Ahmed Alattar (39) ist seit Oktober 2022 Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) in Deutschland. Zuvor studierte Alattar Erdölgeologie in Abu Dhabi, Internationale Politik in London und absolvierte auch das MBA-Programm an der renommierten Insead Business School. Zum Interview empfängt er WELT in der emiratischen Botschaft in Berlin.

WELT: Ihre Exzellenz, nach gut zwei Jahren in Berlin: Wie blicken Sie und die Vereinigten Arabischen Emirate auf Deutschland, wie nehmen Sie das Land aktuell wahr?

Ahmed Alattar: Deutschland ist eine bedeutende Wirtschaftsmacht, die über Unternehmen von Weltrang und robuste Institutionen mit beträchtlichem Potenzial verfügt. Die VAE und Deutschland arbeiten in zahlreichen Sektoren sehr gut zusammen, ob Wirtschaft, Technologie, Innovation oder Kultur. Diese Kooperation wollen wir künftig noch weiter ausbauen. Persönlich empfinde ich das Leben in Deutschland als sehr angenehm, da das Land eine ausgezeichnete Lebensqualität bietet.

WELT: Ich möchte mit Ihnen über Migration sprechen. In der „New York Times“ erschien kürzlich ein Essay mit dem Titel „Ich war in Dubai und habe die Zukunft gesehen“. Damit waren aber weniger die moderne Infrastruktur und Technologien gemeint – vielmehr ging es um die Idee von Gesellschaft und Migration, denn in den VAE leben deutlich mehr Migranten aus aller Welt, als einheimische Emiratis (Von circa 11 Millionen Einwohnern sind rund 88 Prozent Migranten, viele davon aus Indien, Pakistan und Ägypten - d. Red.). Wie ist die Migrationsphilosophie der VAE?

Alattar: Die Emirate haben sich zu einem Sehnsuchtsort für Menschen aus aller Welt entwickelt. Das gilt besonders für Fachkräfte mit speziellen Talenten und Fähigkeiten - etwa Programmierer, Köche, Lehrer und Ärzte - die von den einzigartigen Möglichkeiten, die die Emirate bieten, angezogen werden. Wir beherbergen mehr als 200 Nationalitäten, die hier leben, arbeiten, studieren und reisen, in einer inklusiven und weltoffenen Gesellschaft. Die Kombination aus wirtschaftlichen Möglichkeiten, kultureller Vielfalt, Sicherheit und sozialer Freiheit macht die VAE zu einem außergewöhnlichen Ort, um eine Karriere und ein Leben aufzubauen. Unser Land hat sich als einer der sichersten und begehrtesten Orte etabliert, den man sein Zuhause nennen kann.

WELT: In Deutschland gibt es wiederkehrend Debatten um Ramadan-Beleuchtung in Innenstädten, was vor allem von konservativen Kreisen sehr kritisch gesehen wird. In Dubai werden dagegen schon längst Ramadan, Weihnachten und das hinduistische Diwali ohne Probleme nebeneinander gefeiert und öffentlich zelebriert. Wie sehen Sie das?

Alattar: Wir sehen uns in den Vereinigten Arabischen Emiraten als Modell für Toleranz und Inklusion, mit gegenseitigem Verständnis und der Achtung kultureller Unterschiede. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass Gemeinschaften friedlich koexistieren können. Während wir als Emirate unsere Traditionen bewahren, begrüßen wir die Bräuche und Beiträge der Zuwanderer und schaffen so eine dynamische und integrative Gesellschaft. Im Gegensatz zu einigen globalen Herausforderungen, die durch Extremismus und Polarisierung entstehen, zeigt die Erfahrung der VAE, dass der Weg in die Zukunft im Dialog, in der Toleranz und im gegenseitigen Respekt aller Völker liegt.

WELT: 2023 fand die Weltklimakonferenz in Dubai statt. Ärgert es Sie, dass die Emirate mitunter nur als fossiler Staat wahrgenommen werden, obwohl dort große Entwicklungen im Bereich der Erneuerbaren Energien stattfinden?

