Rentenkonflikt belastet schwarz-rote Koalition – Vertrauenskrise wächst weiter
- SPD-Abgeordnete Kathrin Michel kritisiert den Dauerstreit der Koalition und sieht das Vertrauen der Bevölkerung massiv gefährdet.
- CDU-Politiker Sepp Müller fordert Reformen statt Glaubenskämpfe.
- Die anhaltenden Konflikte verstärken laut den Abgeordneten das Misstrauen in den Wahlkreisen – und spielen der AfD in die Karten.
Die Kamenzer Bundestagsabgeordnete Kathrin Michel ist eigentlich ein von Grund auf optimistischer Mensch. Sie hat sich hoch gearbeitet, aus einfachen Verhältnissen bis zur Personalverantwortlichen in einem großen Chemiewerk. Inzwischen vertritt sie ihre Heimat, die Lausitz, in Berlin, ist zugleich SPD-Landesvorsitzende in Sachsen und reibt sich immer häufiger irritiert den Kopf, wenn sie sich die Bilanz der sich seit einem halben Jahr im Amt befindenden schwarz-rote Koalition unter Friedrich Merz anschaut.
Enttäuschung in der SPD: "Ein Psychodrama auf höchster Ebene"
Eigentlich sollte es einen Neuanfang geben, wollte man so viel besser und anders mache. Stattdessen steckt auch das neue Kabinett in einer handfesten Vertrauenskrise: Drei von vier Deutschen misstrauen CDU, CSU und SPD: "Wir merken es ja jetzt", sagt auch Abgeordnrete Michel. "Wir haben viele Sachen auf den Weg gebracht, aber sie kommen bei den Menschen nicht an. Und warum kommen sie bei den Menschen nicht an? Weil wir uns auf allerhöchster Ebene ein Psychodrama liefern. Dann sagen die Menschen: Egal, was die da oben entscheiden, ich spreche denen die Kompetenz ab, dass sie meine Probleme lösen werden." Das sei für sie das Hauptproblem.
Union mahnt: Sachpolitik statt Glaubenskampf
Ähnlich nachdenklich erwischt man auch Sepp Müller. Der 36-Jährige aus Wittenberg ist längst in der Führungsspitze der Union angekommen, steuert CDU und CSU im Bundestag als Fraktionsvize mit. Auch er sieht bei der Koalition deutlich Optimierungspotenzial, unterstreicht aber auch, der Kanzler werde immer mal bewusst missverstanden: "Sowohl SPD als auch Union wissen, dass die Herausforderungen riesig sind. Wir wissen, dass wir nicht mit den Antworten der letzten 20 Jahre in die nächsten 20 Jahre gehen können. Natürlich knirscht es dabei. Und deshalb versteht sich der Bundeskanzler, so nehme ich ihn wahr, als Antreiber."
Müller rät seinen Koalitionskollegen auf Inhalte zu setzen, auf die Reformen, denen sich Schwarz-Rot verschrieben hat. Und nicht jede Diskussion, beispielsweise wie zuletzt um eine Neuaufstellung der Rente, sofort als Glaubenskampf zwischen Schwarz und Rot zu betrachten. Den könnten beide Seiten nur verlieren.
Koalition unter Druck – und die AfD lauert
An der Seite lauert schließlich schon die AfD, die mit Ulrich Siegmund in Sachsen-Anhalt im kommenden Jahr den Ministerpräsidenten stellen will. Dazu findet CDU-Fraktionsvize Müller deutliche Worte: "Wir packen die Dinge jetzt an – in dem Wissen, dass wir unsere Wirtschaft wieder fit machen müssen, damit sie wachsen kann, weil die Wirtschaft ist für die Menschen und den Sozialstaat da. Genau in diesem Punkt höre ich vom Spitzenkandidaten der AfD wenig bis gar nichts, denn es gibt dort keine Vorschläge."
Deutlich pessimistischer klingt da schon SPD-Frau Kathrin Michel aus der Lausitz. Mit jedem Gang durch ihren Wahlkreis rund um Bautzen spürt sie das Misstrauen nach Jahren des Streits auf Bundesebene. Ihr Resümee des jüngsten schwarz-roten Streits in Berlin: Noch immer hätten viele nicht verstanden, wie wichtig es sei, als Koalition gemeinsam als Team aufzutreten. "Es wird ein langer Weg sein, den wir gehen müssen und in dem wir immer wieder – nach außen wie nach innen – zeigen müssen, dass wir uns vertrauen."
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