Ein Mann steht auf einer Wiese, das Gras ist trocken, ein Sandweg durchkreuzt das stumpfe Grün, das abgeschirmt in einer steinigen Hügellandschaft liegt. Der Mann drückt ab, einmal, zweimal, immer wieder, entleert das Magazin eines AK-47-Sturmgewehrs.

„Nach unten halten“, ruft ihm ein anderer Mann zu, als der Munitionsvorrat leer ist. Dann sind Worte des Zuspruchs zu hören: „Sehr gut“ und „das war gut“ schreien zwei Männer hinter der Kamera. Sie sprechen Deutsch.

Wann das Video entstanden ist, ist unklar. Gepostet hat es der 29-jährige deutsche Staatsbürger Mehdi Fahres C. vor rund drei Wochen. Wenige Tage später wurde er in Berlin von Spezialkräften der Polizei festgenommen. Der Verdacht: Er habe sich im Libanon zum Terroristen ausbilden lassen. Ende 2023 soll er in den Libanon ausgereist sein, um sich dort einer Ausbildung an Schuss- und Kriegswaffen zu unterziehen.

„Ziel der Ausbildung war es, Gewalttaten wie Mord, Totschlag, erpresserischen Menschenraub und Geiselnahmen zur Vernichtung des Staates Israel ausführen zu können“, teilte die Staatsanwaltschaft mit. C., das glauben die Ermittler, wollte an der Seite der libanesischen Miliz Hisbollah am Kampf gegen Israel teilnehmen.

Die Ermittlungen gegen C. sind ein Geheimschutzverfahren. Die Inhalte sind sensibel, denn es geht um Terrorismus. Dennoch konnte WELT weitere Hintergründe über den Mann recherchieren, den Ermittler einem der „größten und am besten vernetzten“ Familien der deutschen Hauptstadt zurechnen. Einem schiitischen Clan, dem seit Jahren Beziehungen zur Hisbollah nachgesagt werden.

Gewissermaßen stellt die Festnahme von Mehdi Fares C. also nur die Spitze des Eisbergs dar. Das zumindest ist die Überzeugung in Sicherheitskreisen. Seit dem 7. Oktober 2023 habe sich die palästinensische und libanesische Diaspora deutlich radikalisiert. Tatsächlich deuten Videos, die C. im Internet veröffentlichte, darauf hin, dass weitere Personen aus Deutschland ihn zum Training in den Libanon begleitet haben.

Freunde, mit denen er sich online vernetzte, posteten ähnlich radikale Inhalte, posieren im Internet mit Waffen. Auf einem Video, das C. und einen anderen Mann mutmaßlich beim Schießtraining mit Sturmgewehren im Libanon zeigt, markierte der Festgenommene ein anderes Mitglied der Familie C. aus Berlin. Dazu schrieb er: „Vorbereitungen laufen“.

Den deutschen Behörden ging der 29-Jährige trotz seiner Aktivitäten in den sozialen Medien erst durch den Tipp eines ausländischen Geheimdienstes in die Fänge. Das erfuhr WELT. Nach dem Hinweis reagierten die Ermittler schnell, durchsuchten die Wohnung des Verdächtigen, fanden Mobiltelefone und Datenträger. In Sicherheitskreisen ist man überzeugt, C.s Schuld umfänglich nachweisen zu können. Auch neue Hinweise auf Kennverhältnisse und mögliche Finanzströme an die Terrororganisation Hisbollah erhoffen sich die Ermittler.

Laut unbestätigten Informationen aus dem libanesischen Wählerverzeichnis wurde C. im mehrheitlich schiitischen Viertel Bachoura in Beirut geboren. Die Familie zog es offenbar nach Berlin, seine Mutter verstarb hier in diesem Frühjahr. Mehrere direkte Familienmitglieder werden in Social-Media-Beiträgen der Familie als „Märtyrer“ verehrt, darunter ein Onkel mütterlicherseits. Einer der verstorbenen Männer wurde laut Medienberichten im Jahr 2014 von der libanesischen Armee erschossen, nachdem er eine Waffe auf Soldaten richtete. Der Mann sei polizeigesucht gewesen.

C. ließ sich offenbar auch an schwererem Gerät ausbilden. Videos und Fotos zeigen ihn mutmaßlich mit einem Granatwerfer. Auf einer Aufnahme feuern er und ein anderer Mann das Gerät in derselben Senke ab, in der C. sich immer wieder bei Schusstrainings filmen ließ. Auch eine direkte Verbindung zur Hisbollah dokumentierte C. auf einem Online-Profil. So postete er das Foto einer Art Zeugnis, auf dem das Logo der Terrormiliz prangt. Ausgestellt wurde das Dokument im Oktober 2023 auf den Namen „Ali Hisham Ismail“. Die Hintergründe sind bislang unklar.

Deutschland ist aufgrund der großen libanesischen Diaspora ein wichtiger Aktivitätsraum der Hisbollah. Teile der Anhängerschaft betätigen sich außerdem in der organisierten Kriminalität, heißt es aus Sicherheitskreisen. Vor dem 7. Oktober 2023 entsandte die Hisbollah regelmäßig Auslandsvertreter nach Deutschland, die in verschiedenen Moscheen auftraten und mutmaßlich Anweisungen aus dem Libanon mitbrachten. Die Sicherheitsbehörden erlangen meist erst später Kenntnis von der Einreise.

Zuletzt intensivierten die Behörden ihre Bemühungen im Kampf gegen Hisbollah-Strukturen. Im Dezember 2024 etwa ließ der Generalbundesanwalt in der Region Hannover einen Mann festnehmen. Auch er soll Ausbildungskurse der Hisbollah besucht haben. In Deutschland betrieb er ein Reisebüro und saß zeitweise im Vorstand eines Moscheevereins. Wenige Monate zuvor hatte die Bundesanwaltschaft einen 35-Jährigen in Salzgitter verhaften lassen, der in Verdacht steht, Drohnenteile für Terrorattacken auf Israel an die Hisbollah gesandt zu haben.

Laut einem Gerichtsbeschluss wirft die Anklagebehörde dem Mann vor, im Jahr 2016 den Treueschwur der Hisbollah geleistet zu haben. Im Rahmen seiner Beschaffungstätigkeiten soll er unter anderem 945 Drohnenmotoren bestellt haben. Über zwei Firmen soll er zudem weitere mögliche Drohnenbestandteile im Wert von 200.000 Euro beschafft haben.

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