Der Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger glaubt nicht an eine Stationierung deutscher Soldaten in der Ukraine nach einem möglichen Waffenstillstand. „Ich halte das für eine gewisse Geisterdebatte, die sich vor allen Dingen bei uns in Deutschland abspielt“, sagte der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz im Interview mit WELT TV. Er erwarte nicht, dass die Präsenz von Nato-Truppen in der Ukraine für Russland infrage komme.

Ischinger fügte hinzu: „Ich glaube, wir sollten uns auf ein völlig anderes Thema konzentrieren, nämlich auf die sogenannte Stachelschwein-Strategie.“ Diese bestehe darin, die Ukraine so auszustatten, dass sie sich wie ein Stachelschwein gegen alle künftigen Angriffe effektiv verteidigen könne. „Das scheint mir die erstrebenswertere und möglicherweise auch realistischere Version zu sein als diese Diskussion über die Stationierung europäischer Nato-Truppen.“

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Hintergrund der Debatte sind Berichte, wonach sich der russische Präsident Wladimir Putin bereiterklärt haben soll, nach einem Friedensschluss westliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu akzeptieren. Putin hatte sich am Freitag mit US-Präsident Donald Trump getroffen. An diesem Montag soll ein weiterer Ukraine-Gipfel stattfinden, im Weißen Haus wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet.

Mehrere europäische Staats- und Regierungschefs hatten am Sonntag angekündigt, Selenskyj zu begleiten – darunter Bundeskanzler Friedrich Merz und der französische Präsident Emmanuel Macron. Ischinger begrüßte die Initiative. Es sei zu befürchten, dass Trump „erhebliche Konzessionen“ von Selenskyj erwarte. „Die europäischen Regierungschefs werden heute die Aufgabe haben zu verhindern, dass genau das passiert“, sagte Ischinger.

Er verwies auf das Treffen zwischen Trump und Putin am vergangenen Freitag in Alaska. Trump habe dem russischen Präsidenten dort offenbar „keine einzige wirklich wesentliche Konzession“ abgerungen, so Ischinger. Deshalb sei zu befürchten, dass er sich nun „umdreht“ und „erhebliche Opfer“ von Selenskyj verlangen werde, um einem Deal im Ukraine-Krieg näherzukommen.

Vor diesem Hintergrund sei es „sehr erfreulich“, dass führende Politiker nach Washington reisen, um „Selenskyj die Stange zu halten“. Ischinger erinnerte an das letzte Treffen zwischen Trump und Selenskyj im Februar, bei dem es vor laufenden Kameras zum Streit im Oval Office gekommen war. Beobachter hatten von einer Demütigung des ukrainischen Präsidenten gesprochen. Eine solche Täter-Opfer-Umkehr dürfe nicht erneut stattfinden, betonte Ischinger.

Offenbar habe die US-Regierung verstanden, dass eine Lösung ganz ohne die Europäer „eben doch nicht geht“. „Irgendeiner müsste sich ja – wenn es zu einem Waffenstillstand oder zu einer Friedensregelung kommen würde – um die Umsetzung, die Kontrolle, die Verifizierung, das Management der künftigen Waffenstillstands- und Friedenslösung kümmern.“ Dafür seien „am Schluss wir Europäer“ zuständig. „Und das hat man in Washington jetzt auch kapiert.“

Trotzdem dämpfte Ischinger die Erwartungen an das Treffen an diesem Montag. „Wir sollten hier keine Wunder erwarten. Es ist gut, dass der Versuch westlicher Koordinierung stattfindet. Hoffentlich geht er in die richtige Richtung. Hoffentlich wird die Ukraine gestärkt. Und hoffentlich kommt in Moskau – das ist der entscheidende Punkt – die Message an: Moskau muss nachgeben.“

Ischinger forderte weiteren Druck auf den Kreml: „Ich habe bisher noch nicht einen einzigen Satz, noch nicht eine einzige Ankündigung aus Moskau gehört, die mir das Gefühl oder gar die Sicherheit vermittelt, dass Moskau bereit ist, diesen Krieg jetzt unter den gegenwärtigen Umständen zu beenden.“ Das müsse sich ändern, „und das wird nur durch westliche Geschlossenheit und fortgesetzten Druck, nicht auf Selenskyj, sondern auf Putin, möglich sein“, so der frühere Diplomat.

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