Mutter-Rolle und zugleich Karriere? So viele Frauen in Deutschland geben dieses Ziel auf
Auch wenn Kinder im Haus sind, gehen die meisten Eltern inzwischen beide einer Berufstätigkeit nach. Laut Statistischem Bundesamt sind 85 Prozent der Väter und 75 Prozent der Mütter mit Kindern unter 18 Jahren inzwischen erwerbstätig – auch, aber längst nicht nur, weil die steigenden Lebenshaltungskosten sonst nur schwer zu stemmen sind.
Für die familiäre Aufgabenteilung hat die Doppelerwerbstätigkeit Folgen: Die allermeisten Eltern teilen sich die Kindererziehung inzwischen gleichberechtigt untereinander auf. Das zeigt die Forsa-Zukunftsstudie „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, die unter anderem vom Bundesverband Vereinbarkeit und der gemeinnützigen Unternehmensberatung Väter gGmbH herausgegeben wurde. Befragt wurden dafür 1011 erwerbstätige Väter und Mütter mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren, die in großen Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern tätig sind. Für die Gesamtheit der erwerbstätigen Eltern sind die Ergebnisse den Abgaben zufolge mit einer Fehlertoleranz von plus/minus drei Prozentpunkten übertragbar.
76 Prozent der befragten Mütter und Väter gaben an, dass die Kinderbetreuung hauptsächlich gemeinsam geleistet wird. 23 Prozent der Frauen und vier Prozent der Männer betreuen hauptsächlich allein. Insgesamt empfindet die deutliche Mehrheit von 80 Prozent die Aufteilung von Kinderbetreuung und Haushalt auch als „sehr“ oder „eher“ gerecht. Hier gibt es allerdings deutliche Wahrnehmungsunterschiede zwischen den Geschlechtern: 86 Prozent der Männer, aber nur 69 Prozent der Frauen finden die Aufteilung gerecht.
Das Jonglieren zwischen Beruf und Familie hat allerdings Folgen. So gaben in der Umfrage rund die Hälfte der Mütter (51 Prozent) an, mental „sehr“ oder „eher stark“ belastet zu sein. Bei den Vätern sind es 41 Prozent. 41 Prozent der Eltern beklagen Auswirkungen auf ihre Gesundheit, 52 Prozent auf die persönliche Zufriedenheit, 44 Prozent auf die Partnerschaft und 32 Prozent auf ihre Leistungsfähigkeit bei der Arbeit. Demgegenüber fürchten nur 23 Prozent „starke“ oder „eher starke“ Auswirkungen auf das Wohlbefinden ihrer Kinder. Besonders gravierend scheint sich die Doppelbelastung auf die Karrierewünsche von Frauen auszuwirken. Rund 45 Prozent der Mütter geben an, keine Führungsrolle übernehmen zu wollen, bei den Vätern sind es 27 Prozent.
Gefragt wurde auch, welche Faktoren doppelt berufstätige Eltern derzeit als besonders belastend empfinden. Bei den Frauen mit 64 Prozent ganz vorn: Der sogenannte „Mental Load“, also die Verantwortung für das Organisieren von Haushalt, Familie und alltäglichem Leben, gefolgt von zu wenig Zeit für sich selbst (63 Prozent) und dem eigenen Anspruch, eine „gute Mutter“ zu sein (49 Prozent). Die Männer zeigen sich insgesamt etwas weniger belastet. 58 Prozent beklagen zu wenig Zeit für sich selbst, aber nur 40 Prozent leiden an ihren Ansprüchen an eine gute Vaterschaft und 39 Prozent unter dem Mental Load. Die Anforderungen im Beruf empfinden 29 Prozent der Väter und 26 Prozent der Mütter als Belastung.
Von der Politik erwarten sich Eltern vor allem eine Entlastung bei der Betreuung. 59 Prozent fordern den Ausbau einer hochwertigen Kinderbetreuung für Kinder im Kita- und Grundschulalter, 47 Prozent eine verlässliche Ganztagsbetreuung in Schulen und flächendeckende Angebote zur Ferienbetreuung, 39 Prozent flexible gesetzliche Arbeitszeitmodelle. Unter den weiteren Forderungen: Anpassung des Elterngeldes an die Inflation (39 Prozent), gesetzliche Regelungen zum Homeoffice (33 Prozent) und eine zweiwöchige bezahlte Elternstartzeit für Väter nach der Geburt (27 Prozent).
Aber auch an ihre Unternehmen haben die Eltern Erwartungen. Als hilfreich empfinden sie vor allem mobiles Arbeiten (65 Prozent), flexible Arbeitszeiten (64 Prozent) und Teilzeit-Modelle (46 Prozent) – allesamt Dinge, die von den Unternehmen, bei denen sie arbeiten, auch angeboten werden. Eine familienbewusste Führungskultur wünschen sich 46 Prozent – aber nur 28 Prozent finden sie auch vor. Unterstützung rund um die Kinderbetreuung wäre für 42 Prozent der Eltern hilfreich, dies wird aber nur von 21 Prozent der Unternehmen angeboten. Auch bei Ferienprogrammen für Kinder und der Notfallbetreuung für Mitarbeiterkinder ist die Nachfrage deutlich größer als das Angebot.
Nur wenig Anklang finden die von 52 Prozent der Firmen angebotenen Seminare zur mentalen Gesundheit. Nur sechs Prozent der Eltern empfinden solche Angebote als hilfreich. Möglicherweise haben Eltern aber auch gar keine Zeit dafür. Insgesamt fühlen sich derzeit 43 Prozent „sehr stark“ oder „eher stark“ von ihrem Unternehmen unterstützt. 73 Prozent sagen, dass das Verhalten ihres konkreten Vorgesetzten Einfluss auf ihre Nutzung von Vereinbarkeitsangeboten hat, 39 Prozent sehen sogar einen direkten Einfluss des Verhaltens ihres Vorgesetzten auf ihr Familienleben.
Eine kleine Stichprobe von 290 der befragten Eltern sind selbst Führungskräfte. Von ihnen erachten 98 Prozent die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie als sehr oder eher wichtig – zumeist, weil diese Förderung dabei helfe, die Motivation und die Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber zu steigern.
„Vereinbarkeit ist kein ‚Nice-to-have‘ mehr – sie entscheidet über Gesundheit, Motivation und Loyalität von Mitarbeitenden und damit über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen“, kommentierte Volker Baisch, Gründer und Geschäftsführer der Väter gGmbH, die Studie. Damit sei die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ein „entscheidender Schlüssel für Fachkräftesicherung, Wettbewerbsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit“.
Sabine Menkens berichtet über gesellschafts-, bildungs- und familienpolitische Themen.
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