"Der Staat sind wir alle", ruft Friedrich Merz den Abgeordneten zu und meint auch die Menschen in Deutschland. In seiner ersten Regierungserklärung macht er klar, wohin die politische Reise mit ihm gehen soll. Merz will ein besseres Miteinander.

"Der Staat sind wir alle" ist Geste der Umarmung, aber auch ein Appell für mehr Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Auch der Ton macht die Musik. Schnell wird klar: Hier spricht nicht mehr der Oppositionsführer. Hier spricht der Kanzler – ruhig, klar, überlegt.

Große Pläne, wenig Spielraum

Die Außenpolitik erklärt Merz zur Chefsache. Die Achse Berlin, Warschau, Paris soll wiederbelebt werden. Merz will Deutschland wieder stark machen in Europa. Das ist wichtig und längst überfällig. Was unter Scholz ins Stocken geriet, muss Merz zwingend wieder an einen Tisch bringen.

Innenpolitisch verspricht Merz einen schlanken Staat und eine Digitalisierungsoffensive. Frischen Wind für Deutschland. Außerdem solle es einen neuen Generationenvertrag geben. Das ist auch ein Versuch, den Kritikern in den eigenen Reihen Zuversicht zu geben, dass die Schuldenmilliarden nicht allein auf den Schultern der Kinder und Enkelkinder lasten.

Merz verspricht eine Rentenreform und eine Reform des Gesundheitswesens. Doch es bleibt schwer vorstellbar, dass er dieses Versprechen einlösen kann. Da fehlte den Koalitionären der Wille zur Einigung oder vielmehr der Mut zu einer großen Reform bei der Rente und im Gesundheitswesen. Das könnte für Merz noch zu einem Problem werden.

In der CDU bleibt die Sorge groß, dass man die Milliarden aus dem Investitionsfonds falsch investiert. Und in der SPD hätte man lieber früher als später eine Reform der Schuldenbremse. Der Kanzler droht dort schon jetzt zwischen den Stühlen sitzen zu bleiben.

Koalition auf dünnem Eis

Doch Merz hat offenbar auch aus seinem Fehlstart bei der Kanzlerwahl gelernt. Politik aus dem Bauch heraus wird nicht funktionieren. Er muss die eigene Fraktion, die SPD und die Menschen in Deutschland mitnehmen. Und so lobt er heute nicht nur die Vorhaben der CDU, wie etwa Steuerentlastungen für Unternehmen und schärfere Regeln bei der Migration. Nein, er lobt auch ausdrücklich die Herzensanliegen der Sozialdemokraten, das festgeschriebene Rentenniveau und ein wohl bald höherer Mindestlohn.

Wirklich begeistert wirken die Abgeordneten der SPD dennoch nicht. Der Beifall allenfalls höflich. Die Sozialdemokraten müssen dennoch versuchen, nicht zur Opposition in der eigenen Regierung zu werden.

Für Merz ist klar. Das wird kein Spaziergang. Die Wackelpartie zur Kanzlerwahl wirkt nach und muss ihm ein Warnzeichen für die nächsten 4 Jahre bleiben. Die Mehrheiten sind knapp, der Koalitionsvertrag ist ambitioniert. Die erste Nagelprobe steht schon vor der Tür, die Haushaltsverhandlungen. Das liebe Geld kann wie immer zum Prüfstein werden.

Druck aus dem Osten

Und noch etwas bleibt eine Herausforderung für den neuen Kanzler. Ostdeutschland hat Merz heute nur am Rande erwähnt. Wie schon im Koalitionsvertrag erfahren auch in der Regierungserklärung die Strukturprobleme im Osten wenig Beachtung. Merz, auch das wurde heute klar, will kein Ostkapitel mehr.

Doch auch in Ostdeutschland wartet im nächsten Jahr der erste Stimmungstest für die neue Bundesregierung, die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Ein Scheitern können sich CDU und SPD nicht leisten. Die AfD stellt sich hier schon am kommenden Wochenende neu auf.

Diese Bundesregierung muss deshalb schnell liefern, und zwar spürbar für die Menschen in Ostdeutschland. Das braucht Disziplin, Vertrauen und die Bereitschaft die Probleme wirklich zu lösen. Nicht streiten – machen!

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