Vater von deutsch-israelischer Geisel: "Deutschland muss seine Bürger retten"
Die Erschöpfung steht Ruby Chen ins Gesicht geschrieben. Seit 22 Monaten kämpft der Vater der deutsch-israelischen Hamas-Geisel Itay Chen unablässig für die Freilassung seines Sohnes und die der verbliebenen 50 Geiseln im Gazastreifen – unter ihnen sieben Deutsche. Er und seine Frau Chagit seien nach den jüngsten Hamas-Videos erneut nach Berlin gereist, um die Bundesregierung zum Handeln aufzufordern, sagt Ruby Chen im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Er setze dabei vor allem "große Hoffnungen" in Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
Die frühere Regierung habe "viel Mitgefühl" gezeigt, sagt Chen. Nun aber müssten den Worten Taten folgen. "Und wir hoffen, dass diese Regierung zumindest die Bereitschaft zeigt, mehr zu tun." Denn die Zeit drängt.
Sieben Deutsche unter verbliebenden 50 Hamas-Geiseln
Sieben Deutsche seien noch als Geiseln im Gazastreifen. Rom Braslavski, Ziv Berman, Gali Berman, Tamir Adar, Alon Ohel, Tamir Nimrodi, zählt Ruby Chen auf. Und Itay Chen, sein Sohn. Ihre Namen und Fotos hat er auf einem Plakat ausgedruckt mitgebracht.
Er erwarte, dass "diese deutsche Regierung versteht, dass Rom und die anderen Geiseln keine weiteren sechs Monate haben", sagt Chen mit Bezug zu dem verzweifelten Deutsch-Israeli Rom Braslavski, den die Islamisten in einem ihrer neuesten Propagandavideos vorführten. "Sie haben wahrscheinlich keine sechs Wochen oder vielleicht nicht einmal sechs Tage."
Zusammen mit anderen Angehörigen wolle er das Schicksal der Geiseln wieder mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Bisher habe sich Deutschland zu wenig für das Schicksal seiner eigenen Staatsbürger engagiert, kritisiert der Vater. Deutschland müsse sich "anstrengen und aktiv werden", anstatt auf die Vermittler zu setzen, fordert er. "Sie haben die Pflicht, unabhängig davon Ihre Bürger zu retten und zu tun, was Sie können", appelliert Chen an die Bundesregierung.

Überlebende des Hamas-Terrors Ex-Geisel: "Ich bete, dass die Mädchen nicht schwanger zurückkommen"
Junger Deutsch-Israeli kämpfte seit fast zwei Jahren gefangen
Auch sein Sohn Itay hat neben der israelischen die deutsche Staatsangehörigkeit. Als er von seinem Sohn erzählt, leuchten Rubys Augen für einen Moment auf. Itay sei das mittlere Kind von insgesamt drei Geschwistern, sagt er. Ein kluger, begabter Junge, der gerne singt und tanzt. Er habe auch eine Freundin, "die ihn liebt und auf ihn wartet".
Itays Großmutter wurde in Bad Reichenhall in Bayern geboren. "Mit 18 Jahren hätte er hierher nach Deutschland kommen können, er hätte studieren können", sagt der Vater. "Aber die Großeltern sind Holocaust-Überlebende, also verstehen wir, was es bedeutet, einen jüdischen Staat zu haben, also entschied er sich, zur IDF zu gehen", sagt Ruby Chen mit Blick auf die israelische Armee.
Am Tag der Hamas-Angriffe war Itay mit anderen Soldaten in einem Panzer, um die von der Hamas angegriffenen Orte zu verteidigen. Seitdem fehlt von dem damals 19-Jährigen jede Spur. Trotz anderslautender Geheimdienstinformationen glauben die Eltern fest daran, dass ihr Kind lebt.
Die Bundesregierung trage aber nicht nur für die sieben Deutschen unter den Geiseln Verantwortung, betont Chen. Die Verantwortung gelte auch für die "globale Ebene, für die Tatsache, dass deutsche Staatsbürger am 7. Oktober 2023 getötet wurden, und für die, die entführt wurden", erläutert Chen. Aus seiner Sicht sollte es "strafrechtliche Konsequenzen haben, deutsche Bürger zu entführen". Auch die "Ermordung deutscher Staatsbürger darf nicht folgenlos bleiben".
Geisel-Vater: Deutschland und EU müssen Hamas mehr Druck machen
Unter den Opfern des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober sei nach Angaben des Auswärtigen Amts "eine zweistellige Zahl" deutscher Staatsbürger gewesen, sagt Chen. Mit Verweis auf die Täter, sich "jetzt in der Türkei aufhalten", fragt er: "Warum gibt es keinen Antrag auf Auslieferung dieser Leute und ihre Vernehmung in Deutschland?"
Neben der juristischen Aufarbeitung des Hamas-Angriffs fordert Chen aber auch wirtschaftliche Konsequenzen für die Drahtzieher des brutalen Angriffs auf israelische Dörfer, Städte und ein Musikfestival. So könne Deutschland etwa aktiver werden, was Sanktionen gegen die Hamas und ihre Unterstützer angeht. Hier seien noch viele Möglichkeiten ungenutzt, um direkten Druck auf die Hamas auszuüben.
Die Hamas wurde 2003 von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft und verboten. Seitdem habe aber die EU "keine einzige Wirtschaftssanktion gegen die Hamas verhängt", kritisiert Chen. Sanktionen seien aber "eine politische Entscheidung", etwa wenn es um die Finanzierung der Hamas geht.
Deutschland müsse in dieser Frage viel stärker seinen Einfluss auf die Türkei geltend machen, fordert er. Mit Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Vertretern des Finanzministeriums sei er hierzu im Gespräch "über das globale Netzwerk zur Finanzierung des Terrorismus".
Auf der diplomatischen Ebene sieht Chen neben Deutschland auch die EU am Zug. Vor Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung müssten aber "zuerst die Geiseln freikommen, die Lebenden wie die Toten". Damit die Familien heilen und ihre Liebsten betrauern können.
AFP yks / Katharina Schmidt-Hirschfelder- Deutschland
- Israel
- Gazastreifen
- Bundesregierung
- Hamas
- Friedrich Merz
- CDU
- Islamisten
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke