Zweifeln, sticheln, boykottieren – Der G-20-Gipfel zeigt, wie gespalten die Weltpolitik ist
Die diplomatische Spitze in Richtung US-Präsident Donald Trump kam schon wenige Minuten nach Beginn des G-20-Gipfels. Bereits bei seiner Eröffnungsrede in Johannesburg verkündete Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa am Samstag, dass sich die Teilnehmer auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt hätten. Sein Regierungssprecher postete umgehend ein Video jubelnder Verhandlungsführer vom Vortag, nachdem alle Staatschefs das 30-seitige Dokument abgesegnet hatten. Jene Erklärung also, die Trump unbedingt hatte verhindern wollen.
Die USA boykottierten das Treffen zum ersten Mal in der Geschichte der G 20 vollständig – offiziell wegen Trumps Fehde mit Südafrika, dem er „Menschenrechtsverletzungen“ gegen die weiße Minderheit vorwirft. Wahrscheinlicher jedoch wegen seiner Abneigung gegen multilaterale Formate, zumindest dann, wenn sie wie in Johannesburg den Globalen Süden stärken sollen – und nicht in einem seiner Resorts in Miami stattfinden. Dort werden die G 20 im kommenden Jahr tagen, wenn ausgerechnet die USA den Vorsitz von Südafrika übernehmen. „Darauf freue ich mich“, gab Trump zu Protokoll.
In Südafrika legte man im Umgang mit Trump in den vergangenen Tagen die Zurückhaltung ab. Zuerst bezichtigte Ramaphosa Trump des „Mobbings“, dann lehnte seine Regierung ein erst am Donnerstag eingegangenes Gesuch der US-Botschaft in Pretoria ab. Diese hatte kurzfristig Akkreditierungen und zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für eine Stippvisite zum Ende des Gipfels am Sonntag angefordert, damit der G-20-Vorsitz formell hätte übergeben werden können.
Ramaphosas Sprecher teilte pikiert mit, der Präsident werde den Vorsitz „nicht an einen Junior-Diplomaten“ übergeben. Vorgesehen war der Geschäftsträger – die USA haben derzeit keinen Botschafter in Südafrika. Diplomatisch wäre das undenkbar gewesen.
Allzu viel Belastbares steht freilich nicht in der ausufernden Abschlusserklärung. Mit Bezug auf die Ukraine heißt es, man werde „an einem gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden arbeiten“. An anderer Stelle heißt es: „Alle Staaten müssen davon absehen, durch Androhung oder Anwendung von Gewalt Gebietsgewinne anzustreben.“ Hier fehlt allerdings der explizite Bezug auf die Ukraine, sonst hätte Russland das Dokument wohl kaum abgesegnet.
Auch die großen Themen Südafrikas wie Klimafinanzierung und Schuldenerleichterungen für Entwicklungsländer werden ausführlich und an mehreren Stellen beschrieben – allerdings mit wenig konkreten Verpflichtungen der Unterzeichner. „Wir bekräftigen unser Bekenntnis zur G 20 als wichtigstem Forum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit und zu ihrem fortgesetzten Wirken im Geist multilateraler Zusammenarbeit“, heißt es am Ende der Erklärung feierlich.
Doch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fuhr dem triumphierenden Gastgeberland bemerkenswert in die Parade. „Die G 20 könnte sich dem Ende eines Zyklus zuneigen“, sagte der französische Präsident in seiner Rede. „Wir leben in einem Moment der Geopolitik, in dem wir gemeinsam darum kämpfen, große Krisen an diesem Tisch zu lösen – auch mit Mitgliedern, die heute nicht anwesend sind“, sagte Macron. Und meinte damit natürlich die USA.
Auf den überall in der Stadt aufgehängten Plakaten der G-20-Staatschefs offenbart sich die globale Zerklüftung auch an anderer Stelle. Dort prangt zwar das Bild von Chinas Präsident Xi Jinping in Übergröße. Doch auch er brüskierte das BRICS-Mitglied Südafrika mit seiner Abwesenheit. Von den 19 Regierungschefs der G 20 (die beiden weiteren Mitglieder sind die EU sowie die Afrikanische Union) nehmen lediglich 13 in Johannesburg teil.
Immerhin schickte Peking mit Ministerpräsident Li Qiang die Nummer zwei im Staat, um die Lücke zu füllen, die die Absage der USA gerissen hatte. Der Flughafen in Johannesburg ist mit Werbung für chinesische Autohersteller geradezu tapeziert. Peking inszeniert sich gern als Hüter eines „inklusiven Multilateralismus“, aber nur insoweit wie sich die entsprechenden Foren nicht gegen chinesische Interessen wenden – von Taiwan über das Südchinesische Meer bis zu Menschenrechtsfragen.
Da taugt der wachsende antiwestliche BRICS-Verbund besser, in dem China die Fäden zieht. Als Südafrika in diesem Forum vor zwei Jahren den Vorsitz innehatte, nahm Xi am gemeinsamen Treffen teil. Bei dem in diesem Jahr von den G 20 vorangetriebenen Thema der Schuldenerleichterungen zeigt sich China hingegen kaum gesprächsbereit. In Afrika wächst zudem die Verstimmung angesichts des enormen Handelsdefizits der Länder dort mit China.
Einen freundlichen Gruß in Richtung Trump gab es in Südafrika übrigens dann doch noch. Vor einigen Tagen hatte die Gewerkschaft der weißen Minderheit „Solidariteit“ ein 70 Meter langes Plakat an einer Autobahn bei Johannesburg aufgehängt, die zum G-20-Veranstaltungsort Nasrec führte. Die Aufschrift lautete: „Willkommen im Land mit den meisten rassenbasierten Gesetzen der Welt.“
Trump hatte Südafrikas umstrittene Gesetze zur wirtschaftlichen Förderung historisch benachteiligter Gruppen kritisiert. Es gibt über 100 entsprechende Paragrafen im Land. Viele Weiße fühlen sich – durchaus nachvollziehbar – von ihnen diskriminiert. Profitiert hat davon jedoch nur eine kleine schwarze Elite.
Trump hätte das Plakat auch bei einer Teilnahme in Johannesburg nicht gesehen. Die Stadt ließ es umgehend entfernen.
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