Warum nach Jahren noch kein Kilometer Radschnellweg gebaut ist
- Obwohl der Bund schon seit 2017 Millionen für Radschnellwege bereitstellt, wurden bundesweit erst wenige Kilometer solcher Routen gebaut
- Sachsen-Anhalt und Thüringen beabsichtigen aufgrund strenger Fördervorgaben gar keine Schnellradwege mehr zu bauen, in Sachsen drohen Mittelkürzungen bisherige Planungen auszubremsen.
- Eine Expertin rät zu mehr Flexibilität bei Planung und Finanzierung.
Viel Platz, ebener Untergrund, freie Fahrt – so in etwa lautet die Idealvorstellung aller Fahrradfahrer. Radschnellwege versprechen, diese Wünsche zu erfüllen. Doch während andere Länder wie die Niederlande oder Dänemark längst ein Netz von regionalen Schnellverbindungen für den Radverkehr angelegt haben, kommt der Ausbau in Deutschland nur sehr schleppend voran.
Wenige fertiggestellte Kilometer Radschnellweg bundesweit
Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist groß. Im "Nationalen Radverkehrsplan", der die Ziele bis 2030 beschreibt, heißt es: "Bund, Länder und Kommunen bauen das Radnetz Deutschland zügig aus und berücksichtigen dabei die Anforderungen des Alltagsradverkehrs. Sie realisieren Radvorrangrouten und Radschnellverbindungen – insbesondere in allen Metropolregionen." Schon seit 2017 fördert der Bund daher Planung und Bau von Radschnellwegen. Bis 2030 stehen insgesamt 390 Millionen Euro zu Verfügung.

Doch innerhalb von knapp acht Jahren sind bundesweit nur sehr wenige Wege entstanden. "Radschnellwege, die mit Finanzhilfen des Bundes seit 2017 gefördert werden, wurden bislang in einer Länge von circa 30 Kilometern gebaut", antwortet eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums auf Anfrage. Das entspricht ungefähr der Strecke zwischen Halle und Köthen. Von den 390 Millionen Euro sind laut Ministerium lediglich 146 Millionen Euro für konkrete Vorhaben bewilligt worden.
In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Lage noch ernüchternder: Kein einziger Kilometer Radschnellweg ist in Mitteldeutschland bislang gebaut worden. Es besteht auch an keinem Ort in der Region Baurecht für einen solchen Weg.
Die Situation im Einzelnen:
Thüringen: Kein Radschnellweg in Sicht
Thüringen ist das einzige Land, in dem überhaupt kein Radschnellweg geplant wird. Der Verkehrsforscher Martin Weidauer von der Fachhochschule Erfurt erstellte 2021 im Auftrag der Landtagsfraktion der Grünen lediglich eine Pilotstudie, in der er fünf Strecken zur weiteren Untersuchung empfahl (siehe Karte). Daraus folgte jedoch nichts.
Das Thüringer Verkehrsministerium teilte später mit, dass keine Strecken identifiziert werden konnten, die die Förderkriterien des Bundes erfüllen. Zu diesen Kriterien zählen unter anderem ein Potenzial von 2.000 Radlerinnen und Radlern pro Tag sowie eine Mindestlänge der Strecke von zehn Kilometern.
Sachsen-Anhalt: Probleme mit Förderbedingungen des Bundes
Auch in Sachsen-Anhalt stellen die Förderkriterien eine Hürde dar. Das Verkehrsministerium in Magdeburg teilt dazu mit: "In den stark ländlich geprägten Bundesländern, dazu gehört auch Sachsen-Anhalt, werden diese Kriterien aufgrund der Siedlungs- und Arbeitsplatzdichte nicht erfüllt." Innerhalb Magdeburgs und Halles würden zwar die Pendlerzahlen erreicht, jedoch stünden hier "in weiten Teilen die notwendigen Ausbaubreiten nicht zur Verfügung".
Dies stellt auch den geplanten Radschnellweg Halle-Leipzig infrage. Das Projekt startete einst mit viel Schwung, bekam sogar eine eigene Website – doch ein Schnellweg im Sinne der Förderrichtlinien des Bundes wird dort künftig nicht entstehen. Dazu teilt das Ministerium mit: "Dennoch soll zwischen den beiden Städten eine komfortable und bedarfsgerechte Radwegeverbindung entstehen." Anvisiert sei entlang der Bundesstraße 6 ein "straßenbegleitender Radweg". Die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt stünden hierzu im Austausch.
Die zweite diskutierte Strecke in Sachsen-Anhalt von Merseburg zum Geiseltalsee wird zwar ebenfalls kein Radschnellweg nach Definition des Bundesprogramms. Jedoch baut die Stadt Merseburg mit Mitteln aus anderen Förderprogrammen sukzessive an einer "naturräumlich attraktiven" sowie "weitestgehend kreuzungsfreien" Verbindung von der Innenstadt bis zum südwestlich gelegenen See.

Sachsen: Drei von elf Rad-Strecken in der Entwurfsplanung
Umfangreicher sind Sachsens Pläne. Der Freistaat ermittelte bereits 2018 elf sogenannte Korridore für Radschnellwege mit einer Gesamtlänge von über 130 Kilometern. Fast sieben Jahre später ist jedoch kein einziger Abschnitt gebaut.
