„Antisemitische Welle“ in Hessen – Meldestelle dokumentiert deutlichen Anstieg an Vorfällen
Starker Anstieg der antisemitischen Vorfälle in Hessen: Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hat 926 antisemitische Vorfälle im Bundesland registriert – 75 Prozent mehr als 2023. Vermutlich liegt die Dunkelziffer deutlich höher. Das geht aus dem Jahresbericht hervor, den RIAS Hessen am Donnerstag in Gießen vorstellte.
Man habe einen Punkt erreicht, an dem der jüdischen Community „gesellschaftliche Teilhabe nicht mehr uneingeschränkt möglich ist“, sagte die Projektleiterin Susanne Urban.
Die „antisemitische Welle“, die seit dem terroristischen Massaker der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 das jüdische Leben bedränge, „muss endlich gebrochen werden“, sagte Urban. Man könne gar nicht mehr davon sprechen, dass das Problem die „Ränder“ betreffe. „Es ist uns extrem wichtig, dass wir sehen: Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“, sagte Urban.
Direkt betroffen als Einzelpersonen waren nach Urbans Worten 189 jüdische oder israelische Personen. Darunter war ein Vorfall von schwerer Gewalt, berichtete Urban weiter. Eine Person sei so schwer zusammengeschlagen worden, dass sie eine Woche lang im Krankenhaus behandelt werden musste.
Insgesamt wurden 33 Angriffe bekannt, die meisten geschahen laut Urban in Situationen des alltäglichen Lebens. In einem Fall sei eine Person beim Aussteigen aus einer Straßenbahn von einem Unbekannten im Vorbeigehen geschubst und zugleich antisemitisch beschimpft worden. „Warum? Die angegriffene Person trug einen Beutel des Verbandes Jüdischer Studierender in Hessen mit dessen Logo mit sich“, sagte Urban. „Und da ist ein Davidstern drauf zu sehen. Passanten sahen die Szene, niemand half, alle gingen weiter.“
48 Bedrohungen seien gemeldet worden, zum Beispiel während Kundgebungen. Geäußert wurden Urban zufolge unter anderem Vergewaltigungsfantasien. Sachbeschädigungen – insgesamt 32 gemeldete Vorfälle – richteten sich mehrheitlich gegen Gedenkstätten, Beispiel war ein „Free Palestine“-Aufkleber am Marburger Garten des Gedenkens. Oft würden NS-Symbole verwendet.
„Hochschulen sind unsicherer Orte geworden“
In ihrem Jahresbericht hatte die Meldestelle Schulen und Hochschulen besonders im Blick. Seit April und Mai vergangenen Jahres sei es vermehrt zu antisemitischen Vorfällen an den Hochschulen gekommen. „Hochschulen sind unsichere Orte für jüdische Menschen und solidarische Personen geworden, ob in der Mensa auf dem Campus oder auch in den Seminarräumen und Hörsälen“, sagte Urban. Gerade an Schulen spielten zudem soziale Netzwerke wie TikTok eine ungute Rolle, die zu einer „Entgrenzung“ von Antisemitismus geführt hätten.
Die meisten Vorfälle ereigneten sich mit 409 in Frankfurt, gefolgt von Marburg mit 94 und Wiesbaden mit 89. In Frankfurt gebe es eine „sichtbare jüdische Community“ und eine Vielzahl an Hochschulen, wo Antisemitismus ausgelebt werde.
Antisemitismus müsse im Rechtswesen stärker mitgedacht werden, forderte die Projektleiterin. Milde Urteile wirkten sich auf das Anzeigeverhalten negativ aus. Das Thema müsse in der Lehrer- und Polizeiausbildung stärker implementiert werden. „Wir wissen, dass an Schulen viel vorkommt, was nicht gemeldet wird.“
Jüdischer Gemeindechef fordert Schutz durch Zivilgesellschaft
„Judenhass ist ein Übel für unsere Gesellschaft“, sagte der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Hanau, Oliver Dainow. Man müsse den Betroffenen zuhören, das Thema dürfe nicht wegdiskutiert werden. Wichtig sei eine Haltung wie: „Das kann ich in meinem Umfeld nicht zulassen.“ Die Menschen seien dafür auch empfänglich, unabhängig von ihrer politischen Einstellung. „Ich erlebe offene Menschen“, sagte Dainow: „Wir brauchen die Zivilgesellschaft, die schützend auf unserer Seite steht.“
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