• Eine neue Arbeitsgruppe stellt Zeitplan und Ziele der Pflegereform vor.
  • GKV-Spitzenverband und Bundesrechnungshof warnen vor einem finanziellen Defizit der gesetzlichen Pflegeversicherung in Milliardenhöhe.
  • Der Bund gibt der Pflegeversicherung 2025 und 2026 ein Darlehen, das die Kosten jedoch nicht deckt.
  • Der Sächsische Pflegerat setzt auf mehr Leistungen durch Familien.

Angesichts steigender Milliardenkosten für die Pflege wollen Bund und Länder bis Jahresende Reformvorschläge entwickeln. "Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass sie im Pflegefall unterstützt und nicht überlastet werden", sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) anlässlich der Auftaktsitzung einer Arbeitsgruppe (AG) mit den Ländern am Montag in Berlin. Die AG soll bis Ende des Jahres Eckpunkte zur finanziellen Stabilisierung der Pflegeversicherung erarbeiten.

"Um das System zukunftsfest zu machen, brauchen wir eine mutige Reform", sagte Warken, die die Arbeitsgruppe leitet. Für konkrete Vorschläge auch zu einer stärkeren Unterstützung der Pflege zu Hause sollen zwei Facharbeitsgruppen eingesetzt werden. Im Dezember sollen dann die Eckpunkte auf Ministerebene für ein Reformkonzept vorliegen. Ab Anfang 2026 soll dann die konkrete Gesetzgebung anlaufen. Die Pflegereform war im Koalitionsvertrag von CDU und SPD festgehalten.

Die Pressekonferenz nach der Auftaktsitzung der Arbeitsgemeinschaft zur Pflegereform. Gesundheitsministerin Nina Warken (2. von links) leitet die AG. Bildrechte: picture alliance/dpa | Katharina Kausche

Warken sagte, kurzfristig gehe es darum, das System zu stabilisieren, um dann langfristig Reformen anzuschieben. Dazu sei auch mehr Unterstützung aus dem Haushalt nötig: "Ohne zusätzliche Steuergelder wird das nicht gehen." Dabei setze sie auf die parlamentarischen Beratungen. Inhaltlich soll es unter anderem darum gehen, wie Anreize für eine eigenverantwortliche Vorsorge gesetzt und Eigenanteile in der Pflege begrenzt werden können. Zudem soll das Umlagesystem durch einen "kapitalgedeckten Pflegevorsorgefonds" weiterentwickelt werden.

GKV: Reform dringend nötig

Im Vorfeld hatten sich bereits mehrere Interessengruppen zur Dringlichkeit der Situation geäußert. So warnten Spitzenvertreter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) davor, die großen Finanzierungsprobleme erneut in die Zukunft zu verschieben.

Oliver Blatt, Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, erklärte in der "Rheinischen Post": "Wichtig ist, dass mit der geplanten Reform wirklich eine nachhaltige finanzielle Stabilisierung der Pflegeversicherung geschafft wird." Mit der vorübergehenden schuldenfinanzierten Unterstützung der Pflegeversicherung werde das Finanzierungsproblem nicht gelöst, sondern nur in die Zukunft verschoben.

Geldnot in der Pflegeversicherung: So groß ist das Finanzloch

Laut GKV-Spitzenverband hat die Pflegeversicherung das Jahr 2024 mit einem Defizit in Höhe von 1,54 Milliarden Euro abgeschlossen. Obwohl der Gesetzgeber zum Jahresanfang den Beitragssatz um 0,2 Prozentpunkte angehoben hat, gab es demnach im ersten Quartal 2025 bereits ein Defizit von rund 90 Millionen Euro. Bis zum Jahresende erwartet die GKV ein Minus von rund 160 Millionen Euro.

Kommendes Jahr droht den Angaben zufolge dann ein Defizit in Milliardenhöhe. Laut aktuellem Haushaltsentwurf bekommt die Pflegeversicherung vom Bund in den Jahren 2025 und 2026 zwei Darlehen. 2025 werden 0,5 Milliarden Euro an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung und 2026 weitere 1,5 Milliarden Euro überwiesen. Die Rückzahlung muss ab 2029 erfolgen.

Bundesrechnungshof: Kein Weg vorbei an Pflegereform

In einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss, den die "Bild am Sonntag" zitierte, heißt es, die Gewährung des Darlehens löse die Finanzprobleme nicht. An einer Pflegereform führe kein Weg vorbei. "Es fehlt nicht an Erkenntnissen, sondern am Willen zur Umsetzung", zitiert die Zeitung.

Es fehlt nicht an Erkenntnissen, sondern am Willen zur Umsetzung.

Bundesrechnungshof

Unter Berufung auf Zahlen aus dem Bundesgesundheitsministerium warnten die Rechnungsprüfer demnach vor einer Finanzlücke im Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung, die bis 2029 auf 12,3 Milliarden Euro anwachsen werde.

Sächsischer Pflegerat setzt auf Leistungen durch Familie

Der Vorsitzende des Sächsischen Pflegerates, Michael Junge, setzt darauf, dass Familienangehörige mehr Aufgaben bei der Betreuung Älterer übernehmen. Er sagte MDR AKTUELL, das soziale Umfeld müsse Hauswirtschaftsleistungen wie etwa Einkaufen oder Hilfe bei der Wohnungsreinigung erbringen. Ansonsten würden die Kosten für die Pflegeversicherung weiter explodieren. Das Loch könne dann nur über höhere Beiträge oder mehr Steuermittel geschlossen werden.

Gesetzlich Versicherten drohen steigende Pflegebeiträge

74,57 Millionen Bürger und damit etwa 90 Prozent der Bevölkerung sind dem Bundesgesundheitsministerium zufolge gesetzlich abgesichert, der Rest ist privat versichert. Dem größten Teil der Gesamtbevölkerung könnte in den nächsten Jahren heftige Beitragssteigerungen oder Leistungskürzungen bevorstehen. Grund für die wachsende Finanzlücke sind der starke Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen sowie die Deckelung des Eigenanteils bei den Pflegeleistungen im Heim. Ende 2024 waren laut Bundesrechnungshof 5,6 Millionen Menschen pflegebedürftig – 400.000 mehr als im Vorjahr.

Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung – anders als die gesetzliche Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten für die reine Pflege trägt. Geprüft werden sollen auch der Umfang von Leistungen und Anreize für mehr Eigenvorsorge.

KNA, dpa, MDR (ewi/kar)

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