Gequatsche wäre kein gutes Zeichen für die Koalition
Es hat jüngst erstmals geruckelt in der schwarz-roten Koalition. Im Streit um die Absenkung der Stromsteuer fehlte es im Zentrum der Macht nicht nur an Geld, sondern auch an Organisation, Kommunikation – und an Thorsten Frei, dem Kanzleramtschef. Friedrich Merz und sein Finanzminister Lars Klingbeil hatten eine Verabredung getroffen, aber besonders auf der Unions-Seite vergessen, wichtige Koalitionäre zu informieren und, noch gefährlicher, solche, die sich selbst für wichtig halten.
Friedrich Merz' Koalition erlebt ihre erste Krise
Der Koalitionsausschuss, der das Thema abräumen musste, stand unter Druck. Durch die Überschriften in den Medien blinkten schon die Ampel-Assoziationen. Ausgerechnet an diesem Abend fehlte genannter Thorsten Frei wegen eines Vortrags bei der Sparkasse in seiner Heimat.
Die Sitzung hat lange gedauert. Das Ergebnis – Steuersenkung nicht für alle – war keineswegs überzeugend und wird das parlamentarische Verfahren wohl nicht überstehen. Aber um die Koalition muss man sich einstweilen keine Sorgen machen. Da ampelt nichts. Dafür gibt es ein untrügliches Indiz: Verschwiegenheit.

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Fünf Stunden Debatte, elf Teilnehmer, und es ist kaum etwas nach außen gedrungen. Ich jedenfalls habe nirgends von einem giftigen Dialog gehört, über einen witzigen Wortwechsel gelesen, über Schuldzuweisungen oder Entschuldigungen. Stattdessen verteidigten alle Beteiligten brav das unzulängliche Ergebnis – sogar Markus Söder, weil CDU und SPD ihm eine frühere Erhöhung seiner Mütterrente als Schweigegeld bezahlt hatten.
Über so viel Disziplin kann Merz sich glücklich schätzen. Als Angela Merkel ihre erste große Koalition durch die Stromschnellen der Anfänge führte, ging es anders zu. Damals litt die SPD noch am Verlust des Kanzleramts. Und ihr Fraktionschef Peter Struck fasste das im Frühsommer 2006 in die Worte: "Gerhard Schröder als Sozialdemokrat wäre mir immer der liebere Kanzler. Davon abgesehen: Er war entscheidungsfreudig." Mal ehrlich: Man kann sich heute gar nicht vorstellen, dass SPD-Chef Lars Klingbeil oder der Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch überhaupt so freundlich über den Drei-Jahre-Kanzler Olaf Scholz redeten.

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Merkel jedenfalls war damals sauer über Strucks Nickligkeit. Im Koalitionsausschuss monierte sie, so könne man nicht arbeiten. Struck verteidigte seine Äußerungen und erläuterte, dass er seine Leute bei Laune halten müsse, bis Merkel ihn mit den Worten abkanzelte: "Das ist mir scheißegal." Ein Satz, der alsbald seinen Weg nach draußen fand.
Die kleine Geschichte zeigt, dass Merkel es anfangs gegenüber der SPD bedeutend schwerer hatte, ihre Autorität durchzusetzen, als Merz heute mit dem, was von der SPD übrig ist. Die Koalition damals war aus der Not geboren. Das ist die von heute auch, aber die Not ist bedeutend größer und entsprechend der Zusammenhalt. Jedenfalls bis jetzt.

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Eineinhalb Jahre später mäkelte Peter Struck wieder herum, diesmal an Merkels vielen Auslandsreisen. Sie konterte im Koalitionsausschuss, indem sie dem Sozialdemokraten androhte, sie werde nun so viel in Deutschland sein, dass sich der SPD-Politiker nach ihren Reisen sehnen werde.
Wenn so ein Durcheinander wie bei der Stromsteuer zur Regel wird, könnte sich zumindest dieser Wortwechsel zwischen Merz und der SPD eines Tages wiederholen. Hoffentlich ist dann wenigstens der Kanzleramtschef da.
- Friedrich Merz
- Stromsteuer
- SPD
- Lars Klingbeil
- Peter Struck
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