Admiral Giuseppe Cavo Dragone trägt den Schwarzen Gürtel im Shotokan-Karate, wurde bei den italienischen Fallschirmjägern auch im Freifallspringen ausgebildet. Er hat als Marinepilot unter anderem im Libanonkrieg oder in Afghanistan einige hundert Helikopter-Einsätze selbst geflogen. Und er ist Vorsitzender des Nato-Militärausschusses.

In dieser Funktion hilft ihm eine gewisse Gelassenheit, beunruhigende Umstände ohne unnötige Lautstärke und dafür umso präziser zu benennen. Etwa, wenn es um die Gefahr einer iranischen Atombombe geht.

Israels Zwölf-Tage-Krieg gegen Irans Atomprogramm habe „vielleicht schockiert“, sagt Dragone freundlich, in seiner weißen Gala-Uniform auf dem Podium des IISS Manama Dialogue 2025 im Golf-Königreich Bahrain sitzend. Aber das sei nun mal „der letzte Schritt der Abschreckung“ gewesen.

Dabei habe es verhältnismäßig wenig Todesopfer gegeben und nach einer langen Reihe iranischer Täuschungsmanöver rund um das Atomprogramm des Landes habe es nun einmal keine Alternative zu der Luftkampagne gegeben, an der sich zuletzt auch die Amerikaner beteiligten. „Und diese Einsätze waren erfolgreich – denke ich“, fügt der Admiral hinzu.

Unaufgeregt hat Dragone beim traditionellen Treffen des Westens und seiner nahöstlichen Verbündeten in Manama damit ein Problem benannt, das in den Augen der Öffentlichkeit neben dem anhaltenden Ringen um Gaza fast ganz aus dem Blick gerückt ist. Es ist unklar, ob Irans Atomprogramm mit seiner möglichen militärischen Ausrichtung wirklich stark beschädigt oder gar völlig vernichtet wurde, wie US-Präsident Donald Trump behauptet.

Denn der Iran verweigert jede Besichtigung der getroffenen Anlagen durch die Internationale Atomenergiebörde (IAEA). Offenbar wissen nicht einmal die Nachrichtendienste Israels und der USA mit Gewissheit, was genau beschädigt wurde. Das meint der italienische Nato-Admiral, wenn er nur vorsichtig sagt, er „denke“, dass die Angriffe auf das iranische Programm erfolgreichen waren.

Baut der Iran mit seinen Resten eine Atombombe?

Ebenso unklar ist, ob die Führung in Teheran unter dem Eindruck der Schläge doch zu Verhandlungen und der freiwilligen Aufgabe von möglichen Elementen eines Atomwaffenprogramms bereit ist. Seitdem die westlichen Mächte im UN-Sicherheitsrat und Deutschland wegen Irans Verstößen die automatische Wiederinkraftsetzung der UN-Sanktionen, den sogenannten „Snapback“, ausgelöst haben, gibt es keine offiziellen Verhandlungen mehr.

Und je länger sich nichts in Richtung einer friedlichen Lösung bewegt, desto größer wird die Sorge, dass der Iran gar nicht mehr daran interessiert ist und womöglich mit den Resten seiner Uranvorräte einen nuklearen Sprengsatz baut. Solange das nicht auszuschließen ist, kann es erneute israelische Bombardements im Iran geben. Auf der Konferenz in Bahrain ist zu hören und zu spüren, wie dieses Szenario immer wahrscheinlicher wird – auch wenn es auf offener Bühne nur verhüllt zur Sprache kommt.

Da ist etwa Anwar Gargasch, oberster außenpolitischer Berater des Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate und einer der erfahrensten Diplomaten der Region. Sein Land, eines der modernsten und weltoffensten am Golf, stand an der Spitze jener Staaten, die im Jahr 2020 in den sogenannten Abraham-Verträgen den Staat Israel anerkannten und diplomatische Beziehungen mit ihm aufnahmen. Damit machten die VAE weltweit Schlagzeilen.

Den Arabern fiel aber ebenfalls auf, dass die Emirate auch das Gespräch mit dem Iran wieder aufnahmen. Erkennbar nicht, weil sie den alten Erzfeind sympathischer fanden, sondern weil nach den iranischen Luftangriffen auf Ölanlagen in Saudi-Arabien 2019 die Reaktion der ersten Trump-Regierung derart schwach und rein rhetorisch ausfiel, dass gerade die westlich orientierten Golfaraber eine Lehre zogen.

