Ein Rückzug, der nur Verlierer kennt. Fast. Die Lage am Morgen
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!
Es war ein wochenlanger Kampf – geprägt von Vorwürfen, Anfeindungen und Verteidigungsversuchen. Ein Streit, der der jungen schwarz-roten Koalition erheblich zusetzte. Die Debatte um Frauke Brosius-Gersdorfs Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht spaltete die Regierung. Ihre gescheiterte Wahl zog weite Kreise. Nun hat die Rechtswissenschaftlerin ihren Rückzug erklärt. Gelutscht ist der Drops damit aber noch lange nicht.
Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf: Viel Schaden, viele Verlierer
Die Union hatte ihre Zustimmung zur zuvor vereinbarten Wahl Brosius-Gersdorfs verweigert. Sie begründete dies mit Plagiatsvorwürfen und ihrer Haltung zu Abtreibung und Kopftuchverbot.
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sieht trotz des Konflikts eine tragfähige Basis mit dem Koalitionspartner Union. "Ich bin überzeugt, dass wir diese Haltung, trotz aller Reibung, in der Substanz weiterhin mit unserem Koalitionspartner teilen", schrieb Miersch am Donnerstag an die Abgeordneten seiner Fraktion. Dennoch kritisierte er: "Dass sich zentrale Teile der CDU/CSU-Fraktion am Ende davon distanziert haben, erschüttert nicht nur Vertrauen, sondern stellt das Fundament infrage, auf dem demokratische Zusammenarbeit überhaupt möglich ist." Er sei sich sicher: "Wer auf diese Art agiert, bekommt vielleicht kurzfristig seinen Willen, langfristig lähmt er damit aber das Parlament und verspielt Vertrauen in die Demokratie."

Fried – Blick aus Berlin Das war's leider für Frauke Brosius-Gersdorf
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig fordert Konsequenzen. "Mir ist wichtig: Wir brauchen mehr Sorgfalt und Objektivität in unseren Debatten", sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. "Kampagnen" dürften nicht dazu führen, dass man talentierte und qualifizierte Bewerber – und vor allem Bewerberinnen – verliere. "Das ist eine Entwicklung, die wir uns schlichtweg nicht leisten dürfen und die weder im Interesse unseres Rechtsstaats noch des Bundesverfassungsgerichts ist."

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Und wie geht's nun weiter? Zunächst mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Nicht nur die SPD übt Kritik. Auch Grüne und Linke attackieren die Union und ihren Fraktionschef Jens Spahn. Sie fordern, dass die beiden verbliebenen Kandidaten – Bundesarbeitsrichter Günter Spinner und Staatsrechtlerin Ann-Katrin Kaufhold – eine Mehrheit im Bundestag erhalten und nicht ausgetauscht werden. Spahn selbst will "mit der nötigen Ruhe und Sorgfalt eine gemeinsame Lösung mit unserem Koalitionspartner finden".
Der Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf hat der Regierung geschadet – auch wenn er Schwarz-Rot vor noch größerem Schaden bewahrt haben dürfte. Vertrauen innerhalb der Koalition ist verloren gegangen. Immerhin blieb das Bundesverfassungsgericht verschont. Doch gelitten hat vor allem unsere Debattenkultur. Der Fall Brosius-Gersdorf hat gezeigt: Die Immunität gegen Desinformation und Populismus schwindet – selbst in den Reihen des Bundestages – und der Fokus auf Kompetenz und Qualifikation weicht zunehmend ideologischen Grabenkämpfen.
Abtreibungen auch in einem katholischen Krankenhaus?
Wir bleiben bei einem Thema, das im Kultur- und Ideologiekampf oft hitzig diskutiert wird: Schwangerschaftsabbrüche. In Deutschland verläuft die Debatte zwar weniger erbittert als in den USA, doch auch hier sorgt der Paragraf 218 für Streit. Eine besondere Rolle spielt dabei die katholische Kirche – und um sie geht es in einem Fall, der ab heute vor dem Arbeitsgericht Hamm verhandelt wird.
Im Mittelpunkt der Klage steht ein katholischer Klinikträger in Lippstadt, der einem langjährigen Chefarzt Schwangerschaftsabbrüche untersagt. Dieses Verbot erteilte der Träger nach einer Klinikfusion in Lippstadt.

