Von diesem weiträumigen Zimmer im zweiten Stock eines Berliner Gebäudes aus wird zukünftig die deutsche Drohnenabwehr koordiniert. Eine lange Tafel mit 20 Plätzen dominiert den Raum, im Hintergrund prangt das neue Logo: Drohne und Schwert auf Deutschland-Fahne. Auf dem Tisch haben Mitarbeiter schon kleine Länderflaggen aufgestellt.

Hier werden Spitzenbeamte aus den Ländern und Gesandte aus Behörden wie Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Bundeswehr konferieren – und im Zweifel entscheiden, wie mit militärischen Drohnen umgegangen wird, die zur Gefahr werden. Im Gemeinsamen Drohnenabwehrzentrum (GDAZ) laufen alle Informationen zusammen, entstehen Lagebilder, werden Großereignisse und deren Bedrohungslage analysiert.

Richtig los geht es im Januar. An den Wänden hängen zwar schon Bilder mit Bundespolizisten mit Jammer- und Abwehrtechnik für Drohnen, noch aber sind die Räume in der Liegenschaft der Bundespolizei am Schöneberger Ufer weitestgehend verwaist. Nur wenige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen haben mit ihren Abgesandten bereits Büros bezogen. Die NRW-Polizei gilt bundesweit als Vorreiter in Hinblick auf Drohnenabwehr und spielt bei der Einrichtung einer Einsatzberatungsstelle eine entscheidende Rolle.

Die weiteren Fachbereiche sind noch im Aufbau. Bund und Länder erhoffen sich vom GDAZ insbesondere ein hoch technologisiertes Lagebild in Echtzeit. Aus diesem Datenpool entstehen dann Analysen und Strategien zur Gefahrenabwehr. Im Forschungsbereich erhoffen sich die Behörden eine enge Vernetzung mit relevanten Partnerinstitutionen, Forschungseinrichtungen und Sicherheitsakteuren. Die Innovationszyklen im Drohnenbereich sind sehr kurz, dann verändern neue Technik und Erfahrungen auf dem Schlachtfeld die Lage. Mit diesem Tempo müssen auch die Forscher im GDAZ mithalten.

„Wir werden wehrhaft, und wir stärken das Vertrauen der Bürger in die Abwehrfähigkeit des Landes“, so drückt es Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch aus. „So erhöhen wir Tempo und Treffsicherheit im Kampf gegen hybride Bedrohungen, Sabotage und gezielte Provokationen.“ „Combat-ready“, also gefechtsbereit nennt es Olaf Lindner, der als Chef der Spezialkräfte der Bundespolizei eine Art Hausherr für die Koordinationsstelle sein wird.

Eine gemeinsame Kraftanstrengung scheint auch nötig. Denn die Vorfälle rund um Spionage, Sabotage und Störungen des Luftverkehrs bleiben hoch. Rund 2000 Drohnenüberflüge gab es laut Bundeskriminalamt in Deutschland in diesem Jahr.

„Brauchen Fähigkeiten vor Ort“, sagt Bayerns Innenminister

Ein Reporter-Team von WELT, „Bild“ und der Axel Springer Academy of Journalism and Technology hat jüngst die Daten dazu ausgewertet – und klare Muster bei den Zielen der Drohnen, bei Überflugzeiten und regionalen Schwerpunkten festgestellt.

Laut der Recherche häuften sich Überflüge nahe Militäranlagen und es kam vermehrt zu Sichtungen bei Militärübungen der Bundeswehr und Nato mit „Bedeutung für die Landes- und Bündnisverteidigung“. Man gehe von einem „komplexen Vorgehen unter Rückgriff auf größere finanzielle und logistische Ressourcen“, zitieren die Reporter einen Bericht des Bundeskriminalamts.

Von Versehen sei nicht auszugehen: „Einzelne Sachverhalte deuten (...) auf ein komplexes Vorgehen unter Rückgriff auf größere finanzielle und logistische Ressourcen hin.“ Es gebe zudem Indizien, „die einen Zusammenhang zwischen Drohnenüberflügen und den Bewegungen von Frachtern mit klaren Verbindungen nach Russland zeigen“, heißt es im Bericht.

Solche grundlegenden Muster sollen auch die Profis im Drohnenabwehrzentrum erkennen. Hier stehe „das Dach“ zur Drohnenbekämpfung, so nennt es Hamburgs Innensenator Andy Grote, der zugleich Sprecher der SPD-geführten Innenministerien ist.

Gleichzeitig brauche man aber weiterhin ähnliche Strukturen in den Ländern: „Die Bundespolizei kann nicht an jedem Platz in Deutschland gleichzeitig sein. Wir brauchen Fähigkeiten vor Ort.“ Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) spricht davon, die in der Zentralstelle „gemeinsam erarbeiteten und abgestimmten Lösungsmöglichkeiten“ konsequent vor Ort umzusetzen.

Das neue Drohnenabwehrzentrum wird nicht zwangsläufig zu einer permanent laufenden Einsatzzentrale, sondern eher zu einem zentralen Koordinations- und Analysezentrum mit operativer Anbindung. In größeren Lagen – etwa bei internationalen Sportereignissen oder kritischen Infrastrukturereignissen – versprechen sich die Beteiligten kurze Abstimmungswege und abgestimmte Konzepte.

Eine effektive Abwehr hybrider Drohnenbedrohungen wird nicht allein von einer Bundesstelle abhängen: Die Befugnisse und Kapazitäten der Länderpolizeien vor Ort bleiben wichtig – und die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern müssen eng verzahnt agieren, um rasch auf neue Entwicklungen reagieren zu können.

Korrespondent Philipp Woldin kümmert sich bei WELT vor allem um Themen der inneren Sicherheit und berichtet aus den Gerichtssälen der Republik.

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