das verstanden zu haben, schreiben die Autoren und zitieren ihn selbst: In den nächsten vier Jahren müsse Deutschland zwei große Probleme lösen: Migration und Wirtschaft. Andernfalls „rutschen wir endgültig in den Rechtspopulismus ab“, sagte der Kanzler beim WELT-TV-Duell kurz vor der Wahl.

Allerdings, so warnen die „New York Times“-Autoren, berge die Regierungsbildung mit der SPD ein großes Risiko. „Die Breite der Koalition hat das Potenzial, ihr Untergang zu sein. Wenn sie sich nicht auf politische Maßnahmen einigen kann und in Dysfunktion abrutscht, wird das den Wählern mehr Gründe liefern, die etablierten Parteien zugunsten der AfD abzulehnen“, argumentieren die Autoren und spielen auf die wirtschaftlichen Herausforderungen an, vor der die neue Regierung steht. „Das Kernproblem ist ein Mangel an Innovation“, heißt es in der „NYT“-Diagnose. Deutschland verliere an wirtschaftlicher Dynamik und leide unter Innovationsstau, bürokratischen Hürden und einer veränderungsresistenten Unternehmenskultur. Merz‘ Bereitschaft, Investitionen durch höhere Staatsverschuldung zu ermöglichen, wird von den Autoren jedoch als Zeichen von Pragmatismus gewertet.

Für die Autoren hat die Regierung unter Merz nun „eine entscheidende Gelegenheit: der Welt zu zeigen, wie Mitte-Rechts und Mitte-Links sich auf ihre gemeinsamen Werte konzentrieren können – vor allem auf die Unterstützung der liberalen Demokratie – und zusammenarbeiten können, um ein Bollwerk gegen Extremismus zu sein“.

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