Ausnahmezustand im Europaviertel in Brüssel: Tausende Landwirte haben unweit des Europa-Parlaments – teils gewaltsam – gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten protestiert und für Chaos gesorgt. Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen Demonstranten ein, die versuchten, Absperrungen zu durchbrechen, wie die Polizei auf Nachfrage der dpa bestätigte. Während die Veranstalter von rund 10.000 Demonstranten sprachen, zählte die Polizei etwa 7300 Personen und hunderte Traktoren.

Wasserwerfer wurden laut Polizei eingesetzt, nachdem einige Landwirte versucht hätten, von den Sicherheitskräften eingerichtete Sperren zu überwinden. Zudem wurden Brände gelegt, Pyrotechnik gezündet und Tränengas eingesetzt, wie auf Bildern zu sehen war. Die Angriffe der Demonstranten mit Kartoffeln und Feuerwerk richteten sich auch gegen das Europaparlament.

Zeitgleich findet in der belgischen Hauptstadt der EU-Gipfel statt, bei dem auch über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten gesprochen wird. Die Landwirte lehnen das Abkommen ab, weil sie unverhältnismäßige Konkurrenz durch günstige Importe fürchten. Zudem haben die Bauern Sorge, dass sie künftig weniger Geld aus dem EU-Haushalt bekommen könnten.

Deutsche Bauern beteiligen sich an Demo

Zu den Protesten sind auch Landwirte aus Deutschland angereist. Nach einer ersten Schätzung des bayerischen Bauernverbands beteiligten sich rund 500 deutsche Bauern an dem Protest.

Günther Felßner, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands, teilte mit: „Wir stehen hier als Europäer. Europa braucht Stabilität – und diese Stabilität beginnt bei der Landwirtschaft.“ Die EU-Agrarförderung sei ein Stabilisierungsinstrument für die Ernährungssicherheit, für den ländlichen Raum und für den Zusammenhalt Europas.

Aus Sicherheitsgründen hat das EU-Parlament Mitarbeiter in andere Gebäude verlagert. Zudem heißt es in einer internen Nachricht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt: „Alle Mitarbeiter, die sich in den Gebäuden in Brüssel aufhalten, werden gebeten, sich von Fenstern fernzuhalten, während die Polizei die Situation unter Kontrolle bringt.“

Eine Parlamentssprecherin teilte mit, nach Störungen der öffentlichen Ordnung während der Bauernproteste seien einige Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel beschädigt worden. Die Sicherheitslage werde vom Parlament in Abstimmung mit den lokalen Behörden genau beobachtet. Medienberichten zufolge wurde eine Person bei den Protesten verletzt.

Von der Leyen trifft sich mit Landwirten

Gegen Mittag traf sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Vertretern der Landwirte. Sie teilte mit: „In Zeiten der Unsicherheit brauchen unsere Landwirte Verlässlichkeit und Unterstützung.“ Europa werde immer hinter ihnen stehen.

Die neue Freihandelszone zwischen der EU und den Mercosur-Staaten mit mehr als 700 Millionen Einwohnern wäre nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art. Die Behörde hatte die Verhandlungen über das Abkommen im vergangenen Dezember trotz anhaltender Kritik aus Ländern wie Frankreich abgeschlossen. Die Unterzeichnung ist für kommenden Samstag in Brasilien geplant – dafür braucht es aber eine bestimmte Mehrheit unter den EU-Ländern.

Eine Entscheidung wird bei dem EU-Gipfeltreffen erwartet. Ob die erforderliche Mehrheit zustande kommt, war bis zuletzt unklar.

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