An der Wand hinter dem Schreibtisch von Edna Adan hängen Bilder aus über einem halben Jahrhundert Diplomatie und Aktivismus. Eines zeigt Afrikas wohl berühmteste Krankenschwester mit Lyndon B. Johnson, US-Präsident in den 1960ern, auf anderen posiert sie mit den Clintons, dazu mit mehreren US-Außenministern.

In Washington lässt man sich schon immer gern mit Adan, 87, fotografieren. Einst war sie eine der ersten Krankenschwestern des Landes, eine Vorkämpferin für Frauenrechte und gegen weibliche Genitalverstümmelung, später die erste Außenministerin von Somaliland, Gründerin einer Universität und eines Krankenhauses in der Hauptstadt Hargeisa. Ihre sensationell geschriebene Biografie trägt den passenden Titel: „Frau der Premieren“.

Aber eines ihrer wichtigsten Anliegen blieb bislang auch in den USA weitgehend unerhört: der Wunsch nach staatlicher Anerkennung von Somaliland, einer Region am Horn von Afrika mit fünf Millionen Einwohnern. Vor 34 Jahren erklärte die Region ihre Unabhängigkeit von Somalia.

Seitdem agiert Somaliland als de facto unabhängiger Staat. Mit eigener Währung, Armee und einer vergleichsweise stabilen und demokratisch legitimierten Regierung. „Wir haben nie wirklich zu Somalia gehört“, sagt Adan. „Früher verschiedene Kolonialmächte, verschiedene Sprachen, verschiedene Geschichten. Die Union mit Somalia wurde nie formell ratifiziert – und sie ist in jeder Hinsicht längst vorbei.“

In Afrika gibt es so manche Region mit Unabhängigkeitsbestrebungen. Die Westsahara, Ambazonien in Kamerun, die Tuareg-Gegend Azawad im Norden Malis – ihre Aussichten sind dürftig. In der Afrikanischen Union ist die Bereitschaft zur Anerkennung neuer Staaten begrenzt, zumal auf die Unabhängigkeit des jüngsten Landes, dem Südsudan im Jahr 2011, ein blutiger Bürgerkrieg folgte, der gerade wieder aufzuflammen droht.

Auch die EU halte sich zurück, berichtet Somalilands offizieller Repräsentant in Deutschland, Mustafa Ismail. „Die europäischen Botschaften für Somalia treffen sich jeden Dienstag, um die Aussöhnung zwischen Somalia und Somaliland zu besprechen“, sagt Ismail. „Aber die gemeinsame Position ist seit 13 Jahren, dass sie die Somaliland-Frage letztlich den beiden Regierungen überlässt – so argumentiert besonders Deutschland. Aber da bewegt sich nichts, weil Somalia weiter alle internationale Zahlungen für Somaliland kassieren will.“ Die örtlichen Politiker in Mogadischu zahlten damit ihre Unterstützer aus. Auch Öl-Reserven vor der Küste spielten eine Rolle.

Doch mit der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus keimt in Hargeisa berechtigte Hoffnung auf. Denn Somaliland hat etwas, das Trump interessieren dürfte: den strategischen Hafen Berbera und gleich daneben einen Flughafen mit einer der längsten Landebahnen des Kontinents. Sie liegen in unmittelbarer Nähe der islamistischen Huthi-Miliz und der wachsenden Somalia-Zelle des Islamischen Staats. Ein klar definiertes Angebot also, ganz im Sinne des US-Präsidenten: militärische Präsenz gegen Anerkennung.

In den vergangenen zwölf Monaten wurden Delegationen eingeladen, Kontakte zu republikanischen Senatoren gepflegt, auch die Autoren von „Project 2025“, dem Fahrplan der rechtskonservativen Heritage Foundation für die zweite Amtszeit von Trump, wurden mit Erfolg bearbeitet. Das Dokument schlägt vor, „die Anerkennung Somalilands als souveränen Staat in Betracht zu ziehen – als Absicherung gegen die sich verschlechternde Position der USA in Dschibuti“.