Christliche Klinik Chefarzt über Abtreibungsverbot: "Das ist Quälerei der Schwangeren!"
Der Kläger Joachim Volz hatte in seiner Zeit am Evangelischen Krankenhaus Lippstadt mit seinem Team in Einzelfällen medizinisch notwendige Abbrüche durchgeführt. Der neue katholische Träger verbot ihm dies nun per Dienstanweisung – selbst bei schweren Fehlbildungen des Fötus.
Seit Februar erlaubt das "Klinikum Lippstadt – Christliches Krankenhaus" Abbrüche nur noch, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Das Verbot gilt auch für die Privatpraxis des Gynäkologen in Bielefeld.
Volz kritisiert, die Anweisung missachte das ärztliche Urteil, den Willen der Patientin und das Gesetz. In dem aufsehenerregenden Fall wird noch am selben Tag ein Urteil erwartet. Kurz vor der Verhandlung ist eine Demonstration mit dem Titel "Stoppt das katholische Abtreibungsverbot" geplant, an der auch der Chefarzt teilnehmen will.
Israel beschließt Ausweitung der Kämpfe in Gaza
Rund 22 Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs hat sich Israels Führung für eine weitere Verschärfung der Kämpfe in dem Küstenstreifen entschieden. Das israelische Sicherheitskabinett stimmte einem Plan zur Einnahme der Stadt Gaza zu, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am frühen Morgen mitteilte. Das Gremium billigte nach stundenlangen Beratungen einen entsprechenden Militäreinsatz. Mehr dazu lesen Sie hier:

Krieg in Nahost Israel beschließt Ausweitung der Kämpfe – will Stadt Gaza einnehmen
Und sonst? Weitere Schlagzeilen
- Trump: Armenien und Aserbaidschan werden Friedensabkommen unterzeichnen
- Libanons Regierung beschließt Entwaffnung von Hisbollah
- Größter Brand seit Jahrzehnten in Frankreich unter Kontrolle
- USA verdoppeln Kopfgeld für Venezuelas Präsidenten Maduro auf 50 Millionen Dollar
Das passiert am Freitag, dem 8. August
- Ein von US-Präsident Donald Trump gesetztes Ultimatum an Russland läuft aus
- Thyssenkrupp-Aktionäre entscheiden über TKMS-Abspaltung
- EM-Start für deutsche Hockey-Herren gegen Frankreich
- Erster EM-Test für deutsche Basketballer
- Beginn des Techno-Festivals "Sonne, Mond und Sterne"
Mal was Positives
Eine Autowäsche bringt nicht nur den Wagen zum Glänzen, sondern kann auch Brücken bauen und Vorurteile abbauen – zumindest bei Rising Tide Car Wash im US-Bundesstaat Florida. Dort arbeiten nämlich Menschen mit Autismus. Die Familie von Andrew D'eri gründete die Autowaschanlage, um ihm, selbst Autist, nach der Schule ein Arbeitsleben zu ermöglichen. Für Menschen mit Autismus ist es oft schwer, eine Anstellung zu finden. Sein Bruder Tom erklärte dem Sender CBS: "Schon in der Highschool wurde klar, dass wir handeln müssen, damit er das erfüllte Erwachsenenleben führen kann, zu dem er fähig ist."
2012 kaufte die Familie eine Autowaschanlage und machte sie mit Unterstützung der vielen autistischen Mitarbeiter zu einem florierenden Unternehmen. Heute betreibt Rising Tide drei Standorte mit 90 Angestellten, die neurodivergent sind, berichtet CBS. Ein vierter Standort soll 2026 folgen.
Unsere stern+-Empfehlung des Tages
Mason ist neun Jahre alt, geht in die achte Klasse und liebt Mathe, Drohnen und Pokémon. Seine Hochbegabung machte ihm das Leben lange schwer – bis er auf eine besondere Schule kam. Sehe Sie dazu unsere Video-Reportage:

Wie hat Ihnen dieser morgen|stern gefallen? Schreiben Sie es mir gerne: rune.weichert@stern.de
Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Wochenende! Herzlich, Ihr
Rune Weichert
mit Material der Agenturen AFP, DPA und Reuters- Frauke Brosius-Gersdorf
- Gaza
- Israel
- Abtreibung
- SPD
- Lippstadt
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke