Die Wahl in NRW: Historische Tiefs von CDU und SPD, Aufstieg der AfD. Die Reaktion? Hätte schlimmer kommen können. Diese Routine hält den Zerfall des Parteiensystems nicht auf.

Die CDU gewinnt auf niedrigem Niveau, die SPD bricht weiter ein, die AfD verdreifacht ihr Ergebnis. Doch die Reaktionen auf das Ergebnis der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen wirken seltsam routiniert. 

33 Prozent für die Christdemokraten? Ein Grund zum Feiern, immerhin besser als im Bund. 

Die SPD in den vergangenen 30 Jahren halbiert? Naja, hätte schlimmer können. 

Die AfD knapp unter 15 Prozent? Da sieht man doch mal, dass auch ihre Bäume nicht in den Himmel wachsen.

War was?

Die CDU gewinnt die Kommunalwahlen in NRW trotz, nicht wegen Merz

Dieses Land hat sich politisch mittlerweile an einiges gewöhnt. Das Ungewöhnliche erscheint schon wie das neue Normal. Das herkömmliche Parteiensystem zerbröselt. Tja, muss man sich eben mit den neuen Verhältnissen arrangieren. Doch das wird den Zerfall nicht aufhalten.

Am ehesten kann man noch die Abgeklärtheit der CDU verstehen. Die Partei fällt wohl unter ihr Ergebnis von 2020. Das war damals schon der historisch schlechteste Wert der Christdemokraten bei einer Kommunalwahl in NRW. Diesmal sind es noch weniger Prozente – und das in dem Land, das in Berlin den Kanzler und den Unions-Fraktionsvorsitzenden stellt, die einen Politikwechsel versprochen haben und gute Stimmung.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Und der relativ populäre Ministerpräsident Hendrik Wüst kann mit einigem Recht für sich in Anspruch nehmen, dass seine NRW-CDU nicht wegen, sondern trotz der Regierung von CDU-Kanzler Friedrich Merz noch einigermaßen glimpflich aus dieser Wahl davongekommen ist.

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Nicht gut, wenn die SPD Ergebnisse nur in Relation zu Prognosen bewertet

Die SPD landet auf dem zweiten Platz. Und die neue Parteichefin Bärbel Bas, selbst aus Nordrhein-Westfalen, befindet, man habe den Abwärtstrend der SPD zwar nicht stoppen können, aber es sei auch nicht das Desaster geworden, das manche vorausgesagt hätten. Das wäre so, als ob der Hamburger SV nach dem 0:5 beim FC Bayern triumphieren würde, vergangenes Mal sei es noch ein 0:8 gewesen. Um die 22 Prozent für die SPD. In Nordrhein-Westfalen. Das soll kein Desaster sein?

Es ist nicht gut, wenn die SPD ihre Ergebnisse nur in Relation zu Prognosen, Befürchtungen und vielleicht auch zu gezieltem Erwartungsmanagement bewertet. Es hätte schlimmer kommen können – ist das wirklich die Messlatte der Sozialdemokraten? Die Ergebnisse müssen nicht ins Verhältnis gesetzt, sondern als Realität in sich betrachtet werden. 22 Prozent – die SPD muss sich eingestehen, dass ihr Siechtum insgesamt anhält und im Stammland NRW erst recht. Und dass sie keine Antwort darauf hat, nicht politisch, nicht personell.

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Auch die Grünen verlieren massiv. Mit der SPD haben sie eines gemeinsam: Einzelne Bürgermeister und Kandidaten erzielen respektable Erfolge. Es sind Persönlichkeiten, die weit über Parteigrenzen hinweg Vertrauen erworben haben. Ja, eine Kommunalwahl ist anders als eine Bundestagswahl. Aber an diesem Punkt kommen sich beide Sphären zugleich ganz nahe.

In Zeiten sich auflösender Bindungen an Parteien zählen Personen, es kommt auf individuelle Glaubwürdigkeit an, auf den richtigen Ton. In der neuen Regierung im Bund ist niemand, der persönliche Vertrauens- und Glaubwürdigkeit bislang auch nur annähernd verkörpert. Und die Koalition insgesamt schon gar nicht. Das muss sich ändern.

Die AfD: Den Osten gibt's jetzt auch im Westen

Die AfD ist von nun an eine feste Größe auch in vielen nordrhein-westfälischen Kommunen. Sie hat mehrere Stichwahlen erreicht. Auch hier gilt: Dass NRW noch nicht blau ist, sondern nur an manchen Orten bläulich schimmert, ist kein Grund zur Erleichterung. Die Tendenz ist eindeutig und sie zeigt für die AfD konstant nach oben.

Den Osten gibt's jetzt auch im Westen. Was heißt das? Die AfD ist kein Phänomen mehr, das sich einfach mit dem Frust von Wendeverlierern, mit Demokratiedefiziten von Diktaturgeprägten und der Autoritätsgläubigkeit von Russenfreunden erklären lässt. Die Rechtspopulisten sind ein gesamtdeutsches Phänomen, nicht nur im Bundestag und in den Länderparlamenten, sondern in der Fläche. Die AfD geht uns alle an.

Und doch gibt es eine gute Nachricht aus dieser Wahl. Die Beteiligung war für eine Kommunalwahl ordentlich, sie lag mit knapp 57 Prozent deutlich über den rund 52 Prozent von 2020. Die Bürgerinnen und Bürger lassen sich für Politik mobilisieren. 

Sie wissen auch, dass es inzwischen auch bei einer Kommunalwahl um mehr geht als den Kindergartenanbau oder die Umgehungsstraße. Es geht inzwischen auch um die Wahl an sich, als Ausdruck funktionierender und wertgeschätzter Demokratie. Das ist eine Art Vertrauensvorschuss, den Politik als Ganzes nicht verdaddeln darf. Und die Bundesregierung ist da an erster Stelle gefordert.

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