In dem Schreiben an den SPD-Politiker Grötsch, das WELT exklusiv vorliegt, kritisiert der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Manuel Ostermann, dessen Aussagen zur fehlenden Rechtssicherheit bei Zurückweisungen an der Grenze.

In dem Brief vom 9. Juni schreibt Ostermann von „verwundertem Interesse“ angesichts Grötschs Forderung nach mehr Rechtssicherheit. Die Aussage, Exekutive und Judikative widersprächen sich, sei „fehlgeleitet“. Die Kolleginnen und Kollegen würden nicht unter Unsicherheit leiden. „Zunächst besteht in der Hauptsache keinerlei Rechtsunsicherheit, da es hier keine Rechtsprechung gibt“, schreibt Ostermann. Maßgeblich seien demnach das nationale Recht und die Weisungslage des Bundesinnenministers, so der Polizeigewerkschafter. Grötschs öffentlichen Äußerungen könnten ein „verzerrtes Bild zwischen tatsächlichen Gegebenheiten und rhetorisch überspitzten Debatten“ erzeugen und schlimmstenfalls „rechtswidrige polizeiliche Maßnahmen“ suggerieren.

Anstatt Verunsicherung zu schüren, solle der Polizeibeauftragte aus Sicht der DPolG konkrete Missstände adressieren. Ostermann listet in seinem Schreiben mehrere Themen auf, um die sich der Polizeibeauftragte des Bundes dringender beschäftigen sollte. Darunter die ausstehende Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Alimentation der Beamten und die fehlende Übertragung des Tarifergebnisses, die schleppende Einführung des Tasers als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sowie unzumutbare Unterbringungsbedingungen bei Großeinsätzen für Bereitschaftspolizisten der Bundespolizei. Hier liege echter Handlungsbedarf, schreibt Ostermann.

Grötsch hatte in einem Interview mit der Rheinischen Post im Zusammenhang mit den Grenzkrontrollen vor einem gefährlichen Spannungsverhältnis zwischen Exekutive und Judikative gewarnt. Hintergrund ist ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, das die Zurückweisung von drei somalischen Asylbewerbern an der deutsch-polnischen Grenze als rechtswidrig einstufte. Grötsch sagte, er sehe „auf den ersten Blick, dass die Exekutive hier was anderes sagt als die Judikative“. Und weiter: „Das halte ich für einen wahrhaft problematischen Zustand, der schleunigst geklärt werden muss.“ Polizisten bräuchten Rechtssicherheit bei ihren Einsätzen.

Zugleich kritisierte Grötsch die Auswirkungen der verstärkten Grenzkontrollen auf den Polizeialltag. Notwendige Übungen fielen wegen der hohen Einsatzbelastung bereits aus, sagte er. Man müsse sich fragen, „zu welchem Preis“ solche Maßnahmen langfristig umgesetzt werden könnten. Grötsch forderte eine offene politische Debatte darüber, welche Prioritäten gesetzt werden sollten und unter welchen Bedingungen die Bundespolizei arbeitsfähig bleibe.

Der Streit zwischen Polizeigewerkschaft und dem Polizeibeauftragten hat noch eine weitere Ebene. Die DPolG hat mit dem Amt des Polizeibeauftragten grundlegende verfassungsrechtliche Probleme und im vergangenen Jahr Verfassungsbeschwerde gegen das Amt des Bundespolizeibeauftragten eingereicht, da die Gewerkschaft das Gesetz zum Polizeibeauftragen ohne eine Verankerung im Grundgesetz für verfassungswidrig hält.

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