Deutsche Soldaten in der Ukraine – war da was?
Es gibt nicht viel mehr als einen Halbsatz des Bundeskanzlers. Friedrich Merz sagte, man werde für einen Frieden in der Ukraine über Sicherheitsgarantien sprechen – bis hin zur Frage "mandatspflichtiger Beschlüsse". Der sperrige Begriff ist das Synonym für eine Beteiligung der Bundeswehr, weil dieser das Parlament zustimmen müsste.
Seither gibt’s kein Halten mehr. Deutsche Soldaten in die Ukraine – wie viele? Welche Waffen? Was kostet das? Kann die Bundeswehr das leisten? Hätte die Koalition eine Mehrheit? Noch ist jedes Szenario wegen Putins Lustlosigkeit zu Verhandlungen hypothetisch. Aber seit in Deutschland in den 90er‑Jahren mit Auslandseinsätzen eine "Enttabuisierung des Militärischen" (Gerhard Schröder) begann, entwickelt die Möglichkeit eines Engagements der Bundeswehr einen Kitzel im politisch-publizistischen Komplex.
Die Bundeswehr käme in friedlicher Absicht
Dabei ist erstaunlich, dass die Debatte kaum unter dem historischen Gesichtspunkt geführt wird. Nur jene, die sowieso dagegen wären, erinnern auch an den Zweiten Weltkrieg, an die Verheerungen, die Wehrmacht, SS und andere in der Sowjetunion angerichtet haben, auch und besonders in der Ukraine. Um es gleich zu sagen: Ich finde, dass die Vergangenheit die Beteiligung an einer Friedenstruppe nicht ausschließt. Aber die Mahnung, die Geschichte zu bedenken, ist nicht falsch, nur weil sie von Ralf Stegner oder Sahra Wagenknecht kommt.

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Im Oktober 2021 begleitete ich Frank-Walter Steinmeier in den ostukrainischen Ort Korjukiwka. Der Bundespräsident traf dort Halyna Popowa, geboren 1937. Frau Popowa erzählte, wie sie sich 1943 mit der Mutter und den Geschwistern – der Vater war schon in deutscher Kriegsgefangenschaft gestorben – unter Kartoffeln im Keller eines Nachbarn versteckte, als die Deutschen aus Rache für einen Partisanenangriff ein Massaker mit mehreren Tausend Toten anrichteten.
Korjukiwka steht für die größte sogenannte Strafaktion, die deutsche Einheiten an der nicht-jüdischen Zivilbevölkerung eines überfallenen Staates begingen. Frau Popowas Großeltern starben. Sie überlebte. "Und jeden Tag denke ich daran, was damals passiert ist", erzählte sie Steinmeier. Selbst wenn Staat und Gesellschaft deutsche Soldaten heute begrüßen würden – und sei es "nur" aus Angst vor den russischen –, sollte man sich solcher individuellen Traumata bewusst sein.
Grundsätzlich ist es bemerkenswert, wie sich die Debatten um Auslandseinsätze allmählich von der deutschen Geschichte lösen. Beim Krieg im Kosovo 1999 lieferte die NS-Vergangenheit noch Gegnern ("Nie wieder Krieg unter deutscher Beteiligung") wie Befürwortern ("Nie wieder Auschwitz") starke Argumente. Als eine große Koalition 2006 die Marine zur Absicherung der libanesischen Küste entsandte, stimmte die FDP mit dem Argument dagegen, Deutschland könne im Falle eines Konfliktes mit israelischer Beteiligung nicht unparteiisch sein. Und heute?

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Natürlich kann man mit Blick auf die Ukraine eine völlig andere Situation geltend machen. Allein das Argument, die Bundeswehr käme im Gegensatz zur Wehrmacht damals in friedlicher Absicht, reicht aber nicht aus. Es scheint mir vielmehr Ausdruck einer gewissen Bequemlichkeit zu sein, der es schlicht zu anstrengend ist, sich mit der historischen Zäsur auseinanderzusetzen, die deutsche Soldaten auf ukrainischem Boden 80 Jahre nach Kriegsende bedeuteten.
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