Das neue System, das Taiwan vor einem Angriff Chinas schützen soll, heißt „T-Dome“ – in Anlehnung an sein israelisches Vorbild, den „Iron Dome“. Der taiwanesische Präsident Lai Ching-te erklärte in seiner Rede zum Nationaltag in Taipeh am Freitagmorgen, man werde „ein engmaschiges Sicherheitsnetz für Taiwan weben“. Der „T-Dome“ solle Raketen, Drohnen und Marschflugkörper auf verschiedenen Flughöhen abfangen und ein Schutzschild über die Insel legen können.

Außerdem werde Taiwan seine Verteidigungsausgaben weiter erhöhen und bis Jahresende ein Sonderbudget für das Militär vorlegen, sagte er – ein deutliches Signal an Peking. Laut Ching-te ist der Zweck der Erhöhung klar: „Sie ist eine Notwendigkeit, um feindlichen Bedrohungen zu begegnen, und ein Motor für den Ausbau unserer Verteidigungsindustrie.“

Ching-tes Worte fallen in eine Phase wachsender Spannungen mit Peking. Verschiedene Berichte haben zuletzt nahegelegt, dass China bei den militärischen Vorbereitungen für eine mögliche Invasion der demokratisch regierten Insel Unterstützung aus Russland bekommt. Bis spätestens 2027 soll die chinesische Volksbefreiungsarmee bereit sein, Taiwan einzunehmen – ein Ziel, aus dem Peking, das die Insel als sein Territorium betrachtet, längst kein Geheimnis mehr macht.

Inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass Russland China beibringt, wie man Panzer und Truppen aus Flugzeugen abwirft. Zu diesem Ergebnis kam eine britische Denkfabrik nach der Analyse geleakter russischer Dokumente. Das Royal United Services Institute (RUSI) spricht von Fallschirmsystemen, amphibischen Landefahrzeugen und Trainingspaketen, die Chinas Optionen für einen schnellen Angriff und Luftlandeoperationen deutlich erweitern würden.

Die Autoren des RUSI-Berichts hatten von Hackern der Gruppe „Black Moon“ etwa 800 Seiten an Unterlagen erhalten. Darin Verträge und Listen von Rüstungsgütern, die von Moskau nach Peking geliefert werden sollten, sowie Schulungsprogramme für chinesische Soldaten.

Den Autoren des renommierten Thinktanks scheinen die Papiere authentisch, auch wenn Teile davon möglicherweise weggelassen oder verändert wurden. WELT kann die Authentizität nicht unabhängig bestätigen. Die Experten erklären, dass die Ausrüstung für eine Invasion Taiwans verwendet werden könnte.

Unter Staatspräsident Xi Jinping hatte China ein umfassendes Programm zur Modernisierung seiner Streitkräfte gestartet. Militärplaner suchen seit Langem nach Wegen, innerhalb von 72 Stunden die Kontrolle über Taiwans Luftraum und seine Seewege zu erlangen – bevor die USA und ihre Verbündeten reagieren könnten.

Die geleakten Dokumente zeigen, dass Peking seine Fähigkeiten beschleunigt ausbaut. Russland hat Erfahrung mit Luftlandeoperationen und könnte China mit taktischem Know-how und spezialisierter Ausrüstung unterstützen.

Doch mahnen Experten zur Zurückhaltung bei der Interpretation: Verträge und neue Ausrüstung allein sind noch kein Garant für eine erfolgreiche Operation. Die groß angelegte Invasion einer dicht besiedelten, gebirgigen Insel, die sich zivil wie militärisch seit Jahren auf eine chinesische Offensive vorbereitet, ist kein einfaches Unterfangen. Taiwan anzugreifen wäre eine schwierige, kostspielige und politisch riskante Operation.

„Russland scheint in der Tat erfahrener bei Luftlandeoperationen als China“, konstatiert Ian Chong von der National University of Singapore im Gespräch mit WELT. „Russisches Know-how könnte China in Zukunft helfen, solche Einsätze routinierter zu planen und durchzuführen. Dann kann ein erobertes Flugfeld als Nachschubkanal dienen und ermöglichen, weitere Kräfte rasch an Land zu bringen — oder Schlüsselobjekte auszuschalten.“

Claus Soong vom Mercator Institute for China Studies (MERICS) hält die Bedeutung der russischen Hilfe für ähnlich bedeutend. Die Unterstützung könnte China „wertvolle operative Erfahrung verschaffen, insbesondere aus den Einsätzen in der Ukraine“, sagt er. „In der Theorie würde das die Fähigkeit der Volksbefreiungsarmee verbessern, Panzer und Fahrzeuge aus der Luft einzusetzen – und ihr zu mehr Flexibilität in einer möglichen Taiwan-Operation verhelfen.“

Zugleich warnt Soong: „Solche Operationen erfordern absolute Hoheit im Luftraum, die Zerstörung der meisten taiwanischen Verteidigungssysteme und die Kontrolle über Luft- und Seehäfen.“ Es bleibe offen, ob China durch Hilfe aus Russland wirklich einen entscheidenden Vorsprung gewinnen könne.

