Eine schwangere Ministerin? Das sollte endlich normal sein
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"Mein Partner und ich sind überglücklich", verkündet Verena Hubertz auf dem sozialen Netzwerk X. Denn: Die Bauministerin ist schwanger und erwartet im Januar ihr erstes Kind. Eigentlich ein Grund zur Freude, schließlich gratuliert man werdenden Eltern in der Regel. Die SPD-Politikerin aber sieht sich Kritik, Anfeindungen und Häme ausgesetzt, wie sie selbst auf LinkedIn teilt. "Das arme Kind" werde wohl "nicht so viel von seiner Mutter mitbekommen", sind noch die harmloseren Kommentare. Hier zeigt sich das altbekannte Vorurteil gegenüber berufstätigen Müttern. Dabei sollte das längst Normalität sein – auch bei Politikerinnen in höchsten Ämtern.

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Hubertz erklärte, sie werde von Dezember bis März im Mutterschutz sein, ihr Partner werde anschließend die Elternzeit übernehmen. Das ist sinnvoll, denn Ministerinnen und Minister haben in Deutschland im Vergleich zu anderen Arbeitnehmerinnen keinen Anspruch auf Elternzeit – wohl aber auf Elternschaft.
Wie gut das anderswo funktionieren kann, bewies Jacinda Ardern, die während ihrer Amtszeit als Ministerpräsidentin Neuseelands im Juni 2018 Mutter wurde und sechs Wochen später zurückkehrte.
Mutterschaft und Politik schließen sich nicht aus
Im Vergleich zu Hubertz war die Resonanz auf Arderns Schwangerschaft überwiegend positiv, national wie international. Die damals 37-Jährige (so alt ist Hubertz jetzt) wurde für ihren Mut und ihr modernes Führungsverständnis gelobt. Eine Umfrage einer neuseeländischen Nachrichtenagentur zeigte, dass ein Drittel der Neuseeländer glaubten, die Schwangerschaft werde Arderns Regierungsarbeit sogar positiv beeinflussen. 40 Prozent sahen keinen Einfluss, nur 20 Prozent befürchteten negative Folgen. Von Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt regnete es Glückwünsche.
Auch in Arderns Fall gab es vereinzelt kritische Stimmen, doch die positiven überwiegen. Ardern meisterte ihre Aufgaben so souverän, dass ihre Politik auch in Europa wahrgenommen wurde. Für viele Frauen wurde sie zudem zum Vorbild für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Hubertz wird hingegen von Anfang an infrage gestellt. Neben der Vereinbarkeit von Mutterrolle und Beruf zweifeln manche direkt ihre politischen Fähigkeiten an. Dabei ist sie nicht die erste Bundesministerin, die während der Amtszeit Mutter wird – Kristina Schröder tat das bereits 2011 als damalige Familienministerin. Hubertz selbst nennt Manuela Schwesig und Andrea Nahles als Vorbilder. Die beiden hätten das in hohen politischen Ämtern "auch hinbekommen".

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Vater und Minister? Kein Problem
Doch warum ist das überhaupt noch ein Thema? Hubertz sollte sich nicht rechtfertigen müssen – weder für ihre Schwangerschaft während der Amtszeit noch für die Zeit, die sie als berufstätige Mutter mit ihrem Kind verbringt. Auch Annalena Baerbock musste sich in ihrer Amtszeit als Außenministerin viel Kritik anhören, weil sie als Mutter von zwei Kindern dieses Amt ausübte. Sigmar Gabriel, der 2017 während seiner Zeit als Außenminister Vater wurde, bekam dagegen Glückwünsche – von Häme keine Spur.
Überhaupt ist nur wenig bekannt, welche männlichen Ministerkollegen während ihrer Amtszeit Vater wurden. Nicht, weil es sie nicht gab, sondern weil es niemanden interessiert und dementsprechend schlecht dokumentiert ist. Niemand fragt, wie sich die Vaterschaft auf die Arbeit eines Ministers auswirkt oder wie das Kind ohne den Vater zurechtkommt. Auch bei Frauen sollte das längst kein Thema mehr sein.
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