Der Empfang in Den Haag am Dienstagabend war ganz nach dem Geschmack von Donald Trump. Statt in einem fensterlosen Konferenzsaal zu verschwinden, gab es für den US-Präsidenten einen royalen Empfang. Im königlichen Palast „Huis ten Bosch“ erwarteten ihn König Willem-Alexander, Königin Máxima und Kronprinzessin Amalia zum Staatsbankett im Oranje-Saal. Trump liebt bekanntlich Pomp und Prunk.

Videos seiner Hochglanzankunft auf europäischem Boden fanden sich kurz darauf auf seinem „Truth Social“-Account. Bis dahin hatte Trump teilweise im Minutentakt aus der Air Force One zu Israel und Iran gepostet. Mehrfach die Forderung seiner Anhänger, dass der US-Präsident den Friedensnobelpreis bekommen sollte. Der 79-Jährige nimmt für sich bereits in Anspruch, der globale Dealmaker zu sein. Was hat Trump vorzuweisen, wenn er am Mittwoch beim Nato-Gipfel als Primus inter Pares auftritt?

1. Neues Kapitel für die Nato

Trump war am Dienstag kaum in Washington in die Air Force One gestiegen, als er jede diplomatische Gepflogenheit ignorierte. Auf seinem „Truth Social“-Account veröffentlichte er eine offensichtlich private Nachricht von Nato-Generalsekretär Mark Rutte. „Donald, Du hast uns zu einem wirklich, wirklich wichtigen Moment für Amerika, Europa und die Welt geführt. Du wirst etwas erreichen, was kein amerikanischer Präsident seit Jahrzehnten geschafft hat“, hatte der Niederländer dem US-Präsidenten als vorzeitiges Willkommensgeschenk geschrieben. „Europa wird kräftig zur Kasse gebeten werden – so wie es sein sollte – und es wird Dein Sieg sein.“

Ruttes einschleimende Nachricht hat ihren wahren Kern. Trumps Drohungen aus der ersten Amtszeit, die er im Wahlkampf 2024 fortsetzte, haben ihre Wirkung gezeigt. Die Europäer in der Nato sind endlich aufgewacht. Sie werden ein Fünf-Prozent-Ziel beim Gipfel vereinbaren. Was bedeutet, dass sie im Jahr 2032 70 Prozent der Nato-Fähigkeit übernehmen werden. Derzeit sind es 56 Prozent.

Was für die Europäer gilt, soll aber nicht für die USA gelten. „Ich glaube nicht, dass wir genauso viel zahlen sollten wie die anderen. Viel Geld geht in ihre Straßen, in ihre Brücken, damit sie schweres Militärgerät transportieren können. Das sind Straßen und Brücken in Europa, nicht bei uns“, erklärte Trump auf dem Flug in die Niederlande. Auch das werden die Europäer schlucken müssen, um die USA bei der Stange zu halten.

Ein weiterer Aspekt machte klar, dass die Hilfe der USA bei der Absicherung und Verteidigung Europas künftig keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Trump sagte auf dem Weg nach Den Haag zwar zu, dass die USA grundsätzlich zur im Artikel 5 verankerten Bündnispflicht der Nato stünden. Aber wie weit das Bekenntnis reicht, das sagte Trump nicht. „Das hängt von Ihrer Definition ab“, so der US-Präsident zu einer Reporterin. „Es gibt zahlreiche Definitionen von Artikel 5, das wissen Sie doch, oder?“ Er wolle aber stets „ein Freund“ sein und den Europäern „helfen“.

2. Kein Deal für Russlands Krieg in der Ukraine

Beim G-7-Treffen in Kanada war Wolodymyr Selenskyjs Hoffnung auf ein Treffen mit Trump enttäuscht worden. Der US-Präsident war vorzeitig abgereist, vor allem wohl wegen des eskalierenden Konflikts zwischen Israel und Iran. In Den Haag sollte es an diesem Mittwoch aber ein Treffen geben.

„Ja, ich werde Selenskyj wohl sehen“, erklärte Trump vor Ankunft. Was er dem ukrainischen Präsidenten sagen werde? „Ich werde sagen ,Wie geht es dir?‘ Er ist in einer schwierigen Lage, in die er nie hätte geraten sollen.“ Letztere Bemerkung mündete in Trumps bekannte Behauptung, Russlands Invasion der Ukraine sei der Schwäche seines Vorgängers Joe Biden geschuldet.

Von einem knallharten Vorgehen wie gegen das Mullah-Regime ist Trump in diesem Konflikt Lichtjahre entfernt. „Wladimir Putin hat mich angerufen und gefragt: ,Kann ich dir mit Iran helfen?‘ Und ich habe ihm geantwortet ,Nein, bei Iran brauche ich keine Hilfe. Ich brauche Hilfe in deinem Fall!‘“

Es sei „eine Schande“, dass Tausende Soldaten auf beiden Seiten jede Woche stürben, so Trump. Aber mehr als die Aussage „Ich hoffe, wir werden einen Deal bekommen“, hat der US-Präsident weiterhin nicht zu bieten. Dabei wollte er den Krieg „binnen 24 Stunden“ nach seiner Wiederwahl beenden. Doch alle Gespräche über eine Waffenruhe oder neue US-Sanktionen durch den Kongress verlaufen weiter im Sande.

3. Eine Zäsur im Nahen und Mittleren Osten

Auf dem Weg nach Den Haag wurde Trump gefragt, ob er aktiv einen „Regime Change“ im Iran wolle, einen Sturz des Mullah-Regimes. Trump verneinte, ein solcher Versucht „führt ins Chaos“. Doch er fügte hinzu, dass „die Iraner sehr gute Handelsleute sind, sehr gute Geschäftsleute“. Die Iraner sollten ihr Land wiederaufbauen. „Sie sollen niemals eine Atombombe haben, aber davon abgesehen ist das alles in Ordnung.“

Der Vorschlag erinnert an Trumps Idee, aus dem Gazastreifen „die Riviera des Nahen Ostens zu machen“. Trotz der entsetzten Kritik von Außenpolitikexperten an einem solchen Ansatz, beansprucht Trump für sich, nach langer Zeit des Dauerkonflikts ein neues Denken in die Region zu bringen.

Während Trumps Version vom „Wandel durch Handel“ angesichts der Spannungen in der Region weit von der Realität entfernt sind, hat er mit seinem Schlag gegen Irans Atomprogramm aber zweifelsfrei Fakten geschaffen. Zwar bleibt abzuwarten, wie substanziell Teherans Baupläne wirklich zunichtegemacht wurden. Die „New York Times“ und CNN berichteten am Dienstag auf Basis von ersten US-Geheimdienstberichten, dass die Kernkomponenten des Programms wohl nicht zerstört worden seien. Es sei wahrscheinlich nur um Monate zurückgeworfen. Das Weiße Haus wies den Bericht als „schlichtweg falsch“ zurück.

Aber mit seinem Vorgehen hat Trump Feinden des Westens in der Region seine Entschlossenheit und die militärische Überlegenheit der USA demonstriert. Gemeinsam mit Israel, das ebenfalls die Macht seines Militärs und seiner Geheimdienste bewies, hat Trump das Mullah-Regime zur zumindest vorübergehenden Kapitulation gezwungen. „Trumps Entscheidung war umsichtig und pragmatisch“, lobt ein Kommentator des „Wall Street Journal“.

Ob nach Jahrzehnten der Kriege und Konflikte nun eine Ära von „Liebe, Frieden und Wohlstand“ anbricht, wie Trump am Dienstag über die fragile Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran schrieb, steht auf einem anderen Blatt.

Stefanie Bolzen berichtet für WELT seit 2023 als US-Korrespondentin aus Washington, D.C. Zuvor war sie Korrespondentin in London und Brüssel.

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