Der Fall hat für Aufsehen gesorgt: Nachdem maskierte Agenten der US-Einwanderungsbehörde ICE Schulen, Bauernhöfe und kleine Geschäfte gestürmt haben, um mutmaßlich illegale Migranten festzunehmen, ist einem Aktivisten gelungen, die Identität der Beamten offenzulegen. Mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) konnte er sie trotz der Masken identifizieren.

Der Einsatz von KI im Kampf gegen Donald Trumps Migrationspolitik gibt den Gegnern des Präsidenten ein neues Mittel – in einer Zeit, in der die Durchsetzung der Einwanderungsgesetze immer aggressiver wird.

Im Zentrum dieses Falls steht der in den Niederlanden ansässige Pro-Einwanderungsaktivist Dominick Skinner. Er schätzt, dass er und andere Freiwillige mindestens 20 ICE-Beamte identifiziert haben, die bei Verhaftungen maskiert gefilmt wurden. Gegenüber „Politico“ erklärte er, seine Experten könnten „mit KI ein Gesicht erkennen, wenn 35 Prozent oder mehr des Gesichts sichtbar sind“.

ICE betont, dass Beamte Masken tragen müssen, um nicht aufgrund ihrer Arbeit schikaniert zu werden. Kritiker sehen darin jedoch ein Symbol staatlicher Gewalt. Maskierung und Gegenkampagnen zur Enttarnung haben bereits eine Flut von Gesetzesentwürfen im Kapitol ausgelöst.

„ICE-Beamte verdienen es nicht, von Aktivisten mithilfe von KI online gejagt zu werden“, sagte der republikanische Senator James Lankford. Demokraten drängen dagegen auf Vorschriften, welche die Identifizierung von Beamten erleichtern sollen.

Skinners KI-gestütztes Projekt ist Teil der Online-Kampagne „ICE List“, die bislang die Namen von mehr als 100 ICE-Agenten veröffentlicht hat. Es ist eine von mehreren Anti-ICE-Initiativen, die Aufmerksamkeit in den Medien und beim Heimatschutzministerium erregt haben.

ICE kommentierte die Richtigkeit der Identifizierungen nicht. Behörden-Sprecherin Tanya Roman erklärte, die Masken „dienen der Sicherheit, nicht der Geheimhaltung“, und Listen wie diese gefährdeten das Leben der Beamten.

„Diese Aktivisten sind genau der Grund, warum die mutigen Männer und Frauen von ICE sich überhaupt dafür entscheiden, Masken zu tragen – und warum sie und ihre Familien zunehmend zur Zielscheibe von Angriffen werden“, sagte Roman.

Als Reaktion legte die republikanische Senatorin Marsha Blackburn einen Gesetzentwurf vor, der es illegal machen würde, den Namen eines Bundesbeamten zu veröffentlichen.

Blackburn erklärte in einer E-Mail an „Politico“, dass Skinners Projekt die Notwendigkeit ihres Gesetzentwurfs verdeutliche. Sie sagte: „Diejenigen, die sich gegen die Rechtsstaatlichkeit stellen, setzen generative KI als Waffe gegen ICE-Beamte ein.“ Zudem warnte sie, dies könne Beamte der Gefahr durch kriminelle Banden wie MS-13 aussetzen.

Ihre Position verdeutlicht die politischen Widersprüche: Blackburn hatte selbst Bedenken gegenüber staatlicher Gesichtserkennung geäußert, die Technologie infrage gestellt und Chinas Überwachungspraktiken kritisiert. Ein Sprecher erklärte, sie sei gegen den Einsatz durch die Öffentlichkeit, unterstütze ihn aber durch die Polizei.

Washington kann nichts dagegen tun

Nach geltendem US-Recht ist Skinners Projekt legal. Es verdeutlicht die Folgen der jahrelangen Untätigkeit des Kongresses bei Überwachungs- und Datenschutzgesetzen.

Das von ihm genutzte Tool erstellt aus Screenshots der Videos von Zugriffen der Beamten eine Schätzung, wie sie ohne Maske aussehen könnten. Skinner leitet diese Bilder an Freiwillige weiter, die sie in Bilder-Suchmaschinen wie PimEyes hochladen. PimEyes durchforstet Millionen Fotos und findet oft Social-Media-Profile. Auf Anfragen reagierte das Unternehmen nicht.

Die Methode ist nicht neu. Schon US-Polizeibehörden haben digital veränderte Bilder für Gesichtserkennung genutzt. Eine Studie des Georgetown Law Center on Privacy and Technology aus dem Jahr 2019 zeigte, dass auch Künstlerzeichnungen als Grundlage verwendet wurden.

Datenschutzexperten sehen Risiken. „Unabhängig davon, wie man sie einsetzt, ist es eine eher unzuverlässige Anwendung der Technologie, wenn man nicht das Gesicht, sondern ein künstliches Bild scannt“, sagte Jake Laperruque vom Center for Democracy and Technology.

Skinner räumte Fehler ein – rund 60 Prozent der Ergebnisse führten zu falschen Übereinstimmungen. Freiwillige überprüften die Resultate, bevor Namen veröffentlicht würden.

Auf die Frage nach Risiken für ICE-Beamte entgegnete Skinner, er glaube nicht an Gefährdungen, da keine Adressen oder Kontakte veröffentlicht würden. Zwar genüge ein Name, um persönliche Daten zu finden, doch er lehne Doxing ab: „Ich glaube nicht an öffentliche Gerechtigkeit, aber ich glaube an öffentliche Bloßstellung und öffentliche Rechenschaftspflicht.“ Beim Doxing (dox; englische Kurzform für Dokumente) werden mithilfe des Internets personenbezogene Daten herausgesucht und dann veröffentlicht.

Während Demokraten ein Maskenverbot und Republikaner Strafen für Doxing fordern, hat kein Gesetz an Dynamik gewonnen, das die Nutzung von Gesichtserkennung einschränken oder den Verkauf persönlicher Daten unterbinden würde.

Dieser Text erschien zuerst in der WELT-Partnerpublikation „Politico“. Übersetzt und redaktionell bearbeitet von Gregor Schwung.

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