Die Beziehungen zwischen Frankreich und Israel sind äußerst angespannt, seit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im April in Aussicht gestellt hat, einen palästinensischen Staat anzuerkennen. Am Montag kam es zu einem Eklat zwischen beiden Ländern. Kurz nach der offiziellen Eröffnung der französischen Luftfahrtmesse in Le Bourget im Norden von Paris wurden die Stände mehrerer israelischer Aussteller mit schwarzen Wänden abgesperrt. Das soll auf Geheiß der französischen Regierung geschehen sein.

Begründet wurde das mit dem Argument, die Rüstungsfirmen würden „offensives Material“ ausstellen, das im Gaza-Streifen zum Einsatz komme, was gegen die Vereinbarung gewesen sei. Als eine „Messe des Genozids“ bezeichnete die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Pariser Luftfahrt- und Waffenmesse. Auf Anfrage wollte sich der Élysée-Palast dazu nicht äußern und verwies auf das Verteidigungsministerium.

Israels Präsident Isaac Herzog sprach von einer „skandalösen“ Entscheidung. Die Aussteller hätten bezahlt und nun werde der Zugang zu ihren Ständen verweigert. „Das ist wie ein israelisches Getto“, so Herzog.

Kurz zuvor war die UN-Konferenz zur Zweistaatenlösung, die am Dienstag in New York hätte beginnen sollen, in letzter Minute abgesagt worden. Organisiert unter französischer und saudi-arabischer Schirmherrschaft, hätte dort die Möglichkeit für die Gründung eines palästinensischen Staates sondiert werden sollen.

Der geplanten New Yorker Konferenz war am vergangenen Freitag der „Paris Call“ vorausgegangen, ein Treffen von Vertretern der israelischen und palästinensischen Zivilgesellschaft in der französischen Hauptstadt. In der Abschlusserklärung hieß es: „Der Appell von Paris fordert die sofortige Anerkennung des Staates Palästina, einen dauerhaften Waffenstillstand, die bedingungslose Freilassung aller Geiseln sowie einen ungehinderten humanitären Zugang zum Gaza-Streifen.“

Macron hätte sich auf der Konferenz zu Wort melden sollen, hat aber angesichts der Eskalation einen Sicherheits- und Verteidigungsausschuss abgehalten. Doch er ließ wissen, dass seine Entschlossenheit, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, ungebrochen sei.

Zuvor wurde öffentlich, dass die USA andere Staaten vor der Teilnahme an der New Yorker Konferenz abgeraten hatten. Nach Informationen der Agentur Reuters hat die Trump-Administration diplomatische Depeschen herausgegeben, in denen mit durchaus drohenden Tonfall gewarnt wird, einen palästinensischen Staat anzuerkennen. 

Macron war schon vor Wochen vorgeprescht und hatte eine Anerkennung eines palästinensischen Staates „noch im Juni“ in Aussicht gestellt. Im Gegenzug werde man Israel solide Sicherheitsgarantien geben, hieß es. „Wir müssen auf eine Anerkennung hinarbeiten und werden dies in den kommenden Monaten tun“, so Macron in einem Interview im April, in dem er die Zweistaatenlösung als „moralische Pflicht und politische Notwendigkeit“ bezeichnete.

Das würde auch Deutschland unter Druck setzen

Seither arbeiten Frankreichs Diplomaten „auf Hochtouren“, wie es aus dem Élysée-Palast heißt, um „eine Dynamik auszulösen“. Bislang mit geringem Erfolg. Israels Angriff auf den Iran macht die Sache noch komplexer. Paris hatte gehofft, andere Länder mitzuziehen. Denn Frankreich wäre im Fall der Anerkennung eines palästinensischen Staates das erste Land der G-7-Gruppe.

Deshalb wurde versucht, auch Kanada, Japan und Großbritannien dafür zu gewinnen. Gespräche seien auch mit Australien, Neuseeland und EU-Staaten wie Belgien, Niederlande, Dänemark, Portugal und Luxemburg geführt worden. Sollte es gelingen, einen weiteren G-7-Staat zur Anerkennung zu bewegen, würde Macron damit auch Deutschland unter Druck setzen.

