„Zwölfjährige zeigen sich offen rechts“ – Nach dem Brandbrief schaltet sich der Innenminister ein
Nach dem Brandbrief der Bürgermeisterin von Spremberg (Brandenburg) zum Erstarken des Rechtsextremismus soll die Stadt in der Lausitz Hilfe des Verfassungsschutzes bekommen. Es werde einen Termin mit dem Verfassungsschutz vor Ort geben, „um zu schauen, wie wir die Stadt unterstützen können“, sagte Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos).
Er will auch die Prävention an Schulen stärken. Zudem berichtete der Verein Opferperspektive, dass demokratische Initiativen in Spremberg wegen des Erstarkens rechter Kräfte stark verunsichert seien.
Die Spremberger Bürgermeisterin Christine Herntier hatte sich mit einem Schreiben an die knapp 22.000 Einwohner der Stadt gewandt, in dem sie beklagte, dass sich das Gedankengut der rechtsextremen Szene in der Stadt zunehmend bemerkbar mache. Es dürfe nicht länger darüber geschwiegen werden, sagte die parteilose Politikerin. Sie schilderte, dass Lehrer und Schüler aus Oberschulen voller Wut und Angst zu ihr ins Rathaus kämen. Bürger fragten sie unter anderem, ob sie wegziehen müssten, seien verzweifelt und weinten.
Innenminister: „Ich finde es mutig“
Innenminister Wilke hält das Vorgehen der Bürgermeisterin, das Problem öffentlich zu machen, für richtig: „Ich finde das erst einmal mutig. Denn damit macht sie sich nicht nur Freunde.“
Er sagte weiter: „Prinzipiell hat man ja als Bürgermeisterin oder Bürgermeister in solchen Fällen mindestens zwei Möglichkeiten. Die einen sagen: Oh Gott, bloß nicht öffentlich machen, denn das könnte den Ruf der Gemeinde irgendwie beschädigen. Die andere Strategie ist, Scheinwerferlicht zu erzeugen und zu sagen: Wir haben hier ein Problem, wir müssen uns darum kümmern, wir dürfen das nicht ignorieren. Das finde ich prinzipiell die richtige Herangehensweise.“
Aus Sicht Wilkes sollten nun konkrete Maßnahmen in Spremberg folgen. Man müsse „ins Tun kommen“. „So etwas kann keine Bürgermeisterin alleine bewältigen. Es braucht den Schulterschluss vieler. Alle müssen an einem Strang ziehen und sich mit ihren Möglichkeiten einbringen.“ Bürgermeisterin Herntier forderte mehr Polizeipräsenz auf den Straßen und Videoüberwachung.
Zahl der Rechtsextremisten um ein Fünftel gestiegen
Um gegen eine Radikalisierung von Jugendlichen in Brandenburg anzugehen, soll es bei der Prävention laut Wilke einen größeren Schwerpunkt im Bereich der Medienbildung geben. Denn ein wesentlicher Teil der Radikalisierung finde online statt, sagte der Innenminister.
Die Zahl der Rechtsextremisten in Brandenburg hat im vergangenen Jahr nach Einschätzung des Verfassungsschutzes einen Höchststand erreicht. Erfasst wurden 3650 Personen – fast ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. Vier von zehn Rechtsextremisten gelten als gewaltorientiert.
Besorgt zeigt sich der Verfassungsschutz wegen der Zunahme von Jugendgruppierungen in der rechtsextremen Szene. Die Jugendlichen vernetzen und radikalisieren sich zunächst oft in sozialen Medien.
Bei den Bundestagswahlen erwies sich Spremberg zuletzt als Hochburg der AfD. Bei der Bundestagswahl im Februar dieses Jahres kam die AfD bei den Zweitstimmen auf 45,51 Prozent – weit vor CDU und SPD.
Der Berater Joschka Fröschner von der Opferperspektive sagte: „Dass sich teils 12- bis 15-Jährige so offen rechts zeigen und äußern, das hatten wir seit Jahrzehnten nicht.“ Die Leute, die sich demokratisch engagierten, seien in Spremberg sehr vorsichtig geworden. „Das Gefühl von Angst ist ziemlich weit verbreitet in demokratischen Initiativen.“ Der Verein Opferperspektive berät Betroffene von rechter Gewalt und Diskriminierung.
Fröschner rief dazu auf, Angebote für Jugendliche zu stärken, die mit der rechten Szene nichts zu tun hätten. „Wenn nur noch die Rechten die Freizeitangebote bestimmen, ist es klar, wo es hingeht.“ Wie der Spremberger Sozialarbeiter Benny Stobinski sagte, gelingt es Rechtsextremisten, Jugendliche mit Lagerfeuer, Sport und gemeinsamen Ausflügen zu gewinnen.
Das Problem mit Rechtsextremismus ist in Spremberg nicht neu. Vor mehr als zehn Jahren wurden dort Attacken rechtsextremer Gewalttäter bekannt. Immer wieder verweisen Verfassungsschützer gerade in Südbrandenburg auf eine rechtsextremistische Szene. In Burg im Spreewald hatten 2023 eine Lehrerin und ein Lehrer geschildert, wie sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert sind.
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