„Verdacht der Untreue“ – Jetzt attackiert AfD-Mann Helferich seinen Landesverband
Der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich ist eines der umstrittensten Mitglieder der AfD. Im Mai hatte der „Spiegel“ neue und schwere Vorwürfe gegen den rechtsextremen Politiker erhoben. Das Magazin berichtete über angebliche E-Mails, die Helferich in den Jahren 2014 bis 2016 innerhalb der Bonner Burschenschaft Frankonia verschickt haben soll.
In einer Mail, die der Recherche zufolge mit „Heilchen“ beginnt und mit „Matthias“ unterzeichnet ist, soll es etwa an ein Verbindungsmitglied gerichtet heißen: „Du hast noch meine gesamte Rassenkunde-Literatur, du jüdischer Langfinger.“ In weiteren Mails soll Helferich sich etwa als „Holocaustleugner_In“ bezeichnet haben. Der AfD-Politiker bestreitet, die Mails verfasst und versendet zu haben.
Der nordrhein-westfälische AfD-Landesvorstand um Martin Vincentz hatte Helferich im Mai aufgefordert, rechtliche Schritte gegen den „Spiegel“ einzuleiten. Die bisherigen Stellungnahmen Helferichs seien „nicht geeignet, die gegen Sie erhobenen Vorwürfe glaubhaft und öffentlichkeitswirksam zu entkräften“, hieß es in einem Brief des Vorstandsmitglieds und Europaabgeordneten Hans Neuhoff an Helferich. Der hatte zuvor von einem „Anschlag auf mich“ und einem „hochdubiosen Sachverhalt“ gesprochen.
Ende Mai sagte Helferich WELT: „Ich bin weder rechtlich noch moralisch verpflichtet, ein Verfahren gegen den ‚Spiegel‘ anzustrengen, das mich womöglich über viele Jahre Zehntausende Euro kosten wird, nur um zu beweisen, dass ich vor zehn bis zwölf Jahren vor meiner Zeit in der AfD etwas nicht getan habe.“
Nun erhebt Helferich wiederum Vorwürfe gegen seine Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen. WELT liegt eine Mail vor, die der Abgeordnete am Sonntag an den AfD-Bundesvorstand um Alice Weidel und Tino Chrupalla geschickt hat. Zur Aufforderung des Landesvorstands, zunächst anwaltlich und sodann gerichtlich gegen die Presseartikel vorzugehen, schreibt der Rechtsanwalt: „Ein derartiges Vorgehen führt meines Erachtens zu einer Schadensvertiefung.“
Helferich deutet an, dass sich ein Rechtsstreit jahrelang und über mehrere Instanzen ziehen könnte. „Die Berichterstattung würde in meinem Fall durchgehend fortgesetzt“, schreibt er an die Parteispitze. „Mir nun im Rahmen einer neuerlichen Beweislastumkehr ein Vorgehen gegen den ‚Spiegel‘ unter Androhung von Ordnungsmaßnahmen abzunötigen, darf wohl als rechtswidrig eingeordnet werden. Es ist wohl ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Partei.“ Die „konstruierten Vorwürfe“ könnten außerdem nicht in sein wegen anderer Vorwürfe laufendes Parteiordnungsverfahren eingeführt werden, „da sie vor meiner Mitgliedschaft liegen“.
Aus diesem Umstand ergebe sich auch, „dass eine Finanzierung des avisierten Verfahrens aus Parteimitteln den Verdacht der Untreue begründen könnte“, schreibt Helferich weiter. „Der Landesvorstand führt nun seit einem Jahr ein Parteiausschlussverfahren gegen mich und möchte nun mit Parteimitteln meinen öffentlichen Ehrschutz finanzieren – dieses Verhalten darf wohl als Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gewertet werden.“
Dies bezieht sich auf ein neuerliches Schreiben des Vorstandsmitglieds Neuhoff an Helferich vom 8. Juni. Mit Bezug auf Helferichs Verweis auf die hohen Kosten eines Verfahrens heißt es darin: „Der Landesvorstand hat beschlossen, Ihr Vorgehen gegen den ‚Spiegel‘ mit einer anteiligen Übernahme der dabei möglicherweise entstehenden Kosten zu unterstützen.“ Der Vorstand übernehme bis zu 10.000 Euro.
Die Eilbedürftigkeit der Klärung ergebe sich unter anderem „aus dem dringenden Interesse der Bundessprecher der AfD und des Landessprechers NRW, bei den anstehenden Sommerinterviews der großen Medienanstalten, bei denen Ihr Fall voraussichtlich zum Schaden der Partei aufgegriffen werden könnte, auf das Vorliegen der Unterlassungserklärung bzw. der einstweiligen Verfügung verweisen zu können“.
Helferich hat die in dem Schreiben genannte Frist für ein rechtliches Vorgehen verstreichen lassen. „An einer Straftat gegen das Parteivermögen werde ich mich nicht beteiligen“, heißt es in seinem Schreiben an den Bundesvorstand.