Israel reagierte auf die französische Initiative entrüstet. Es wird als „Belohnung“ für das Hamas-Massaker empfunden, wie es auch der franko-israelische Künstler Ron Agam in WELT formuliert hat. Der israelische Außenminister Gideon Sa’ar sprach sogar von einem „Kreuzzug“ Macrons.

Macron ist dennoch fest entschlossen, eine Vorreiterrolle bei der Befriedung des Nahostkonflikts zu spielen und versucht das mit dem ihm eigenen Hang zur Disruption. „Wir müssen die Konferenz so bald wie möglich neu organisieren“, versicherte er. Es ist fraglich, ob das in der Diplomatie eine erfolgreiche Methode ist.

Die von Frankreich formulierten Bedingungen für die Anerkennung eines palästinensischen Staates sind jedenfalls in weite Ferne gerückt. Ein dauerhafter Waffenstillstand in Gaza ist nicht in Sicht, genauso wenig die Freilassung aller von der Hamas entführten noch lebenden Geiseln.

Paris besteht auf eine komplette Entwaffnung der Terrororganisation Hamas und deren Ausschluss aus einer zukünftigen Regierung. Als Bedingung wird auch die „glaubwürdige Reform“ der palästinensischen Autonomiebehörde genannt.

Diese hat der Chef der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas in einem Brief in Aussicht gestellt, den er Macron und dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman vor einer Woche hat zukommen lassen. In dem Brief forderte Abbas die Hamas auf, ihre Waffen niederzulegen, alle Geiseln freizulassen und den Gaza-Streifen zu verlassen.

Abbas hat bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal die Terrorattacke auf Israel verurteilt. „Was die Hamas im Oktober 2023 getan hat, nämlich Zivilisten zu töten und zu entführen, ist nicht hinnehmbar und muss verurteilt werden“, heißt es in dem Brief, den der Elysée-Palast auf X veröffentlicht hat. Es seien „konkrete und beispiellose Verpflichtungen, die den echten Willen bezeugen, bei der Umsetzung der Zweistaatenlösung voranzukommen“, heißt es aus Paris.

Für Macrons Ehrgeiz, eine Führungsrolle in der Nahostpolitik zu spielen, kann man mehrere Erklärungen finden. Eine Rolle spielt die Tatsache, dass Frankreich mit mehr als zehn Prozent das europäische Land mit dem größten muslimischen Bevölkerungsanteil ist, allerdings auch mit der größten jüdischen Gemeinde. Unter Druck setzt ihn auch die radikale Linke Frankreichs, die „Free Palestine“ zu ihrem Slogan gemacht hat.

Die Zweistaatenlösung nach Jahrzehnten vergeblichen Bemühens jetzt wieder auf die Tagesordnung zu zwingen, wirkt allerdings wie falsches Timing. Auch Macron scheint inzwischen Zweifel zu haben. Noch immer gibt es kein klares Signal aus Paris, ob der Franzose seine Ankündigung umsetzten wird.

Prescht er vor, würde er damit Öl ins Feuer gießen, anstatt zu einer politischen Lösung beizutragen. Scheute er am Ende doch davor zurück, würde er aussehen wie ein Sprücheklopfer.

„Trennen Sie ein Stück der Côte d’Azur ab“

Dass Macron dieses Risiko eines Nullsummenspiels eingeht, hängt auch mit US-Präsident Donald Trump zusammen, der sich offiziell noch nicht von der Zweistaatenlösung verabschiedet hat, obwohl er die Annexion des Gaza-Streifens durch Israel unterstützt. Sein Vorschlag, aus Gaza eine „Riviera des Nahen Ostens“ zu machen, wird gern als Witz missverstanden, ist aber ernst gemeint.

Genauso wie der Vorschlag des US-Botschafters in Israel, Mike Huckabee: Wenn Frankreich so wild entschlossen sei, einen palästinensischen Staat zu sehen, habe er einen Vorschlag: „Trennen Sie ein Stück der Côte d’Azur ab.“

Bei diesem geopolitischen Monopoly versteht sich Frankreich vermutlich als Spielverderber und will zumindest verhindern, dass am Ende Tel Aviv und Washington allein über die Zukunft des Gaza-Streifens entscheiden.

Martina Meister berichtet im Auftrag von WELT seit 2015 als freie Korrespondentin in Paris über die französische Politik.

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