"Keine Abkehr erkennbar": Höchststrafe für Solingen-Täter
Erleichterung über die Höchststrafe, aber Wut auf das Verhalten des Attentäters: Dass er während der Urteilsverkündung immer wieder gelächelt habe, mache sie wütend, sagt die Überlebende Lea Varoquier (26) aus Solingen. Tatsächlich hatte Issa al Hasan sogar mit nach oben gerecktem Daumen den Saal betreten.
Das Düsseldorfer Oberlandesgericht verhängte für den islamistischen Terroranschlag von Solingen die Höchststrafe. Es sprach den 27-jährigen Issa al Hasan wegen Mordes an drei Menschen, Mordversuchen an zehn Menschen und als Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat schuldig.
Die Richter verurteilten den Syrer zu lebenslanger Haft, stellten die besondere Schwere seiner Schuld fest und ordneten die anschließende Sicherungsverwahrung an.
Damit entsprach das Gericht der Forderung der Bundesanwaltschaft und sämtlicher Nebenklägeranwälte. Die Verteidiger hatten sich lediglich gegen die Sicherungsverwahrung ausgesprochen und behielten sich Rechtsmittel gegen das Urteil vor.
Zudem sprach das Gericht den Opfern Schmerzensgeldsummen zwischen 30.000 und 120.000 Euro zu, räumte aber ein, dass die Summen wohl nicht realisiert werden könnten.
Richter: Angeklagter hat sich seit 2019 radikalisiert
"Der Angeklagte hat sich seit 2019 massiv islamistisch radikalisiert", sagte Richter Winfried van der Grinten. Auf seinem Tiktok-Profil habe er selbst IS-Propaganda verbreitet. An seinen Internet-Aktivitäten könne man ablesen, wie er sich immer weiter in der islamistischen Ideologie verfing.
Der 27-Jährige habe mehrmals gelogen, attestierte ihm der Richter. Seine Aussage, wonach er das Leid der Menschen in Gaza nicht mehr ertragen habe, sei allenfalls ein Begleitmotiv. Er habe sich mit den Zielen des IS identifiziert.

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So habe er den Anschlag auch als Rache für IS-Kämpfer bezeichnet, die bei einem Rückzugsgefecht getötet wurden. "Ich schwöre, ich werde euch zerstückeln. Ich werde euch in Stücke reißen", habe er in seinen Videos angekündigt. Das Anschlagsziel habe er selbst ausgewählt. Mit dem Anschlag habe der IS erneut sein menschenverachtendes Gesicht gezeigt.
"Massiv belastendes Ereignis" für die ganze Stadt Solingen
Mit einem Tranchiermesser mit 19 Zentimeter Klingenlänge habe er auf seine Opfer eingestochen, bis sich ihm Robert K. In den Weg gestellt und trotz mehrerer Verletzungen Widerstand geleistet habe. Erst da habe der Syrer seine Angriffe gestoppt und sei geflüchtet.
Die Tat sei nicht nur für die unmittelbaren Opfer, sondern für alle Konzertbesucher und die ganze Stadt Solingen ein massiv belastendes Ereignis gewesen, sagte der Richter. So sei ein erfahrener Rettungssanitäter in der Folge ein Jahr arbeitsunfähig gewesen.
Issa al Hasan habe einen Hang zu schwersten Straftaten. Anzeichen für eine innere Abkehr seien nicht zu erkennen. "Es ist ihm aber nicht gelungen, die Menschen in Solingen zu radikalisieren", sagte der Richter. Ein Jahr später hätten sie wieder ein Stadtfest feiert.
Drei Tote, acht Verletzte
Bei der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest waren am 23. August 2024 drei Menschen getötet und acht teilweise lebensgefährlich verletzt worden. Der Syrer hatte von hinten gezielt jeweils auf den Hals von Besuchern des Festes eingestochen. Zwei Menschen hatte er knapp verfehlt. Er wurde einen Tag später gefasst.
Der Anschlag hatte bundesweit eine Debatte über die Flüchtlings- und Asylpolitik ausgelöst. In Nordrhein-Westfalen wurde in der Folge ein Sicherheitspaket mit Dutzenden Maßnahmen beschlossen.
Das Gericht kam nach nur 18 statt der ursprünglich veranschlagten 24 Prozesstage zu seinem Urteil. Ein Psychiater hatte dem Angeklagten einen Intelligenzquotienten von 71 attestiert, aber keinen Grund für eine verminderte Schuldfähigkeit gesehen. Ein IQ von 69 oder niedriger gilt als geistige Behinderung.
Issa al Hasan hatte bereits zu Prozessbeginn gestanden, den Messerangriff begangen zu haben. Der Anschlag von Solingen war der erste in Deutschland seit der Attacke auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016, zu dem sich der IS bekannt hatte.
Beweislage eindeutig
Vor dem Anschlag hatte der abgelehnte Asylbewerber ein Bekennervideo aufgenommen und den Treueschwur auf den IS-Kalifen abgelegt. Dem psychiatrischen Gutachter hatte er sich mit den Worten vorgestellt: "Ich bin Issa, ich habe drei Leute umgebracht. Da bekommt man 80 Jahre. Ich warte auf den Tod."
Seine Tat hatte er zunächst als Rache für die Massaker "der Kreuzzügler" an Muslimen in Bosnien, dem Irak und weiteren Ländern bezeichnet, ein anderes Mal waren es die toten Kinder im Gazastreifen und die Waffenlieferungen Deutschlands an Israel, die ihn zu der Tat getrieben hätten.
Eigentlich habe er ja einen Brandsatz auf die israelische Botschaft in Berlin werfen wollen, aber dann habe er in Solingen die Vorbereitungen zum Stadtfest wahrgenommen.
Hohes Rückfallrisiko
Der Psychiater attestierte dem Angeklagten ein hohes Rückfallrisiko. Zur islamistischen Ideologie komme bei ihm ein Mangel an Empathie und eine Faszination für Gewalt.
Nebenklage-Vertreter Simon Rampp hatte gesagt, der Angeklagte habe friedlich feiernde Besucher des "Festivals der Vielfalt" im Dunkeln und von hinten mit einem Messer angegriffen. "Mehr Heimtücke geht nicht."
"Solche Leute haben auf der Straße nichts zu suchen", sagte ein Nebenklage-Vertreter. Die Höchststrafe sei in diesem Fall "das Mindeste".
Ein Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags prüft derzeit, wieso die Abschiebung von Issa al Hasan ins Erstaufnahmeland Bulgarien scheiterte. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wird weiter versucht, die Hintermänner des Anschlags zu ermitteln.
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