Tatsächlich liegt der letzte größere Kampfeinsatz der chinesischen Streitkräfte mehr als vier Jahrzehnte zurück: 1979 führte die Volksbefreiungsarmee einen kurzen, verlustreichen Grenzkrieg gegen Vietnam. Seither fehlt ihr jede moderne Kriegserfahrung.

Experte Soong relativiert in dem Zusammenhang die Bedeutung operativer russischer Erfahrung aus dem Ukraine-Krieg: China könne dank Moskaus Hilfe womöglich schneller lernen, wie komplexe Operationen geplant würden – aber Routine sei nicht gleichbedeutend mit einem Erfolg.

Luftlandeoperationen seien zwar notwendiger Bestandteil der Invasionsplanung Pekings, doch würden sie allein niemals ausreichen, um Taiwan zu erobern, so Soong. „Die Geografie, also die Breite der Taiwanstraße und der Zustand des Meeres sowie die dichten Flugabwehrsysteme erschweren den großflächigen Einsatz von Fallschirmjägern und schwerem Gerät massiv.“ Man könne bei Weitem nicht genug Soldaten und Material transportieren, um Taiwan zu besetzen.

Ob China wirklich angreift, ist mehr als fraglich

Militäranalysten halten mehrere Angriffsszenarien für möglich. Denkbar etwa sind kleine, schwer fassbare Nadelstiche: gezielte Cyberattacken, Desinformationskampagnen, Spezialkommandos, die einzelne Flugfelder oder Häfen ausschalten. Möglich wäre auch ein begrenzter Überraschungsschlag, der nur Teile der Insel trifft und Taiwan psychologisch und politisch unter Druck setzt.

Ein drittes Szenario ist die umfassende Invasion über See und Luft, die weltweit gefürchtet wird. Dabei müssten jedoch Zehntausende Soldaten die 160 Kilometer breite Taiwanstraße überqueren. Schon am Anfang würde sich entscheiden, ob die Operation Aussicht auf Erfolg hat. China müsste dafür die vollständige Kontrolle über Luft- und Seewege erlangen.

„Ohne diese Voraussetzung ist ein erfolgreicher Luftlandeansatz kaum vorstellbar“, sagt Experte Ian Chong. Die RUSI-Dokumente würden vor allem darauf hindeuten, dass China seine Optionen diversifiziere. Dass ein vollständiger Invasionsplan bereits absehbar ist, sei ein Trugschluss, sagt er.

Auch in der tieferen militärischen Zusammenarbeit zwischen Moskau und Peking sieht Experte Soong weniger einen kriegsentscheidenden Durchbruch, als weitere Annäherung: „Das Abkommen über Luftlandeoperationen ist neu, aber es zeigt vor allem den Willen beider Seiten, sich strategisch enger zu koordinieren. Eine direkte russische Beteiligung an einer Taiwan-Invasion bleibt jedoch eine rote Linie.“

Und selbst wenn Peking irgendwann über die technischen Mittel und genug Know-how für einen umfassenden Angriff verfügt, bleibt fraglich, wie viel Risiko Xi zu tragen bereit ist – militärisch, wirtschaftlich und international. Taiwans Widerstandskraft, mögliche US-Interventionen, Sanktionen und der zweifellos entstehende Schaden für die eigene Wirtschaft – all das fließt in sein Kalkül mit ein.

Noch ist unklar, ob China trotz aller Risiken zum Sprung nach Taiwan bereit wäre. Sicher ist nur: Jede Steigerung der militärischen Kooperation mit Russland vergrößert die Unsicherheit im Westpazifik – und macht das ohnehin fragile Gleichgewicht noch zerbrechlicher.

Christina zur Nedden ist China- und Asienkorrespondentin. Seit 2020 berichtet sie im Auftrag von WELT aus Ost- und Südostasien.

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