Im Interview mit Fox News lässt Merz gleich zwei Spitzen gegen Angela Merkel los
Friedrich Merz ist nicht Top-News. Die 18-Uhr-Sendung bei Fox News beginnt ausführlich mit der Nachricht des Tages: der öffentliche Streit zwischen Elon Musk und Donald Trump. Bevor die Moderatorin Aishah Hasnie zum Interview mit dem deutschen Bundeskanzler überleitet, quetscht sie noch ein zweites Thema rein: das Telefonat des US-Präsidenten mit seinem chinesischen Gegenüber.
Auch bei CNN dauert es, bis die Zuschauer Merz zu Gesicht bekommen. Angefangen wird – mit der Nachricht des Tages, Elon Musk. Merz liefert dem Moderator Jake Tapper nicht den erwünschten Tratsch aus dem Weißen Haus, wie es denn war, als die Kameras weg waren. Der Kanzler segelt souverän durch beide Interviews. Bei FoxNews lässt er sich zu zwei verdeckten Seitenhieben gegen Angela Merkel hinreißen.
Es ist Donald Trump, der Merz‘ Vor-Vorgängerin an diesem Besuch erstmals aufbringt. Das Thema der Diskussion ist die Migration, als der Präsident eine Parallele zwischen den USA und Deutschland herstellen will. Man habe viele Mörder im Land, Deutschland habe ein ähnliches Problem, so Trump. „Ich habe ihr gesagt, sie kann nicht so viele Leute ins Land lassen“, sagt er, ohne einen Namen zu nennen. Erst vier Sätze später: „Das habe ich Angela gesagt.“
Rund sechs Stunden später wird Merz im Studio von Fox News nach dem Antisemitismus in Deutschland gefragt. Die Vorfälle seien gestiegen, eine eingeblendete Grafik zeigt den Anstieg. Was er dagegen tue, lautet die Frage von Hasnie.
Es sei eine „furchtbare Herausforderung“, so der Kanzler, die man ernst nehme. Man werde alles tun, die Zahlen runterzubringen. Dann kommt ein Eingeständnis, das kein deutscher Kanzler so ausgesprochen hat. „Wir haben einen importierten Antisemitismus durch die große Zahl der Migranten, die in den letzten zehn Jahren gekommen sind.“ Vor zehn Jahren, 2015, begann unter der Führung von Angela Merkel die Flüchtlingskrise.
Dass Merz die deutsche Migrationspolitik verschärft hat, bemerkt Hasnie anerkennend. Hier habe Merz doch eine Sache mit Trump gemeinsam, sagt sie. „Gerichte versuchen ihre Agenda zu behindern. Haben Sie da einen Rat für den Präsidenten?“
Für den Kanzler ein heikles Thema. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am Dienstag entschieden, dass eine Zurückweisung dreier Somalier an der deutsch-polnischen Grenze rechtswidrig ist. Nachdem Bundesinnenminister Alexander Dobrindt angekündigt hat, dennoch an der geplanten Asylwende festhalten zu wollen, unterstellte ihm die Opposition, in Trump-Manier Gerichte ignorieren zu wollen. Im Fox-News-Studio weicht Merz der Falle aus. Selbst wenn er einen Rat hätte, würde er ihn nicht öffentlich sagen.
Auch beim Thema AfD ist Merz trittsicher. Hasnie ließ noch mal die Tweets von Außenminister Marco Rubio und Vizepräsident J.D. Vance einblenden. Ersterer hatte Deutschland vorgeworfen, eine „getarnte Tyrannei“ zu sein, nachdem der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hatte. Merz wiederholt seine harte Ansage an Washington, dass man in Sachen Demokratie keine „Lektion von außen“ brauche. Deutschland habe freie Meinungsäußerung. „Interessanterweise“ sei das Thema im Gespräch mit Trump überhaupt nicht aufgekommen, gibt er zu Protokoll. „Wir haben das hinter uns gelassen“.
Ganz zum Schluss kommt die Sprache auf das Thema, weswegen Merz vermutlich bei Fox News auftreten wollte: die Ukraine. Schließlich ist es überwiegend die MAGA-Basis, die zur Zuschauerschaft des Senders zählt. Hier gilt es, Argumente für die Unterstützung Kiews vorzubringen. Doch Merz wird zunächst gefragt, ob er Trump zustimme, dass der Krieg unter dessen Regentschaft nicht begonnen hätte.
Eine hypothetische Frage, die der Kanzler nicht beantworten will. „Das ist eine Spekulation, die richtig oder falsch sein könnte“, sagt er, um selbst eine hypothetische Frage zu stellen. „Was wäre gewesen, wenn die Ukraine 2008 Mitglied der Nato geworden wäre?“ Ein Schritt, den die USA damals unter George W. Bush unterstützten und Deutschland zusammen mit Frankreich ablehnte. „Man kann spekulieren, ob dann der Krieg nicht verhindert worden wäre“, so Merz. Es war damals Angela Merkel, die sich mit dem damaligen französischen Präsidenten Francois Hollande gegen Bush stellte. Eine weitere Spitze gegen seine Vor-Vorgängerin.
Gregor Schwung berichtet für WELT seit 2025 als US-Korrespondent aus Washington, D.C. Zuvor war er als Redakteur in der Außenpolitik-Redaktion in Berlin für die Ukraine zuständig.
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