Mögliche Baubeginne können derzeit noch nicht belastbar benannt werden.
Immerhin bei einer Route (Radeberg – Dresden) läuft derzeit die konkrete Entwurfsplanung, die letzte Stufe vor dem Planfeststellungsverfahren, mit dem Baurecht hergestellt werden kann. Bei den Strecken von Schkeuditz nach Leipzig sowie von Limbach-Oberfrohna nach Chemnitz wird die "Ausschreibung der Leistungen für die Entwurfsplanung vorbereitet", wie das Sächsisches Staatsministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung auf Anfrage mitteilt. "Mögliche Baubeginne können derzeit noch nicht belastbar benannt werden."
Bei sechs weiteren Strecken laufen noch Vorstudien, bei einem Schnellweg wird noch ein Planungsbüro für die Vorstudie gesucht und bei einem weiteren gibt es noch keine Planungsvereinbarung. Hier eine Übersicht:
Route | Stand |
---|---|
Werdau – Zwickau | Vorprüfung möglicher Trassen |
Limbach-Oberfrohna – Chemnitz | Ausschreibung der Entwurfsplanung wird vorbereitet |
Schkeuditz – Leipzig | Ausschreibung der Entwurfsplanung wird vorbereitet |
Radeberg – Dresden | Entwurfsplanung |
Markkleeberg – Leipzig | Beteiligung der Öffentlichkeit an Trassenentwicklung steht an |
Pirna – Dresden | Trassenentwicklung |
Markranstädt – Leipzig | Beteiligung der Öffentlichkeit an Trassenentwicklung steht an |
Freital – Dresden | Trassenentwicklung |
Taucha – Leipzig | Trassenentwicklung |
Coswig – Radebeul – Dresden | Noch kein Planungsbüro für Vorstudie beauftragt |
Naunhof – Leipzig | Keine Planungsvereinbarung - laut Verkehrsministerium "vorerst zurückgestellt" |
Nach Ansicht des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Sachsen ist diese Bilanz im Vergleich mit anderen Ländern recht gut. Sachsen sei bisher auf Kurs gewesen, bis zum Ende des Bundesförderprogramms 2030 baureife Planungen zu haben, sagt Geschäftsführer Konrad Krause im Gespräch. Doch im neuen Doppelhaushalt des Landes seien die Mittel für die Planung von Radschnellwegen radikal gekürzt worden, von 800.000 Euro auf noch 180.000 Euro. Krause "Es ist klar, dass dieser Schwung, den ich hatte in Sachsen, dass der dann natürlich zum Erliegen kommt und dass die Planungen dann am Ende nicht mehr vorankommen."
Stattdessen würde sich der Interessensverband mehr Tempo bei der Planung der Strecken wünschen. Doch dafür hätten schon vor der Mittelkürzung die Verkehrsplaner auf Landesebene gefehlt. Zudem setze die Regierung vorgeschlagene Veränderungen im Planungsrecht nicht um, zum Beispiel im sächsischen Straßengesetz oder bei Vorgaben zum Umweltschutz.
Das Ministerium beteuert, "alle sich bietenden Möglichkeiten" zu nutzen, um "die relevanten Abläufe zu beschleunigen". Es müssten aber Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Flächeninanspruchnahme umfangreich untersucht werden. Aufgrund dessen seien Planungs- und Genehmigungszeiträume von acht bis zehn Jahren für Radschnellwege zu erwarten.
Mehr Tempo durch flexiblere Lösungen bei Radwegen
Komplizierte Förderprogramme, fehlendes Personal, langwierige Verfahren, fehlende politische Priorisierung – das sind auch nach Ansicht der Verkehrsplanerin Lena Helmes die wesentliche Gründe für den stockenden Bau von Radschnellwegen in Deutschland. "Radschnellverbindungen werden in Deutschland im Moment so aufwendig geplant wie Landstraßen. Da braucht es Beteiligungsverfahren, sehr viele Planungsschritte, es sind sehr viele verschiedene Behörden beteiligt. Und das braucht natürlich seine Zeit."
Es kann nicht sein, dass die Frage ist, entweder ein Radschnellweg oder gar nichts.
Helmes, die aus Limbach-Oberfrohna stammt und an der TU Dresden studierte, beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit dem Thema. Bei der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen erarbeitete sie die Standards mit, die für Radschnellverbindungen gelten. Nach ihrer Einschätzung bräuchte es neben mehr Personal und stetiger Finanzierung mehr Flexibilität: "Da ist auch ein gewisser Pragmatismus von allen Akteuren verlangt und es kann nicht sein, dass die Frage ist, entweder ein Radschnellweg oder gar nichts. Sondern entscheidend ist das, was vor Ort machbar ist". Das könnten dann auch Radrouten mit etwas geringeren Standards sein. Dafür brauche es "Spielraum" in den Förderprogrammen.
Einen gewissen Frust darüber, dass man erst so wenige fertige Radschnellwege in Deutschland sieht, kann Helmes gut verstehen. Sie macht aber Hoffnung: "Ich weiß natürlich als Planerin, dass hinter den Kulissen viel passiert. Es ist wenig, was man sieht, aber es gibt viele Projekte, wo sehr motiviert und engagiert dran gearbeitet wird." In den kommenden Jahren würden mehr und mehr Radschnellwege sichtbar werden.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke