Schwarz-Rot verweigert Haushaltsausschuss Berichte über Rüstungsausgaben
Schwarz-Rot wird dem Haushaltsausschuss wichtige Berichte über die Regierungsausgaben vorenthalten – vor allem aus dem Verteidigungsministerium. Das geht aus Unterlagen aus dem Ausschuss hervor, die WELT vorliegen. Einen entsprechenden Antrag haben Union und SPD am Mittwochabend im Haushaltsausschuss gegen die Stimmen der Oppositionsparteien AfD, Grüne und Linkspartei beschlossen.
Der Hintergrund: Es gibt eine 41 Seiten umfassende Liste mit vielen Dutzend Berichten, die verschiedene Ministerien eigentlich dem Haushaltsausschuss vorlegen müssten. Das Gremium fungiert als eine Art oberster Rechnungsprüfer der Bundesregierung im Parlament. Wegen der Neuwahlen und weil der neue Bundestag seine Arbeit erst spät aufnahm, sind dem Ausschuss viele Berichte noch nicht vorgelegt worden.
Diese tragen etwa Titel wie „Wirksamkeitsbericht zur Games-Förderung“ oder „Umsetzungsstand des Paktes für den digitalen Rechtsstaat/ Digitalisierungsinitiative der Justiz“. Ebenfalls dazu gehört – einige Nummern größer und relevanter – der Bericht über die „Abgabe von Material und Gerät der Bundeswehr an die Ukraine, Ausbildungsunterstützung“. Oder der Bericht des Verteidigungsministeriums „zur Beschleunigung und Optimierung der Beschaffungen in der Bundeswehr“. Nicht vorgelegt wurde bislang auch der jüngste Rüstungsbericht; in einem öffentlichen und einem als vertraulich gestempelten Teil gibt er den Haushältern im Bundestag Übersicht über die Vorgänge im Verteidigungsministerium innerhalb eines Jahres.
Damit der Haushaltsausschuss nicht noch monatelang mit alten Berichten beschäftigt ist, war unter den Fraktionen des Bundestags klar: Einige der aufgestauten Berichte sollen gestrichen werden. Am Mittwochmorgen wurde in der sogenannten Obleute-Runde verabredet: Die Einigung auf die zu streichenden Berichte soll erst in der nächsten Sitzung des Ausschusses erfolgen. Es sollte Zeit sein für eine Befassung mit der Frage, was gestrichen wird. Beziehungsweise: welche vorzulegenden beziehungsweise weiterzuführenden Berichte auf einer Positivliste stehen sollen.
Am Mittwochnachmittag dann aber legte Schwarz-Rot im Haushaltsausschuss ihren Antrag mit einer solchen Liste vor. Auf dieser fehlen nun aus Oppositionssicht allerhand bedeutende Bereiche, die somit der Kontrolle des Haushaltsausschusses entzogen werden. Darunter etwa ein Bericht mit Bezug auf Cum-Ex-Geschäfte. Oder einer namens „Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung“. Besonders auffällig zudem: Alle Berichte mit Rüstungsbezug sind von der schwarz-roten Liste verschwunden. Der gesamte Verteidigungsbereich fehlt – auch der wichtige Rüstungsbericht.
Den schwarz-roten Antrag kann man sogar so verstehen, dass es überhaupt keinen Rüstungsbericht mehr geben soll. Wörtlich heißt es im Antrag: „Der Haushaltsausschuss stellt fest, dass die in den Anlagen 1 und 2 aufgeführten einmaligen und regelmäßigen Berichtspflichten aus vergangenen Legislaturperioden beibehalten werden.“ Besagte Anlagen enthalten die von Schwarz-Rot vorgesehenen übrig gebliebenen Berichte – die Positivliste. Alle dort „nicht aufgeführten Berichtspflichten an den Haushaltsausschuss entfallen mit sofortiger Wirkung“, heißt es im Antrag.
Das ist pikant, besonders angesichts der neuerdings von der Schuldenbremse befreiten Rüstungsausgaben und des neuen Fünf-Prozent-Ziels der Nato. Riesige Ausgaben sind zu erwarten. Die Effektivität dieser Ausgaben derweil stand unter Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) immer wieder infrage.
Pistorius war bereits im vergangenen Jahr, das der infrage stehende Rüstungsbericht umfasst, Verteidigungsminister. Der Minister lässt sich seit Amtsantritt aber eher ungern anhand konkreter Zahlen in die Karten schauen. Schwarz-Rot selbst bezeichnet das Vorhaben im Antrag als für den „Bürokratieabbau“ notwendige Reduktion von Berichtspflichten.
„Sehr, sehr unüblich“
Sebastian Schäfer, Sprecher der Grünen-Fraktion für Haushaltspolitik und Verteidigungsexperte, kritisiert gegenüber WELT: „Im Verteidigungshaushalt gibt es durch die Grundgesetz-Änderungen kein Limit mehr für die Ausgaben, gleichzeitig sollen sämtliche Berichte abgeschafft werden. Was die Koalition hier betreibt, ist kein Abbau von Bürokratie, sondern ein massiver Abbau von parlamentarischer Kontrolle.“
Die Opposition, so Schäfer, sei bei diesem Vorhaben bewusst im Unklaren gelassen worden. Eine sachliche Debatte über den Sinn und die Notwendigkeit einzelner Berichtspflichten habe nicht stattgefunden. „Dabei dienen diese Berichte nicht nur der Information, sondern sind ein zentrales Instrument der parlamentarischen Kontrolle, gerade in Zeiten großer Haushaltsrisiken.“
Der haushaltspolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Dietmar Bartsch, sagt: „Die ursprüngliche Vereinbarung unter den Obleuten war: Vertagen (des Antrags, d. Red.) auf die nächste Sitzung. Es sollte solide überprüft werden, welche Berichte man weiter braucht oder eben nicht.“ Am Mittwoch dann aber scheine es „plötzlich großen Druck innerhalb der Regierungskoalition gegeben zu haben – sodass man dort schnell entscheiden wollte. Es ist sehr, sehr unüblich, dass die Oppositionswünsche von der neuen Koalition nicht akzeptiert werden.“
Die AfD teilt mit, sie sei „entschieden dagegen“, die Berichte zu streichen.
Union und SPD ließen WELT-Anfragen zum Sachverhalt unbeantwortet.
Jan Alexander Casper berichtet für WELT über innenpolitische Themen.
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