Nach Streeck-Aussage: Wie viel Behandlung ist im Alter sinnvoll?
- Viele Fachleute kritisieren Hendrik Streecks Aussagen zur Behandlung alter Menschen als zu pauschal und ethisch problematisch.
- Ärztinnen und Ethiker betonen: Nicht das Alter, sondern Lebensqualität und Patientenwünsche müssen im Mittelpunkt stehen.
- Eine politische Diskussion über Grenzen medizinischer Leistungen sei notwendig – auch über Kosten, aber ohne Altersgrenze.
Die Menschen werden immer älter, die Medizin macht immer mehr möglich. Doch Medikamente und Operationen kosten. Wäre es also sinnvoll, bei sehr alten Patienten zweimal zu überlegen, bevor man eine Behandlung durchführt?
Streecks Aussagen stoßen auf Kritik
Nein, sagt Markus Mai, Vorsitzender des Deutschen Pflegeverbands: "Wenn man sich mal anguckt, dass es je nach Alter Leute gibt, die total krank oder auch total fit sind, dann finde ich eine Altersgrenze eher kritisch." Es müssten andere Faktoren hinzugezogen werden, um gegebenenfalls über einen Therapiebbruch zu entscheiden.
Der Medizinethiker Jan Schildmann von der Universität Halle sieht das genauso – und hat auch ein wissenschaftliches Argument: "Das, was wir aus der Forschung wissen, ist, dass Menschen, die nah beim Tod sind und eine kritische Diagnose haben, tatsächlich sehr, sehr viel behandelt werden."
Da wiederum sei er ganz bei Streeck, sagt Schildmann weiter: "Bei den Situationen muss man tatsächlich gut hinschauen, ob da nicht zu viel behandelt wird. Das ist aber ein Unterschied, ob ich sage, Nähe zum Tod oder per se Menschen ab 80 oder 85."
Ethik statt Ökonomie aus Ärztinnen-Perspektive
Auch Constanze Weber findet die Aussage von Streeck undifferenziert. Sie ist Sprecherin beim Bündnis junge Ärztinnen und Ärzte. Wie viele andere Kritiker stört sie sich daran, dass es Streeck um die Kosten geht, die gespart werden könnten. "Die Debatte muss geführt werden, aber mit einer ethischen Richtung, nicht mit einer gesundheitsökonomischen. Das ist ganz entscheidend."
Ärztinnen und Ärzte würden anhand medizinischer Leitlinien überlegen, welche Behandlung geeignet sei – nicht anhand dessen, was am meisten Geld bringe. Je genauer sie dabei wüssten, was sich die Patienten wünschen, desto klügere Entscheidungen würden sie treffen können, sagt Weber.
Dieser Aspekt gehört ihrer Meinung nach ins Zentrum der Debatte: "Da gibt es alle Möglichkeiten mit Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht, um für sich Lebensqualität zu definieren – und das im besten Fall mit dem Mediziner oder Medizinerin des Vertrauens. Das ist auch ein langer Prozess und damit sollte man sich eigentlich, sobald man das 18. Lebensjahr überschritten hat, auseinandersetzen."
Es braucht auch offene Debatte über Kosten
Auch Medizinethiker Schildmann hält das für wichtig. Allerdings sei auch der Blick aufs Budget nicht ganz ungerechtfertigt, sagt er. Denn gespart werden müsse im Gesundheitssystem – aber wo, das werde in Deutschland nicht offen politisch diskutiert.
Andere Länder seien da weiter. Zum Beispiel Großbritannien: "Da gibt es schon seit vielen Jahren etablierte Mechanismen und Regeln, anhand welcher Kriterien eben bestimmte Medikamente vom nationalen Gesundheitssystem bezahlt werden und an welcher Stelle und aus welchen Gründen auch nicht." Mit dem Alter der Patienten habe aber auch das nichts zu tun.
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