„Dann müssen wir nachschärfen“ – Frei springt Dobrindt bei Zurückweisungen bei
Der Chef des Bundeskanzleramts, Thorsten Frei, hält trotz des Asyl-Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts am derzeitigen Kurs bei Zurückweisungen an den Grenzen fest. Die Regierung halte „die Praxis, wie wir sie anwenden, für rechtmäßig“, sagte der CDU-Politiker am Montagabend bei WELT TV. Er kündigte aber an, Schlussfolgerungen aus der Eilsachenentscheidung dieses Einzelfalls ziehen. „Das werden wir tun. Und wenn es noch Begründungserfordernisse gibt, muss man eben entsprechend nachschärfen.“
Frei verteidigte die Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, gestand jedoch ein, dass einige europäische Partnerstaaten wie Polen diese Praxis nicht unterstützen: „Da haben wir unterschiedliche Haltungen. Nicht alle Nachbarn sehen es gleich.“ Polen habe jedoch „grundsätzlich die gleiche migrationspolitische Auffassung haben wie wir“ – schließlich agiere das Land umgekehrt an seinen Außengrenzen genauso wie Deutschland. „Wir müssen Lösungen finden, die auch mit den Nachbarn kompatibel sind. Das ist von entscheidender Bedeutung.“
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am Montag die Zurückweisung von drei Somaliern bei Grenzkontrollen für rechtswidrig erklärt. Deutschland müsse bei Asylgesuchen auf seinem Staatsgebiet das Verfahren beginnen und feststellen, welcher EU-Mitgliedsstaat dafür nach dem Dublin-Verfahren zuständig ist. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte erklärt, er halte trotz des Gerichtsbeschlusses vorerst an den Zurückweisungen fest und warte nach den Eilentscheidungen das Hauptsacheverfahren ab.
Stegner kritisiert „flotte Zurückweisungsrhetorik“
Dobrindts Verhalten stieß nicht nur bei den oppositionellen Linken und Grünen auf Kritik. Auch der SPD-Politiker Ralf Stegner kritisierte Dobrindt (CSU). Die SPD habe in der Asylpolitik immer „auf Humanität und die Einhaltung der deutschen und europäischen Rechtsgrundlagen an unseren Landesgrenzen bestanden“, sagte Stegner dem „Spiegel“.
Dies hätten die Konservativen stets lässig zurückgewiesen. Im Wahlkampf habe es dann „die bekannte flotte Zurückweisungsrhetorik der Union gerade aus der CSU“ gegeben.
Diese stehe nun vor dem Praxistest im Regierungshandeln. „Das wird für Herrn Dobrindt möglicherweise nicht ohne ein paar politische Schrammen abgehen – so was kommt von so was“, sagte Stegner, der in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD die Innen- und Migrationspolitik mitverhandelt hatte.
Konzept der Zurückweisungen ist erledigt, sagt der Migrationsforscher
Der Migrationsforscher Gerald Knaus hält das Konzept der Zurückweisungen für gescheitert. „Alle Fälle, die vor Gericht kommen werden, wird die Bundesregierung verlieren bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof. Die Frage ist nur, wie lange sie das noch durchziehen will“, sagte Knaus im Podcast „5-Minuten-Talk“ des „Stern“.
Knaus zeigte sich irritiert über die Ankündigung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), trotzdem an dem umstrittenen Konzept festzuhalten: „Irgendwann muss ja auch die SPD - sie stellt ja die Justizministerin - die Frage stellen, wie kann man eigentlich die Bundespolizei losschicken, was zu tun, was offensichtlich rechtswidrig ist.“
Knaus empfiehlt der Bundesregierung stattdessen sichere Drittstaatenabkommen nach dem Vorbild des EU-Türkei-Deals von 2016. Dieser habe die Migrationszahlen schon einmal reduziert. Die EU-Kommission habe vor zwei Wochen Vorschläge präsentiert, mit deren Hilfe das rechtlich möglich würde. „Jetzt müssten SPD, CDU und CSU im Europaparlament dafür sorgen, dass es möglichst schnell durchkommt. Die meisten in der EU wollen das“, so Knaus. „Dann könnte man parallel dazu jetzt schon mit Verhandlungen und Angeboten beginnen. So schnell es geht.“
Dobrindt hatte am 7. Mai verstärkte Kontrollen und Zurückweisungen von Migranten angeordnet. Dies soll dem Minister zufolge nicht auf lange Dauer angelegt sein. Von den Zurückweisungen sind zudem besonders verletzliche Gruppen wie Kinder und Schwangere ausgenommen.
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