Berlin will von Washington zwei Patriot-Systeme für die Ukraine kaufen
Der Wiederaufbau der Ukraine wird nach Schätzungen aus Kiew umgerechnet mehr als 850 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 14 Jahren kosten. „Unsere Konzeption sieht die Schaffung von zwei Fonds in Höhe von einer Billion US-Dollar vor“, sagte Ministerpräsident Denys Schmyhal, der per Video zu einer Wiederaufbaukonferenz in Rom zugeschaltet war.
Der erste von Kiew verwaltete „Ukraine-Fonds“ solle über beschlagnahmte russische Vermögenswerte im Ausland in Höhe von umgerechnet mehr als 460 Milliarden Euro finanziert werden. Ein zweiter Fonds mit einem Volumen von umgerechnet fast 400 Milliarden Euro soll demnach über private Investitionen zustande kommen.
Schmyhal forderte die Verbündeten zudem auf, weitere Finanzmittel aufzuwenden, um das ukrainische Haushaltsdefizit auch in den Jahren 2026 und 2027 zu decken. „Unter Friedensbedingungen und ohne Waffenherstellung kostet der Unterhalt der ukrainischen Armee 50 Milliarden Euro im Jahr. Wir zählen darauf, dass die Hälfte von der EU kommt“, unterstrich der Regierungschef.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte derweil an, Deutschland werde von den USA Luftverteidigungssysteme vom Typ Patriot kaufen, um sie der Ukraine im Krieg gegen Russland zur Verfügung zu stellen. Dem Vernehmen nach geht es um zwei Systeme.
Merz verwies auf ein Telefonat mit US-Präsident Donald Trump. Darin habe er „ihn auch gebeten, diese Systeme zu liefern“. Jetzt wird zwischen Berlin und Washington verhandelt. Wie viele Systeme Berlin kaufen will, sagte er bei einem Pressetermin nicht.
Deutschland hat die Ukraine bereits massiv mit Luftverteidigungssystemen unterschiedlicher Bauart unterstützt. Die Patriots („Phased Array Tracking Radar for Intercept on Target“) zählen zu den modernsten Flugabwehrsystemen der Welt. Trump hatte schon angedeutet, zu einer Lieferung bereit zu sein.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Merz haben nach ukrainischen Angaben zudem über eine stärkere Zusammenarbeit im Rüstungsbereich gesprochen. „Ich habe Friedrich über die vergangenen russischen Angriffe informiert und von den Abfangdrohnen erzählt, die bereits Dutzende Shahed-Drohnen bei einem Angriff abschießen“, schrieb Selenskyj in sozialen Netzwerken. Er dankte Merz in Rom für die Bereitschaft, in die Ausweitung der ukrainischen Produktion zu investieren.
Themen des Gesprächs seien die Lage auf dem „Schlachtfeld“, die Arbeit mit den Bündnispartnern und die ukrainische Annäherung an die Europäische Union gewesen, hieß es in einer Mitteilung. Selenskyj betonte demnach, dass die russischen Truppen trotz opferreicher Angriffe keine Erfolge an der Front erzielten.
Rubio nimmt Europäer in Pflicht
Auch US-Außenminister Marco Rubio nimmt die Europäer in die Pflicht. Mehrere Länder in Europa seien im Besitz der Patriot-Systeme, sagte Rubio nach einem Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur.
Er verwies unter anderem auf Spanien und Deutschland. Es gebe weitere Möglichkeiten: „Länder, die Patriot-Systeme bestellt haben, die kurz davor stehen, Lieferungen mit diesen zu erhalten.“ Es wäre toll, wenn sich eines dieser Länder bereiterklären würde, die Lieferung stattdessen an die Ukraine zu schicken, sagte Rubio. Um welche Länder es dabei konkret geht, sagte er nicht.
Deutsche Unternehmen laut Merz mit großem Interesse an Mitwirkung bei Wiederaufbau
Deutsche Unternehmen haben nach den Worten von Merz ein großes Interesse daran, am Wiederaufbau der Ukraine mitzuwirken. Die Beteiligung privater Unternehmen sei wichtig, da die öffentliche Hand die „enormen Kosten“ des Wiederaufbaus nicht allein tragen könne, sagte Merz in Rom. Bei den deutschen Unternehmen bestehe daran „enormes Interesse“.
Deutschland beteilige sich mit anderen europäischen Ländern am sogenannten Europäischen Flagship Fund für den Wiederaufbau des Landes. Die Bundesregierung unterstütze „voll und ganz“ das Ziel, umfangreiche private Investitionen für den Wiederaufbau der Ukraine zu mobilisieren.
Merz verwies auf die Erfahrungen beim Wiederaufbau Europas und speziell Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, von denen manche auch der Ukraine helfen könnten. Wichtig seien etwa „starke internationale Partner und internationale Unterstützung“, welche die Ukraine habe. Der Bundeskanzler verwies zudem auf die Bedeutung einer „erfolgreichen europäischen Integration der Ukraine“. Berlin unterstütze Kiew auf seinem Weg in die EU „voll und ganz“ – dies beinhalte auch Reformen im Kampf gegen die Korruption oder zur Stärkung des Rechtsstaats.
Die Konferenz in Rom begann mit einer emotionalen Rede von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. Meloni betonte, es dürften vom Wiederaufbau keinesfalls jene profitieren, die der russischen Kriegsmaschinerie geholfen hätten. Sie würdigte die Hartnäckigkeit und Tapferkeit des ukrainischen Volkes bei der Verteidigung ihres angegriffenen Landes und versprach der Ukraine für die Zeit nach dem Krieg Wiederaufbau, Freiheit und Wohlstand.
Mit besonderem Nachdruck kritisierte die Gastgeberin der Konferenz die Zerstörung von Kirchen und Museen durch die russischen Angreifer. Diese Kulturgüter gehörten zum gemeinsamen europäischen Erbe, auch sie werde man wieder aufbauen. Meloni erinnerte an die Geschichte Italiens nach dem Zweiten Weltkrieg und daran, dass der Wiederaufbau die Grundlage für das darauffolgende Wirtschaftswunder gewesen sei. Eine ähnlich leuchtende Zukunft stehe der Ukraine nach dem Krieg und dem Wiederaufbau bevor.
Noch nie so viele tote Zivilisten wie im Juni
Die Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten in der Ukraine erreichte unterdessen nach Angaben der UN im vergangenen Juni einen Höchststand seit Beginn des russischen Angriffskrieges vor drei Jahren. Mindestens 232 Zivilisten seien in jenem Monat getötet und 1343 weitere verletzt worden, erklärte die UN-Menschenrechtsbeobachtermission in der Ukraine am Donnerstag. „Zivilisten in der Ukraine erleben ein Ausmaß an Leid, das wir in mehr drei Jahren noch nicht gesehen haben“, sagte die Leiterin der UN-Mission, Danielle Bell.
Russland hat in den vergangenen Wochen seine Angriffe auf die Ukraine nach Angaben aus Kiew deutlich verstärkt. In der Nacht auf Mittwoch griff die russische Armee demnach mit 728 Drohnen und 13 Raketen insbesondere den Westen des Landes an. Es waren die massivsten Luftangriffe seit Beginn des Krieges im Februar 2022.
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