Nach dem Treffen zwischen Putin und Trump hat sich bei unserem Autor ein neues Gefühl eingestellt: Mitleid. Ist das ungehörig? Vermutlich. Aber es hilft, Trump zu verstehen. 
 

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich will nichts mehr fühlen, wenn ich Donald Trump sehe. Ich habe so viel gefühlt in all den Jahren, in denen er wie kein Politiker vor ihm (und hoffentlich keiner nach ihm) in unser Bewusstsein getrampelt ist. Fast immer waren es starke Gefühle, immer negative: Wut, Zorn, Empörung, Trauer, Ohnmacht. 

Und doch, so sehr ich mich abzustumpfen versuchte, hat sich ein neues Gefühl eingestellt, als ich Trump am vergangenen Freitag in Alaska sah, auf diesem albernen roten Teppich, den er für Wladimir Putin ausgerollt hatte, einen per internationalem Haftbefehl gesuchten Kriegsverbrecher; als ich sah, wie er ihn anbiedernd "Wladimir" nannte und dessen Land (ein in der wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit versunkener Mafia-Staat, nur leider mit Nuklearwaffen) zur globalen Nummer 2 erhob. Der US-Präsident heischte so sehr nach Anerkennung durch den russischen Herrscher, dass ein neues Gefühl auftauchte, es hieß: Mitleid. Ja, Donald Trump tat mir leid. 

Treffen im Weißen Haus Sieben für Selenskyj: Der nächste historische Gipfel?

Wir könnten nun analysieren, ob Trump und Putin einen geheimen Plan ausgeheckt haben, ob der Amerikaner das Problem Ukraine einfach loswerden mag. Aber darum ging es mir bei diesem Anblick erst mal nicht. Zu sehen war ein Mann, der alles bekommen hat, wovon vielleicht nicht einmal er selbst geträumt hat: Mächtigster Mensch der Welt zu sein, der in einem Auto namens "Beast" fahren, in einem Flugzeug namens Air Force One fliegen darf. Und doch wartete auf diesem roten Teppich eigentlich immer noch der peinlich-windige Immobilienmakler aus Queens, der es erst in Manhattan schaffen wollte, dann in Washington, und dann? 

Donald Trump, ein Tyrann

Was Trump noch will? Klar, den Friedensnobelpreis, der ihm aus seiner Sicht zusteht, schon weil ihn Barack Obama einst bekommen hat. Vor allem möchte er offenbar akzeptiert werden von jenem Mann, der noch skrupelloser sein darf als er, ein echter Diktator eben, während Trump bislang nur davon fabulierte, er könne auf der Fifth Avenue einen Menschen erschießen, und es sei egal. 

Ischingers Welt "Sicherheitsgarantien, die nur auf Papier stehen, sind nichts wert"

Vielleicht schwante ihm auf dem Teppich, dass er weder den Nobelpreis noch die Anerkennung durch Putin bekommen wird, weil er schlicht keine Trumpfkarten hat, wie ihm Anne Applebaum, die kluge Chronistin der USA-Russland-Beziehung, im "Atlantic" schrieb: "Trump sagt, dass er den Krieg in der Ukraine beenden wolle, und manchmal auch, dass er wütend sei, dass Putin dies nicht tue. Aber wenn die USA nicht bereit sind, wirtschaftlichen, militärischen oder politischen Werkzeuge bereitzustellen, um der Ukraine zu helfen, wenn Trump keinen diplomatischen Druck auf Putin ausüben oder neue Sanktionen verhängen wird, kann der fromme Wunsch des Präsidenten, als Friedensstifter gesehen zu werden, einfach ignoriert werden." 

Trump ist ein Tyrann, das wissen wir. Außer wenn er einen echten Tyrannen trifft, dann ist er unterwürfig. Ist es ungehörig, Mitleid zu haben mit so einem Menschen? Vermutlich. Aber vielleicht erklärt diese gefühlige Deutung das Phänomen Trump besser als jede noch so nüchterne Analyse. 

  • Donald Trump
  • Wladimir Putin
  • Friedrich Merz
  • USA
  • Russland
  • Europa

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke