Der scheidende FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat seine Abschiedsrede für eine Liebeserklärung an seine Frau Franca Lehfeldt genutzt. „Wenn ich euphorisch war, dann hast Du mich gebremst. Und wenn ich deprimiert war, das kam häufiger vor, hast Du mich aufgebaut“, sagte er auf dem Bundesparteitag in Berlin. „Du musstest das Leben eines Politikers mitführen, obwohl Du mich geheiratet hast und nicht die FDP. Das bedeutet mir alles und das werde ich nie vergessen.“

Er sagte zuvor, er sei „mit so was ja eigentlich öffentlich sehr sparsam“, aber heute wolle er einmal auch seinen Freunden, seiner Familie und seiner Frau danken, die zu Hause mit der gemeinsamen kleinen Tochter auf den Arm zuschaue. Lindner sagte: „Ich habe über Jahrzehnte stets alles für die FDP gegeben und deshalb blieb viel Zeit für die Menschen, die mir etwas bedeuten, nicht übrig. Jedenfalls viel weniger, als ich mir gewünscht hätte. Ich danke Euch für die Nachsicht mit mir.“

Weniger warme Worte fand Lindner jedoch für die neue Bundesregierung und Kanzler Friedrich Merz (CDU). Es sei gut für Deutschland, dass es durch die Bundestagswahl eine Richtungsentscheidung gegeben habe, sagte er beim Bundesparteitag in Berlin. „Paradoxerweise hat die Regierung Merz aber eine andere Richtung eingeschlagen, als die Wählerinnen und Wähler vorgegeben hatten.“

„Die Wählerinnen und Wähler haben mehrheitlich gewählt: weniger Staat und mehr Freiheit. Geliefert wird jetzt: mehr Staat und mehr Schulden.“ Lindner warnte: „Wenn die Regierung Merz diese neue Fiskalpolitik nicht mit Reformen flankiert, dann wird diese Richtungsentscheidung zuerst ökonomisch wie ein Bumerang zurückkommen und danach auch an der Wahlurne 2029.“

Fünf Minuten Applaus

Zum Abschied erhielt der scheidende FDP-Chef begeisterten Beifall, der fast fünf Minuten dauerte, was ihn sichtlich rührte. Der Abschied falle ihm nicht leicht, gestand er. Er zog eine positive Bilanz seiner gut elf Jahre an der Spitze der FDP. „Ich schaue auf eine großartige Reise mit Euch zurück. Und dafür bin ich zutiefst dankbar“, sagte er zu den Delegierten.

Neuer Parteivorsitzender soll der frühere Fraktionschef im Bundestag, Christian Dürr, werden. Er soll am Nachmittag gewählt werden. Einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Es sei jetzt die Verantwortung der FDP, die Reformen zu durchdenken und öffentlich einzufordern, die die Regierung Merz brauche, damit die eigenen neuen Schulden dauerhaft tragfähig seien, betonte Lindner. Der Parteitag möge sich für viele Liberale wie ein Nullpunkt anfühlen. „Er ist nur ein neuer Anfang für diese großartige Freie Demokratische Partei.“

Die FDP hatte bei der Bundestagswahl am 23. Februar nur 4,3 Prozent der Zweitstimmen geholt und ist seitdem nicht mehr im Bundestag vertreten. Dies war auch schon von 2013 bis 2017 der Fall. Damals hatte Lindner die Partei erst zurück in den Bundestag und dann 2021 in die Bundesregierung mit SPD und Grünen geführt, die aber vorzeitig zerbrach.

Lindner sprach sich vehement gegen einen Kurswechsel als Reaktion auf die Wahlniederlage aus. „Manche raten uns, den Standort in der politischen Landschaft zu wechseln. Mein Rat ist das nicht“, sagte er. „Die Zukunft der FDP liegt nicht in einem Schwenk nach links oder rechts. Sie liegt in einer politischen und personellen Erneuerung.“

Auch hier konnte sich Lindner einen Seitenhieb auf die CDU nicht verkneifen: „Mir fallen flotte Wenden bei den politischen Grundüberzeugungen schwer. In der CDU gibt es viele, die dazu mehr Talent haben als wir.“ Lindner plädierte stattdessen dafür, die Partei aus ihren Grundüberzeugungen heraus zu erneuern und das ganze Spektrum liberaler Überzeugungen zu erhalten. „Wir sollten einander aber nicht erklären, was der wahre Liberalismus ist. Die FDP braucht keine Glaubenskongregation“, sagte er. Durch Vielfalt werde die FDP nicht geschwächt.

Eine kritische Analyse der Gründe für das Wahldebakel lieferte Lindner nicht. Er sprach nur allgemein von Fehlern und vom Verlust an Zustimmung und Glaubwürdigkeit in der Ampel-Koalition. „Das werden wir unter einer neuen Parteiführung aufarbeiten, um daraus zu lernen.“ Mit Blick auf die drei Jahre in der Ampel sagte Lindner aber auch: „Wir haben in Regierungsverantwortung getan, was in der Konstellation möglich war. Das war im übrigen gar nicht so wenig.“

Der ebenfalls aus dem Amt scheidende stellvertretende FDP-Chef Johannes Vogel sieht die Liberalen mit dem Ausscheiden aus dem Bundestag in einem Überlebenskampf. Sie seien zum zweiten Mal in ihrer Geschichte nicht wieder in den Bundestag gekommen, sagte er bei der Eröffnung des Parteitags. „Das ist ein existenzbedrohender Einschnitt. Aber diese Partei lebt.“ Sie beginne beim Treffen in Berlin den Neubeginn. Vieles sei heute anders als 2013, sagte Vogel. „Aber etwas gibt uns Kraft und Orientierung. Nämlich, dass wir es als Partei schon einmal bewältigt haben. Das zeigt: Es ist möglich.“

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