„Hören Sie auf, diesen Krieg mit deutschem Material und politischem Schweigen zu stützen“
Das Jugendbündnis Sahra Wagenknecht fordert Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu einem Kurswechsel in der Israel-Politik auf. „Stoppen Sie sofort sämtliche Waffenexporte nach Israel und die anderen Krisen- und Kriegsgebiete. Hören Sie auf, diesen Krieg mit deutschem Material und politischem Schweigen zu stützen“, schreibt die Bundesvorsitzende BSW-Jugendorganisation, Anastasia Wirsing, in einem offenen Brief an Merz. Der Brief liegt WELT vorab vor.
„Herr Merz, wie lange wollen Sie noch schweigen, während Unschuldige sterben? Wie viele Kindergräber in Gaza braucht es, bis Sie begreifen, dass Ihr Schweigen Mitschuld bedeutet?“, fragt Wirsing den Bundeskanzler. „Es ist Ihre Verantwortung. Ihre Entscheidung. Ihr politisches Erbe.“
Die humanitäre Situation im Gaza-Streifen verlange einen Kurswechsel. „Gaza steht in Trümmern. Die Menschen hungern, verlieren ihre Angehörigen, ihre Häuser, ihre Hoffnung“, heißt es weiter. „Was dort geschieht, ist keine ‚militärische Maßnahme‘, sondern eine kollektive Bestrafung von über zwei Millionen Menschen – unter den Augen der Weltöffentlichkeit. Und Deutschland liefert weiterhin Waffen.“
Lesen Sie den offenen Brief hier in Gänze.
Die deutsche Unterstützung für Israel und das Leid in Gaza müssten enden. „Während in Gaza der Tod regiert, machen Rüstungskonzerne Profite. Während Familien fliehen, schützt niemand ihr Leben. Das ist auch ein deutsches Versagen“, so die BSW-Jugend. Es brauche einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen an Israel und in weitere Kriegs- und Krisengebiete, zudem müsse sofortige humanitäre Hilfe geliefert werden, um die dortige Bevölkerung mit Wasser, Strom, Medizin und Lebensmitteln zu versorgen. „Kein Gewehr, kein Panzerteil, kein Cent aus deutschen Steuergeldern darf weiter diesen Krieg unterstützen“, heißt es in dem Brief.
Man stehe zum Existenzrecht Israels, doch dieses gelte auch für einen palästinensischen Staat. Deutschland müsse eine „völkerrechtliche Anerkennung Palästinas als gleichberechtigten Staat“ vornehmen, um damit eine „echte, gerechte Zwei-Staaten-Lösung“ zu erreichen. „Wer Israels Sicherheit sagt, muss auch Palästinas Selbstbestimmung ermöglichen. Alles andere ist Doppelmoral“, schreibt die BSW-Jugend. Zuletzt kündigten unter anderem Frankreich, Großbritannien und Kanada an, perspektivisch einen Staat Palästina anerkennen zu wollen. Deutschland lehnt das bisher ab.
Der Krieg Israels in Gaza begann als Reaktion auf den Terror-Überfall der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023. Zuletzt wurde heftig über Israels Kriegsführung diskutiert, internationale Hilfsorganisationen beklagen hohe Todeszahlen, Zerstörung des Gaza-Streifens und Hunger in der palästinensischen Bevölkerung. Anfang der Woche warf die deutsche Luftwaffe Paletten mit Hilfsgütern über dem Küstenstreifen ab.
Der offene Brief an Merz ist die erste politische Äußerung der Wagenknecht-Jugendorganisation nach der Gründungsversammlung, die im Juli in Bochum stattgefunden hat. Formal ist das Jugendbündnis laut Parteisprecher eine Arbeitsgruppe innerhalb des BSW. Mitmachen können junge Menschen im Alter von 14 bis 35 Jahren. Bei der Gründungsversammlung waren laut Parteisprecher 150 Mitglieder und Unterstützer anwesend, zur Bundesvorsitzenden wurde die 21-jährige Lehramtsstudentin Wirsing aus Jena gewählt.
Man wolle den Kindern Gazas eine Stimme geben, begründet Wirsing den Brief. Ihre Organisation stelle sich gegen Aufrüstung, Rüstungsexporte und eine mögliche Wehrpflicht. In den kommenden Monaten wolle man den Verband sowie Landesverbände aufbauen, sagte Wirsing WELT. „Warum wir uns jetzt in einem offenen Brief zur Lage in Gaza an den Kanzler wenden? Weil in Gaza täglich Kinder sterben! Kinder, die nie die Chance hatten, zu leben, zu lieben, gehört zu werden.“
Die Wagenknecht-Partei positionierte sich von Beginn an sehr kritisch zu Israel. Schon im April 2024 beantragte die damals bestehende BSW-Parlamentariergruppe im Bundestag ein Waffenembargo gegen Israel. Der Zentralrat der Juden kritisierte die Partei für jene Positionen scharf. „Das BSW befeuert mit seiner eher populistischen Positionierung den Israelhass in Deutschland“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster im August 2024 in einem WELT-Interview.
Für Mitte September ruft Parteichefin Wagenknecht zu einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor auf – das Motto: „Stoppt den Völkermord in Gaza!“ Neben Wagenknecht unterzeichneten der Sänger Peter Maffay, die Rapper Massiv und Bausa sowie die russlandfreundliche Schriftstellerin Gabriele Krone-Schmalz und der Schauspieler Dieter Hallervorden den Aufruf.
Bei der Bundestagswahl im Februar 2025 scheiterte das BSW an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Partei holte laut amtlichem Endergebnis genau 4,981 Prozent der Stimmen.
Politikredakteur Kevin Culina berichtet für WELT über Gesundheitspolitik, die Linkspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Er berichtet zudem regelmäßig über Antisemitismus und Israel.
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