Nach Regierungssturz: Frankreich stehen Monate des Taumelns bevor
Nach dem Sturz der Regierung sucht Frankreich einen neuen Premierminister. Präsident Emmanuel Macron will heute den gescheiterten Premier François Bayrou empfangen, um den Rücktritt von dessen Minderheitsregierung anzunehmen, wie es aus dem Élysée-Palast hieß. Schon in den nächsten Tagen wolle der Staatschef dann einen Nachfolger bestimmen. Weil die politische Krise auch Macron selbst unter Druck setzt und das Land vor einer Streik- und Protestwelle steht, will der Staatschef bei der Entscheidung wohl auf Tempo setzen. Die europäische Presse ordnet die Geschehnisse so ein:
Frankreich im Spannungsfeld
"De Tijd", Belgien:
"Die Bereitschaft zu einer Kraftanstrengung, um das Notwendige zu tun, scheint in Frankreich weitgehend zum Erliegen gekommen zu sein. Eine der ersten Voraussetzungen für eine wirksame Politik ist ein Konsens darüber, was eigentlich das Problem ist. In Paris gibt es diesen Konsens nicht. Der radikal-linke Block teilt nicht einmal die Analyse von Präsident Emmanuel Macron, wonach Frankreich ein gigantisches Finanzproblem hat. Und die radikale Rechte will vor allem Neuwahlen, um selbst mehr Macht zu gewinnen.
Damit befindet sich Frankreich immer mehr im Spannungsfeld zwischen zwei Kräften: den verärgerten Wählern, die nichts abgeben wollen, und den Finanzmärkten, die ihr Vertrauen in die Stabilität der französischen Staatsfinanzen verlieren. In einem demokratischen Land mit einer hohen Staatsverschuldung muss eine Regierung beiden Seiten zuhören."
"Dagens Nyheter", Schweden:
"Frankreichs Präsident ist die treibende Kraft hinter der 'Koalition der Willigen' und der Idee, dass Europa Soldaten bereitstellen muss, um den Frieden in der Ukraine zu sichern. Aber kann er das selbst liefern? Momentan schafft er es nicht einmal, einen Haushalt auf den Weg zu bringen. Und was passiert nach Macron? Das Rassemblement National – fremdenfeindlich, EU-Gegner, früher von Wladimir Putin gesponsert – steht an der Schwelle zur Macht."
"Times", England:
"Präsident Emmanuel Macron hatte die instabile politische Lage in Frankreich durch die Einberufung einer unnötigen Wahl ausgelöst, die zu einer Dreiteilung der Nationalversammlung zwischen der Linken, der Mitte und der extremen Rechten führte. Nun sucht er einen weiteren Politiker, der bereit ist, sich als Premierminister für die Sparpolitik zu opfern. Macron selbst hat nicht vor, dem Aufruf von Marine Le Pen, der Vorsitzenden des populistischen Rassemblement National, nachzukommen und seine zweite fünfjährige Amtszeit, die offiziell bis 2027 dauert, vorzeitig zu beenden. Frankreich stehen weitere Monate der Ungewissheit, des Taumelns und des Regierens durch Improvisation bevor."
"El Mundo", Spanien:
"Die Krise in Frankreich schwächt die EU. Der Rücktritt von Bayrou (...) vertieft die politische Lähmung (...) und verschiebt dringend notwendige Reformen, die den wirtschaftlichen Kollaps einer der treibenden Kräfte Europas verhindern sollen. (...) Er entzieht zudem Emmanuel Macron politischen Sauerstoff: Der Präsident verliert damit bereits den vierten Regierungschef seiner Amtszeit.

Regierungssturz in Frankreich Was die Suche nach einem neuen Premier so schwierig macht
Der Rücktritt zwingt Macron zu zwei Szenarien, um die Quadratur des Kreises in einer zwischen den radikalen Rechten und den radikalen Linken polarisierten Nationalversammlung zu versuchen. Entweder er sucht eine Konsensfigur, die Unterstützung von Konservativen (Les Républicains) und Sozialisten (PS) gewinnen kann, die heute verfeindet sind (...). Oder er setzt auf Neuwahlen, die in einer weiteren Blockade oder mit dem Sieg Marine Le Pens enden könnten.
Die neue Krise bestätigt das strukturelle Problem der französischen Politik, unpopuläre, aber unverzichtbare Einschnitte durchzusetzen – in einem Moment, in dem die Erneuerung Europas fiskalische Disziplin verlangt. Zumal es um eine Verschiebung der Prioritäten geht – darunter höhere Verteidigungsausgaben –, die nicht nur Stabilität, sondern auch die Führungsrolle von Paris erfordert."
"Hospodarske noviny", Tschechien:
"In Paris herrscht eine Krise des politischen Willens. Das französische politische System gründet sich seit fast 70 Jahren darauf, dass eine Partei mit einer Mehrheit herrscht. Eine Tradition der Suche nach Kompromissen fehlt hingegen völlig. Doch die Kräfte sind seit der Parlamentswahl im vorigen Jahr so verteilt, dass keine der Parteien über eine Mehrheit verfügt. (...) Es gibt daher nur zwei Alternativen: eine Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg oder Chaos. Vorerst herrscht letzteres vor. (...)
Dabei bleibt – falls kein Wunder geschieht – kein anderer Weg übrig als der eines verantwortungsvolleren staatlichen Wirtschaftens. Dass die Wirtschaft in Frankreich nur schwach wächst und der Staat mit einem hohen Defizit rechnet, mag ein paar Jahre gutgehen, aber nachhaltig ist es nicht. Wird Frankreich einen Politiker finden, der nicht nur die richtige Diagnose vorlegt, so wie es François Bayrou getan hat, sondern es auch schafft, sich damit durchzusetzen?"
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