Gewalteskalation in der Hauptstadt – „Die Tschetschenen sind seit Jahren ein Problem“
Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Berlin am Wochenende zieht Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bilanz. „Es ist ein großes Problem“, sagte er zur Bandenkriminalität in der Hauptstadt im Interview mit WELT TV. „Eigentlich jedes Wochenende“ würde auf den Straßen scharf geschossen, Macheten kämen zum Einsatz, immer wieder gebe es gewalttätige Auseinandersetzungen.
„Wir wissen, dass Berlin Spielfläche ist, weil es einfach sehr, sehr viele Einnahmequellen gibt“, sagte Jendro. Illegale Geschäftsfelder wie Prostitution, Schutzgelderpressung, illegaler Waffenhandel und Drogenhandel sorgten für Konflikte unter rivalisierenden Gruppierungen.
Das sei aber kein neues Phänomen, so Jendro weiter. „Wir haben immer wieder Wellen in den letzten Jahren. Wir reden eben über die Hauptstadt: Das ist ein guter Absatzmarkt. Hier prallen auch viele Nationalitäten aufeinander.“
Nähere Details zu den Taten vom Wochenende konnte Jendro aufgrund laufender Ermittlungen nicht nennen, er erwähnte jedoch untereinander verfeindete arabische Clans und afrikanische Banden. „Die Tschetschen sind seit Jahren ein Problem, weil sie auch ein Stück von diesem großen Kuchen haben wollen, den die Hauptstadt auch bietet.“
Jendro zufolge würden Banden-Streitigkeiten auch im öffentlichen Raum ausgetragen – „auch durch ein bestimmtes kulturelles Weltbild, was hierhergekommen ist“.
„Und es gibt immer mal wieder Zwischenfälle, wo auch Passanten dazwischengeraten. Wenn jemand irgendwie wahllos mit einer Pistole irgendwo rumschießt oder so, da sind zum Beispiel auch mal Radfahrer getroffen worden“, so der GdP-Sprecher.
Er forderte Befugnismöglichkeiten, damit sich Sicherheitsbehörden ein Bild über die Beziehungen und Konflikte der Protagonisten machen könnten. Die Rollenverteilung zwischen Opfer und Täter würde sich in diesen Milieus immer wieder ändern. Mit der Polizei würde jedoch kaum einer reden.
Chronologie des Gewalt-Wochenendes
Berlin hat ein Wochenende der Gewalt hinter sich. Die Chronologie der Taten lautet wie folgt:
Am Samstagabend war es in Berlin-Gesundbrunnen zu mehreren schweren Gewalttaten gekommen, bei denen ein Mann getötet und zwei verletzt worden sind. Eine Mordkommission hat die Ermittlungen wegen des Verdachts eines Totschlags übernommen. Nach bisherigen Erkenntnissen kam es gegen 21.00 Uhr vor einem Café zu einer Auseinandersetzung innerhalb einer größeren Personengruppe.
Ein 30-Jähriger erlitt dabei erhebliche Stichverletzungen, an deren Folgen er später in einem Krankenhaus starb. Der 25 Jahre alte Tatverdächtige wurde ebenfalls verletzt und von Rettungskräften zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus gebracht.
Bereits zuvor hatte am selben Abend und ebenfalls in Gesundbrunnen ein unbekannter Maskierter in einem anderen Café mit einer Faustfeuerwaffe mehrfach auf einen 17-Jährigen geschossen und war anschließend geflüchtet. Der Angeschossene kam zur Notoperation ins Krankenhaus und ist nach Angaben der Polizei inzwischen außer Lebensgefahr.
Zu einem dritten Gewaltvorfall kam es laut Polizei gegen 23.00 Uhr am Humboldthain. Ein 35-Jähriger, der mit Freunden unterwegs war, geriet demnach mit einer Gruppe von etwa einem halben Dutzend Menschen aneinander, die zum Teil Baseballschläger und Pfeffersprays in den Händen gehalten haben sollen. Er erlitt mehrere Stichwunden durch ein Messer im unteren Rückenbereich und kam zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus.
Auch am Freitagabend waren in der Bergmannstraße in Kreuzberg Schüsse gefallen. Der mutmaßliche Täter soll dabei mehrfach auf einen 26-Jährigen geschossen haben, während der vor einem Restaurant saß. Die Polizei geht von einer versuchten Tötung aus, die Hintergründe sind noch unklar.
Nur knapp zwei Stunden später wurde in der Neuköllner Sonnenallee ebenfalls ein Mann angeschossen. Ein Unbekannter soll dem 39-Jährigen mehrfach in die Beine geschossen haben, als dieser vor dem Eingang eines Mehrfamilienhauses an seinem Motorrad stand. Der Schütze flüchtete zu Fuß.
Auch der Berliner Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, forderte am Sonntag Konsequenzen. „Die zurückliegende Nacht zeigt uns noch mal, warum wir ein generelles Messerverbot im öffentlichen Raum fordern, weil alles andere kleinteiliges Herumdoktern ist und wir gesellschaftlich umdenken müssen“, sagte er.
„Gerade junge Männer nehmen heute überall ein Messer mit hin, weil sie bereit sind, es einzusetzen und damit andere schwer zu verletzten oder zu töten“, warnte er. „Dass Messer immer wieder in Gruppenauseinandersetzungen als Armverlängerung zum Einsatz kommen, ist eine über Jahre gewachsene Entwicklung, der der Rechtsstaat endlich eine klare und für jeden transparente Grenze aufzeigen muss.“
Messerverbotszonen in Berlin mit umstrittenem Nutzen
Weh geht die aktuelle Berliner Regelung nicht weit genug. Seit Donnerstag gilt im gesamten öffentlichen Berliner Nahverkehr ein striktes Verbot von Messern und anderen Waffen. Die Polizei kann durch die neue Rechtslage, unabhängig von konkreten Verdachtsmomenten, kontrollieren, ob jemand zum Beispiel auf einem Bahnhof eine Waffe bei sich hat.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ist dafür, das neue Berliner Waffen- und Messerverbot in Bussen und Bahnen auf ganz Deutschland auszuweiten und will bei der Innenministerkonferenz weiter dafür werben.
Schon jetzt gibt es in Berlin außerdem drei Waffen- und Messerverbotszonen: am Kottbusser Tor, im Görlitzer Park und am Leopoldplatz - sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten, an denen es überdurchschnittlich oft zu Straftaten kommt. Der konkrete Nutzen einzelner Verbotszonen ist umstritten.
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