Mit Musik und Trillerpfeifen wollten Demonstranten das ARD-Interview mit AfD-Chefin Alice Weidel übertönen. Die Polizei griff nach einer halben Stunde ein. Im Interview mit WELT TV kritisiert CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach die Aktivisten hinter der Störaktion.

WELT: Herr Bosbach, hätte man das ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel angesichts der Störaktionen abbrechen müssen oder war es richtig, es durchzuziehen?

Wolfgang Bosbach: Die ARD hat sich für die zweite Variante entschieden und damit Frau Weidel und der AfD einen großen Gefallen getan. Denn die AfD lebt nicht schlecht davon, dass sie sich erstens immer wieder in der Opferrolle sieht und präsentiert. Und zweitens hat diese Störaktion dem Moderator nicht die Möglichkeit gegeben, mal kritisch nachzufragen, Frau Weidel mit Zahlen, Daten, Fakten zu konfrontieren. Dann kommt sie immer wieder mit dem berühmten Satz: Lesen Sie unser Programm durch. Im Grunde war die Aktion des sogenannten „Zentrums für politische Schönheit“ ein echter Rohrkrepierer. Die sollten sich mal umbenennen im „Zentrum für politische Dummheit“. Denn einen größeren Gefallen hätten sie Frau Weidel gar nicht tun können.

WELT: Diese Protest- und Störaktion hat also nicht erreicht, was sie wollte, sondern sie hat der AfD eher mehr genutzt, als dass sie ihr geschadet hat?

Bosbach: Ja, die AfD ist wieder im Gespräch. Frau Weidel ist im Gespräch. Man kann den unangenehmen Nachfragen ausweichen. Man kann sie auch als Opfer des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes stilisieren. Ich tippe mal, dass die Entfernung zwischen dem Platz des Interviews und dem ARD-Hauptstadtstudio vielleicht 200 Meter Fußweg sind. Es wäre ohne Weiteres möglich gewesen, in die Studioatmosphäre umzuziehen, sodass das Gespräch hätte in ruhiger Atmosphäre stattfinden können. Ich kann auch nicht verstehen, warum die Polizei nicht eingegriffen hat. Selbst wenn das Demonstrationsrecht hier Geltung haben sollte, vom Parkverbot mal abgesehen, die Demonstration war ganz offensichtlich nicht angemeldet. Und, finde ich auch interessant: Woher wussten eigentlich die Demonstranten, wann genau dieses Interview geführt wurde? Denn es war ja eine Aufzeichnung. Offensichtlich wusste das Zentrum über die Dramaturgie des Interviews mehr als der Sender über die Absichten des Zentrums.

WELT: Viel wird nun über die Störaktion gesprochen, wenig über den Inhalt dieses Interviews. Was waren denn Ihre Einschätzungen nach die zentralen Aussagen von Alice Weidel?

Bosbach: Das kann man so zusammenfassen: Beschreibung der Probleme, das funktioniert. Praxistaugliche Lösungen: 0,0. Ich erinnere mich an die Frage eines Zuschauers, einer Zuschauerin: Was genau, Frau Weidel, verstehen Sie denn unter Remigration? Und dann kam der übliche Satz: Lesen Sie mal unser Programm, da steht alles drin. Offensichtlich hat Frau Weidel das Programm noch gar nicht gelesen, sonst hätte sie ja die Frage mit ein, zwei Sätzen beantworten können. Und ganz zum Schluss kam dann noch der hilflose Schlenker, es geht um die Durchsetzung der geltenden Rechtslage. Also das muss jedenfalls dieser Regierung niemand erklären. Das ist ja das Hauptproblem der AfD, dass sie nicht davon lebt, dass sie eine bessere Politik macht oder machen könnten als die von ihr so geschmähten etablierten Parteien, sondern dass sie den Eindruck erweckt, dass sie das Hauptthema hat: So viele Ausländer wie möglich raus, und schon geht es Deutschland besser. Es ist ja egal, welches Thema Sie bei der AfD aufrufen. Nach 30 Sekunden ist man bei der Migration. Es ist auch egal, welches Thema Sie bei den Grünen aufrufen. Nach 30 Sekunden sind Sie beim Klima.

WELT: Es heißt immer wieder, die AfD müsse man inhaltlich stellen. Das ist Ihrer Meinung nach in diesem Interview überhaupt nicht gelungen.

Bosbach: Ja, aber das werfe ich der ARD und dem Moderator ausdrücklich nicht vor. Schon die Frage, ob die Einspieler nicht ein bisschen lang waren. Man kann auch darüber diskutieren, ob die richtigen Fragen gestellt wurden. Aber Hauptverantwortliche für das Debakel sind die Mitglieder des sogenannten Zentrums für politische Schönheit. Damit fängt alles an. Wir dürfen ja nicht so tun, als wenn das Interview auch im Debakel geendet wäre, wenn es diese Störaktion nicht gegeben hat. Womöglich halten sich die Demonstranten auch noch für Kämpfer des antifaschistischen Widerstandes. Dann haben Sie allerdings von Politik überhaupt keine Ahnung. Es dürfte nur ganz Wenige geben in Deutschland, die ernsthaft die Meinung vertreten, dass das zur politischen Streitkultur in unserem Lande dazugehört. Nein, das tut es nicht. Harte Auseinandersetzungen in der Sache: ja. Klarer Austausch von Argumenten: ja. Aber wer andere auf diese Weise stört, zieht die Sympathie der politischen Mitte nicht auf seine Seite.

Dieses Transkript des Interviews bei WELT TV entstand mithilfe Künstlicher Intelligenz. Für bessere Lesbarkeit wurde das gesprochene Wort leicht redaktionell bearbeitet.

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