Donald Trump ist ein Selbstdarsteller. Wird das der Ukraine zum Verhängnis? Was die Inszenierungssucht des US-Präsidenten für die Verhandlungen mit Putin bedeutet.

Es gibt Momente, da ist Donald Trump bloß ein alter Mann, der sich erinnert. 

"Schau mal, hier ist der König. Das ist Charles mit seiner Wache. Und das ist die Königin, Königin Elizabeth", sagt der alte Mann und tippt auf das ganzseitige Foto. Der jüngere Mann im Sitz neben ihm schaut angemessen beeindruckt. Wie man das eben so tut, wenn Großvater erzählt. "Wer hat schon solche Bilder?", fragt der Alte, ohne eine Antwort zu wollen. Natürlich niemand. Denn niemand ist wie er. 

Die mit Melancholie-triggernden, transzendenten Klängen untermalte Szene aus der von Rechtsaußen-Influencer Tucker Carlson produzierten Doku "Die Kunst des Aufschwungs" ist, es lässt sich kaum leugnen: rührend. Sie zeigt aber auch, worauf es Donald Trump wirklich ankommt: auf die Bilder. Darauf, dass andere ihn sehen, wie er sich sieht.  

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Ein paar Monate später ist der alte Mann Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wieder. Und wieder ist er auf der Jagd nach Erinnerungen, nach Bildern, die bleiben. Und noch ein paar Monate später, an diesem Freitag, könnte er, der die Form so viel mehr liebt als den Inhalt, über das Schicksal eines Volkes entscheiden, das nicht seines ist. 

Gerät das wichtigste Politevent dieses Sommers, der Ukrainegipfel mit Invasor Wladimir Putin, zum bloßen Fototermin?

Donald Trump, das ist Wirkung und Ursache

Schon vor fast einem halben Jahrhundert inszenierte sich Donald Trump als der Weltenlenker, der er erst noch werden sollte. Auf einem Foto von 1980 etwa sitzt er im marineblauen Maßanzug im Gerippe des gerade entstehenden Trump Tower. Die markante Kammfrisur perfekt drapiert unter einem garantiert jungfräulichen, auf Hochglanz polierten Sicherheitshelm, der Blick gen Himmel – eine Einladung für jede noch so abgegriffene Metapher. 

Auf einem anderen, drei Jahre später für das Magazin "Manhattan Inc" aufgenommenen Bild, hält er behutsam eine weiße Taube in Händen. Sein Ausdruck, vermutlich seine Interpretation purer Unschuld, fast schon lasziv. Im dazugehörigen Artikel träumt er von seiner Rolle als Friedensbringer im Nahen Osten.

Es gibt Dutzende solcher Bilder, viele irgendwie absurd, alle irgendwie übergroß. Lauter Stillleben des Erfolgs: Wie Trump eine Million Dollar in bar an sich presst, wie er den Golfschläger in seinem Büro schwingt, wie er im Wrestlingring den starken Mann gibt, wie er inmitten von Schönheitsköniginnen bleachweiß grinst. Fett auftragen, fett kassieren. 

Das Reich, das er von seinem Vater übernahm, ruhte auf Beton. Das Imperium, zu dem er es ausbaute, auf seinem Image. Wirkung und Ursache, so das Erfolgsrezept. Es gab und gibt Dutzende Unternehmer, die ihn übertreffen, an Intelligenz, an Geld, an Einfluss. Aber kein Name steht so sehr für Erfolg. Donald J. Trump, das ist kein Mann, das ist eine Marke. Und eine Marke, die muss beworben werden.

Der Poser-Präsident

Auf der Plattform Flickr, auf der die offiziellen Fotografen des Weißen Hauses ihr Material veröffentlichen, kamen in vier Jahren Joe Biden 10.000, in acht Jahren Barack Obama nicht einmal 7000 Bilder zusammen. Trumps Cheffotograf Daniel Torok und seine Kollegen haben mehr als 5600 Bilder hochgeladen – seit Januar.  "Es ist, als würde man sich das Set einer Reality-TV-Show mit Donald Trump in der Hauptrolle ansehen", schreibt Pete Souza, Toroks Vorgänger während der Präsidentschaft von Ronald Reagan und später unter Barack Obama, in einem Artikel für das Magazin "Vanity Fair". Souza findet, es sei auffällig, dass es auf den Aufnahmen immer um Trump gehe. Selbst, wenn er versehrte Kriegsveteranen ehrt, steht er auf den Bildern im Mittelpunkt. "Es geht um ihn, nicht um sie."

Ja, Trump lässt sich gerne von Profis inszenieren. Regie führt er aber am Ende immer selbst. Da ist dieser Videoschnipsel, der so viel über ihn sagt. Darin verliert sich Trump in Vorbereitung eines Interviews über die exakte Positionierung eines Glases Wasser:

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Während die Szene wahlweise liebenswert schrullig und/oder detailverliebt wirkt, zeigt Trump in anderen Mitschnitten unverhohlen seine Geltungssucht, seinen Drang, unbedingt und immer in der ersten Reihe stehen zu müssen: buchstäblich:

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Wer an Trumps Meisterschaft Zweifel hatte, hat sie spätestens am 13. Juli 2024 verloren. Sekunden, nachdem ein Schütze ihn während eines Wahlkampfauftritts am rechten Ohr getroffen hat, reckt er die rechte Faust empor, seine Lippen formen erkennbar die Worte "Kämpft! Kämpft! Kämpft!" Ein Geniestreich. Wer Augenblicke, nachdem er fast erschossen wurde, an Außenwirkung denkt, tut es aus Reflex, kann gar nicht anders. Er bedient eine Sucht, bei sich selbst – und beim Publikum. 

Was auch passiert: Für Trump ist das Putin-Treffen schon ein Erfolg

Es war dieses unnachahmliche Gespür, das Trump 2017 ins Weiße Haus brachte. Und dank dem ihm trotz zweier Amtsenthebungsverfahren, 34 Schuldsprüchen und fast 30.000 nachgewiesener Lügen im November 2024 das vermutlich beeindruckendste Comeback der amerikanischen Politikgeschichte gelang. 

Trump, der Reality-TV-Star, lebt vom und für den großen Auftritt. Wie im Sommer 2019, als er bei einem Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un in der Demilitarisierten Zone zum Süden kurzerhand die Grenzlinie überschritt und ein paar historische Schritte in den Norden tat. Geändert hat sich danach absolut nichts. Korea ist immer noch geteilt, Kim droht weiter mit dem roten Knopf. Aber die Bilder, die bleiben.

Ein Bild fürs Familienalbum – und für die Geschichtsbücher: Donald Trump und Kim Jong-un im Sommer 2019 an der koreanisch-koreanischen Grenze © Uncredited / Picture Alliance

Kein Einzelfall. Da wären das wenig nachhaltige Abraham-Abkommen zwischen Israel und den arabischen Staaten, das letztlich recht belanglose Handelsabkommen zur Beendigung des Handelskrieges mit China oder die fälschlicherweise als Friedensabkommen verkaufte Absichtserklärung zwischen Armenien und Aserbaidschan vergangene Woche. Große Gesten, kleine Wirkung.

Trumps Zwang, seine Selbstwahrnehmung nach außen zu tragen, macht ihn ironischerweise genügsam. Das gilt auch für den Gipfel am Freitag. Dass das Treffen mit dem Kremlchef überhaupt stattfindet, dass Putin zu ihm kommt, reicht aus. Schließlich zahlt das auf die Marke ein, alles andere ist Zugabe. Das weiß Putin. Er kennt Trump, weil er meint, Männer wie Trump zu kennen. Moskau ist voll von ihnen. Wäre der Kremlchef wirklich an einem Deal interessiert, hätte er die europäischen Spitzen, mindestens aber die Ukraine mit an den Tisch gebeten. 

Nein, Putin will sich in erster Linie Zeit kaufen. Und die wird er bekommen, solange er Trump seinen Herzenswunsch erfüllt: das perfekte Foto fürs Album. 

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