Alattar: Die Klimakonferenz hat gezeigt, dass man den Klimawandel bekämpfen und gleichzeitig die Energieversorgung sichern kann. Wir in den Emiraten tun dies mit einer Mischung aus Erdgas, Atomkraft und Solarenergie. Die VAE haben Klimaschutz immer als Chance gesehen, um einerseits praktische Lösungen für ein globales Problem zu finden und gleichzeitig unsere Wirtschaft zu diversifizieren. Eine klimaneutrale Wirtschaft kann Wissen, Fähigkeiten und Arbeitsplätze für künftige Generationen schaffen. Das beinhaltet zum Beispiel auch die finanzielle Beteiligung am Offshore-Windpark Baltic Eagle vor der deutschen Küste.

„Tief verwurzelte nationale Vision, die auf Zukunft und nachhaltigen Fortschritt ausgerichtet ist“

WELT: Wenn man mit Menschen in den Emiraten oder auch im Nachbarland Saudi-Arabien spricht, fällt auf, dass sie die Zukunft deutlich optimistischer sehen als die Bevölkerung in Europa. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Alattar: Dieser Optimismus beruht auf einer tief verwurzelten nationalen Vision, die auf die Zukunft und nachhaltigen Fortschritt ausgerichtet ist. Mit Programmen wie „Vision 2030“ geht es uns um ein langfristiges Engagement für den Aufbau einer sicheren und wohlhabenden Zukunft für alle, insbesondere für die Jugend und künftige Generationen. Unser Ansatz ist darauf ausgerichtet, heutige Herausforderungen zu bewältigen und gleichzeitig die Grundlagen für dauerhafte Stabilität und Wachstum zu schaffen.

Diese zukunftsorientierte Perspektive spiegelt sich in den bedeutenden Investitionen der VAE in künstliche Intelligenz, Innovation, Technologie, nachhaltige Energie und die Entwicklung des Humankapitals wider. Durch die Nutzung dieser fortschrittlichen Sektoren wollen die VAE zu einem weltweit führenden Unternehmen in den Bereichen künstliche Intelligenz und technologische Innovation werden, unterstützt durch ein starkes nationales Engagement und strategische internationale Partnerschaften.

WELT: Welche Prioritäten setzen die Emirate bei ihren Staatsausgaben?

Alattar: Eines unserer Hauptziele in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist die kontinuierliche Verbesserung der Lebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger - etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung oder Wohnen. Im Einklang damit investieren wir in erheblichem Umfang in die Infrastruktur, Wirtschaftsförderung (unter Einbeziehung fortschrittlicher Technologien wie KI) sowie in Forschungs- und Entwicklungsinitiativen.

WELT: 2023 haben die sich Emirate dem BRICS-Staatenverbund um Russland und China angeschlossen. Zugleich haben Sie aber auch gute Beziehungen nach Europa und zu den USA. Wie sehen Sie die globale Rolle der VAE?

Alattar: Als dynamischer, zukunftsorientierter Partner, der Brücken zwischen verschiedenen Volkswirtschaften und Kulturen schlägt und dabei nachhaltigen Wohlstand schaffen will.

Als Mitglied der BRICS-Gruppe repräsentieren die VAE die kollektive Stärke der Schwellen- und Entwicklungsländer, um gemeinsame Ziele wie Wohlstand und nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Diese Mitgliedschaft ergänzt die umfassendere Außenpolitik der VAE, die den konstruktiven Dialog und den kulturellen Multilateralismus als wesentliche Grundlagen für Frieden, Sicherheit und globale Entwicklung sieht.

Durch ihre geografische Lage als wichtiges Tor zwischen Ost und West sind die VAE ein zuverlässiger globaler Knotenpunkt für Handel, Investitionen und Innovation. Die strategische Lage unseres Landes und seine vielfältigen Partnerschaften ermöglichen uns einen beispiellosen Zugang zu regionalen und internationalen Märkten und stärken unsere Rolle als wichtiger Wirtschaftsakteur auf der globalen Bühne. Wir wollen den gegenseitigen Fortschritt und die Stabilität in einer zunehmend vernetzten Welt vorantreiben.

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