Landesverband wirft Helferich „Verdrehung der Tatsachen“ vor
Ein Sprecher des nordrhein-westfälischen AfD-Landesverbands weist die Anschuldigungen deutlich zurück. „Die von Herrn Helferich geäußerten Vorwürfe sind absurd und stellen eine Verdrehung der Tatsachen dar“, sagte der Sprecher WELT. Trotz monatlicher Einkünfte als Bundestagsabgeordneter von bald 11.800 Euro – ab Juli greift eine Diäten-Erhöhung für Abgeordnete – habe Helferich erklärt, „auch aus finanziellen Gründen nicht gegen die, nach seiner eigenen Aussage unwahre Berichterstattung vorgehen zu wollen“, sagte der Sprecher weiter. „Da es die Aufgabe des Landesvorstands ist, Schaden von der Partei abzuwenden, hat dieser mehrheitlich beschlossen, juristisch zu prüfen, ob eine finanzielle Unterstützung durch den Landesverband bei einem Gerichtsverfahren möglich wäre. Da Herr Helferich weiterhin nicht geneigt zu sein scheint, den durch die Berichterstattung entstandenen Schaden für die Partei auf juristischem Wege abzuwenden, scheint dies nun hinfällig geworden zu sein.“
Helferich behauptet in seiner Mail an die Bundesspitze weiter, die Mails könnten nur „aus einer Straftat resultieren“, die „vor vier Jahren gegen einen damaligen Studienfreund verübt worden ist“. Daher sei eine Manipulation „nicht ausgeschlossen“. Er habe Strafanzeige gestellt. Helferich teilte auf „Spiegel“-Anfrage mit, der Mail-Account eines damaligen Frankonia-Bundesbruders sei gehackt worden; er „schließe nicht aus“, dass jene, die dies taten, „auch Mailkorrespondenzen manipuliert haben“.
Der „Spiegel“ hatte berichtet, ihm seien die Mails von „antifaschistischen Recherchegruppen“ zugespielt worden; die Schreiben seien „ausführlich geprüft“ worden. „Einigen der E-Mails, die Helferichs tatsächliche Mailadressen enthalten, hängen Fotos von ihm an, die zum jeweiligen Inhalt der Mail passen“, heißt es im Text des Magazins. Man habe „E-Mails, Fotos und Dokumente von 2014 bis 2016 aus Helferichs Zeit bei der Bonner Burschenschaft Frankonia auswerten können“.
Neben den bereits genannten Mails wird Helferich vorgeworfen, in weiteren Nachrichten ein Buch empfohlen zu haben, „welches schon Goebbels anleitete“, als Ziel das „Überleben unserer Volksgemeinschaft“ genannt sowie geschrieben zu haben, „Neger“ hätten eine „genetische Disposition zur kriminellen Lebensweise“.
In der Mail an die Parteispitze schreibt Helferich, dass er seine „Verteidigungsstrategie im Parteiausschlussverfahren“ gegenüber einzelnen Mitgliedern des Bundesvorstands, darunter den Parteivorsitzenden, offengelegt habe. „Der Erfolg des Vorgehens in Sachen Verfassungsschutz-Hochstufung dürfte durch die mir abgenötigte Verteidigung gefährdet sein.“ Helferich will sich auf WELT-Anfrage nicht dazu äußern, was er damit konkret meint.
Gegen Helferich läuft bereits seit dem vergangenen Jahr ein vom Landesvorstand angestrengtes Parteiausschlussverfahren. Dieser wirft dem 36-Jährigen vor, „die Außerlandesbringung von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund unter Anwendung staatlicher Zwangsmittel als politische Zielstellung artikuliert und die Betroffenen dabei als ‚Viecher‘ adressiert“ zu haben. Helferich bestreitet die Vorwürfe. Nach WELT-Informationen ist für den 6. Juli eine mündliche Verhandlung des Landesschiedsgerichts angesetzt. Der Bundesvorstand hat sich dem Verfahren bislang nicht angeschlossen.
Im Jahr 2022 war gegen Helferich eine dreimonatige Sperre für Parteiämter verhängt worden. Es ging um Chatnachrichten aus den Jahren 2016 und 2017, in denen sich Helferich etwa als „das freundliche gesicht des ns“ (Schreibweise im Original) sowie – mit Bezug auf den Präsidenten des NS-Volksgerichtshofs, Roland Freisler – als „demokratischer Freisler“ bezeichnet hatte. Hierzu behauptete Helferich, er habe sich lediglich persiflierend auf Fremdzuschreibungen politischer Gegner bezogen.
Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen. Im September erscheint im Herder-Verlag sein Buch über den AfD-Politiker Björn Höcke. Zweiwöchentlich erscheint seine Kolumne „Gegenrede“.
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