Dort haben die USA in der Nachbarschaft von Somaliland eine strategisch wichtige Militärbasis, direkt an einer der wichtigsten maritimen Handelsrouten. Allerdings genehmigt die Regierung in Dschibuti nur sehr begrenzt Einsätze gegen die Huthis, um nicht selbst zur Zielscheibe der Islamisten zu werden. Neben der amerikanischen Militärbasis beherbergt Dschibuti zudem eine deutlich kleinere Station von China, das aus Sicht von Trumps Strategen zunehmend Einfluss auf die Regierung des ostafrikanischen Landes ausübt.

Der Nationalstolz steht über allem

Auf diese Gemengelage setzen sie in Somaliland. Wer durch die Region reist, realisiert schnell, dass dem Nationalstolz so ziemlich alles untergeordnet ist. Kaum ein Auto ohne die grün-weiß-rote Flagge Somalilands am Rückspiegel, kaum eine Straße ohne Fassadenbemalung in den Landesfarben. Selbst der Souvenir-Laden am Flughafen verkauft Kaffeetassen mit der Aufschrift „Erkennt Somaliland an – jetzt“.

Zuletzt vermeldete Somalilands neuer Präsident Abdirahman Mohamed Abdullahi gegenüber der britischen Zeitung „The Guardian“ Fortschritte. Die staatliche Anerkennung sei „am Horizont“ zu erkennen, sagte er. „Es ist eine Frage der Zeit. Nicht, ob es passiert, sondern wer Somaliland anerkennen wird und wann.“ Hochrangige US-Militärs hätten Hargeisa besucht, eine weitere Delegation werde erwartet, um „den Vermögenswert zu begutachten“.

Gemeint ist natürlich der Hafen von Berbera. Doch dort hat ein Mann das Sagen, dem langsam die Geduld auszugehen droht. „Wir hatten mehrere republikanische Senatoren aus den USA hier, das Militär kam bestimmt zehnmal und hat die Sicherheit für positiv befunden“, sagt Said Hassan, der Manager des Hafens. „Wenn die USA Berbera nutzen wollen, dann können sie das.“

Hassan weiß um die wirtschaftlichen Nöte von Somaliland, das wegen des mangelnden Anschlusses an das internationale Bankensystem unter hoher Inflation leidet. Kreditkartenzahlungen sind unmöglich, auf den Märkten bekommt man für einige US-Dollar bündelweise lokale Währung ausgehändigt. Auch Mittel von Weltbank und Internationalen Währungsfonds bleiben ohne staatliche Anerkennung verwehrt.

Schwerer aber wiegt, dass viele der Terminals leer sind in dem hochmodernen Hafen, in den ein US-Alliierter – die Vereinigten Arabischen Emirate – rund eine halbe Milliarde Dollar investiert hat. Es ankern ein paar Frachtschiffe aus dem Jemen, die Zwiebeln liefern für die gerade mal fünf Millionen Einwohner Somalilands, am Abend werden dann Ziegen für den Export in die Golfstaaten verladen.

Derzeit nutzt das riesige Äthiopien für den Seezugang Dschibuti, das überhöhte Gebühren verlangt und allein deshalb eine staatliche Anerkennung Somalilands zu verhindern versucht. Es hat aktuell den Vorsitz der Afrikanischen Union und damit einen starken Hebel. Der Binnenstaat Äthiopien versucht seinen Seezugang mit zunehmendem Nachdruck auf ein zweites Standbein auszuweiten. Doch ein Handelsvertrag mit Somaliland kommt nur langsam voran.

Es scheint, als würden Äthiopien und die USA die Bürde des ersten Landes, das Somaliland anerkennt, einander zuschieben – wohl wissend, dass dieser Schritt auch Einfluss auf die Golfstaaten hätte, die um die Häfen am Roten Meer konkurrieren. Im vergangenen Jahr gab es große Aufregung, als Äthiopien nur offiziell die „wohlwollende Prüfung“ der Unabhängigkeit in Aussicht stellte. Seitdem liegt die Angelegenheit in Addis Ababa wieder auf Eis, auch wenn sie nicht offiziell zurückgezogen wurde.

„Wenn der Westen nicht willig ist, dann klopft China an die Tür, Russland auch“, warnt Hafen-Chef Hassan. „Die USA haben lange gezögert. Wir hoffen, dass dies unter Trump endlich anders wird.“ Seine Nation biete den Vorteil einer prowestlichen Haltung, aber es sollte nicht zu lange dauern. Das habe er auch Präsident Abdullahi gesagt.