Der neue Präsident droht zwar gerne, aber in Wahrheit beschützen die USA ihre Verbündeten am Golf nicht mehr ernsthaft, nämlich nicht mit militärischer Vergeltung. Die Konsequenz: Kontakte mit dem Iran, um das Risiko ungesteuerter Eskalation zu minimieren.

Eskalation mit Teheran wird wahrscheinlicher

Das war die Strategie, die praktisch alle arabischen Golfstaaten verfolgten, auch die neuen Freunde der Israelis – als plötzlich die Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu genau jene Angriffe fliegen ließ, auf die man auf der arabischen Seite des Golfs nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Wie gehen die westlich orientierten Monarchien nun mit diesem Hin und Her um? Setzen sie weiter auf Ausgleich oder wieder auf Konfrontation mit dem Iran?

Das ist die Frage, die der Diplomaten-Veteran Gargasch in Bahrain genau jetzt beantworten muss, weil jeder weiß, dass eine neue Eskalation mit Teheran wieder wahrscheinlicher wird. Gargasch antwortet – natürlich – nicht konkret, aber er signalisiert sehr deutlich, dass man die iranische Kleriker-Führung vor allem als Gefahr betrachtet. „Der Iran sieht die arabische Welt nach wie vor als Schlachtfeld für seine Vorwärtsverteidigung gegen Israel“, sagt der Berater des Emirs.

Das soll bedeuten: Die in Teheran regierenden islamischen Geistlichen verfolgen immer noch die Strategie, mit hochideologischen Milizen wie der libanesischen Hisbollah, der palästinensischen Hamas oder den jemenitischen Huthis Israel zu verletzen und tragen damit ihren Krieg in die arabische Welt.

Mit dieser Formel beschreibt Gargasch einen der Hauptgründe, warum die Golfaraber schon seit Jahren ein offensives Vorgehen Israels und Amerikas gegen kampfbereite Mullahs fordern. „Eine Versöhnung wäre schön, aber wir sollten die Geschichte nicht vergessen“, sagt er.

Vor Israels Angriffen auf den Iran haben die Golfaraber Washington inständig gebeten, diese Ausweitung des Gaza-Konfliktes zu verhindern – weil sie den viel zitierten Flächenbrand fürchteten, wenn die Mullahs im Iran ihre Herrschaft durch Israel bedroht sehen. Doch diese Vollkatastrophe ist ausgeblieben. Das könnte dazu geführt haben, dass eine zweite Runde gegen den Iran nicht mehr so riskant erscheint.

Andererseits ist offenbar ein anderes Risikobewusstsein an den arabischen Golfküsten gewachsen – nämlich für die eigene Verletzlichkeit durch iranische Angriffe. Dass iranische Raketen und Drohnen in Israel überraschend wenig Schaden angerichtet haben, wurde weltweit als Entzauberung des Drohpotenzials der Mullahs wahrgenommen. Am Golf ist man dagegen besorgter.

Denn eine derart entwickelte Luftverteidigung wie Israel besitzen die arabischen Monarchien nicht. Zwar haben fast alle Fürstentümer und Königreiche der Region zuletzt erheblich in Geräte zur Abwehr eindringender Geschosse investiert. Doch die eigenen Aufklärungsfähigkeiten, so ist auf der Konferenz zu hören, reiche für wirksamen Rundumschutz noch nicht aus.

Also braucht man doch wieder die Verteidigung durch Amerika – oder auch durch den für die Araber nach Gaza erst recht ambivalenten Akteur Israel. Wenn Netanjahu wieder präventiv im Iran zuschlägt, dann würden sich die arabischen Nachbarn des Iran vermutlich beschützt fühlen, ohne darum gebeten zu haben. Und das wäre wesentlich angenehmer.

Daniel-Dylan Böhmer, Senior Editor im Ressort Außenpolitik, bereist die Länder des Nahen Ostens seit Jahrzehnten. Er befasst sich vor allem mit regionalen und globalen Sicherheitsthemen und wird regelmäßig als Experte in nahöstlichen TV- und Radiosendern befragt.

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