Größtmögliche Treue

Somalilands Regierung tut so ziemlich alles, um Trump größtmögliche Treue zu signalisieren. Peking reagierte entsetzt, als die Region vor fünf Jahren diplomatische Beziehungen mit Taiwan aufnahm und Taipeh erlaubte, ein Verbindungsbüro in Hargeisa zu eröffnen. Auf dem Kontinent traut sich das sonst nur das winzige Eswatini. Beide verzichten damit auf chinesische Kredite und Investitionen.

Doch Investitionen im großen Stil aus Taiwan bleiben bislang aus. Eine örtliche Repräsentantin des taiwanisch-somaliländischen Wirtschaftsverbands berichtet von „guten Kontakten“, konkret tätig geworden aber sei noch kein privatwirtschaftliches Unternehmen aus Taiwan. Aktenkundig ist lediglich eine Vereinbarung mit dem staatlichen Erdöl- und Erdgas-Unternehmen Taiwans.

Hafen-Manager Hassan berichtet, dass China hinter den Kulissen Lobbyarbeit leiste. Die Regierung lehnt wegen der Taiwan-Haltung zwar offizielle Kontakte zu Somaliland ab, unterstützt die Ein-Somalia-Politik. Die Kommunistische Partei habe aber über chinesische Firmen Repräsentanten geschickt, erzählt Hassan. „Sie würden alles zahlen, damit wir Taiwan wegschicken. Wir werden sehen, was passiert.“

Doch vorerst spielt Somaliland der Trump-Administration weiter alle erdenklichen Bälle zu. Selbst auf eine der absurdesten Meldungen der vergangenen Monate reagierte die Regierung der Region aufgeschlossen. Die Nachrichtenagentur AP berichtete im März von angeblichen Gesprächen zwischen israelischen und US-Beamten mit Repräsentanten Somalilands zur Umsiedlung von Palästinensern aus Gaza.

Das Außenministerium in Hargeisa dementierte derartige Gespräche, doch die örtliche Flüchtlingsbehörde zeigte sich gegenüber dem „Guardian“ durchaus aufgeschlossen: „Somaliland heißt alle Flüchtlinge willkommen.“ Derzeit gebe es zwölf palästinensische Familien in Somaliland, man sei zur Aufnahme weiterer bereit: „Die Menschen in Somaliland wollen Flüchtlingen helfen.“

Doch die Mittel sind begrenzt. Nach seiner Schicht in einem jemenitischen Restaurant erklärt sich Abdurrahman Abdulqader zum Gespräch bereit. Vor neun Monaten floh er aus dem Jemen nach Somaliland, wie 10.000 seiner Landsleute. „In meiner Gegend hatten die Huthis wenig Einfluss, aber die Wirtschaft ist wegen des Krieges komplett zusammengebrochen“, sagt Abdulqader. „Hier verdiene ich aber auch kaum genug zum Überleben – ich konnte seit Monaten kein Geld mehr zu meiner Familie schicken.“ Die Menschen seien freundlich und die Regierung habe ihm schnell die nötigen Papiere ausgestellt. Doch staatliche Unterstützung erhalte er keine.

Somalilands Regierung hofft, dass die USA zumindest die wirtschaftliche und militärische Kooperation ausbauen – so wie mit Taiwan, das von Washington ja auch nicht offiziell als Staat anerkannt wird. In Washington scheinen sich aktuell die Stimmen durchzusetzen, die eine Durchsetzung der US-Interessen auch ohne die Turbulenzen einer staatlichen Anerkennung für möglich halten.

Medizinerin Edna Adan aber hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ihr Traum von der internationalen Anerkennung bald wahr wird. „Jeder will diesen 850 Kilometer langen Küstenstreifen.“ Das gelte für China, aber auch für die Huthis und den Islamischen Staat, die beide eine Bedrohung darstellen würden. „Wenn Trump und seine Berater Zeit zum Nachdenken haben, dann werden sie die richtige Entscheidung treffen“, sagt Adan.

Hinter ihrem Schreibtisch ist jedenfalls noch etwas Platz. Für ein weiteres gerahmtes Foto mit einem US-Präsidenten allemal.

Christian Putsch ist Afrika-Korrespondent. Er hat im Auftrag von WELT seit dem Jahr 2009 aus über 30 Ländern dieses geopolitisch zunehmend bedeutenden Kontinents berichtet.

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